Auszahlung der nächsten Kredittranche verschoben:Griechenlands plötzliche Geldreserve irritiert Analysten

Mitte Oktober! Das war lange die Deadline für die Auszahlung der nächsten griechischen Tranche. Jetzt heißt es plötzlich: Das Geld des Pleitestaates reicht doch bis November. Analysten sind über diese Wendung irritiert - sie wissen nicht, wie Griechenland die demnächst fälligen Anleihen begleichen will.

Markus Zydra

Es ist ernst genug, wenn über die Pleite eines Staates spekuliert wird. Allerdings sollte man annehmen, die verantwortlichen Politiker wissen, wann das letzte Stündlein - in diesem Fall für Griechenland - geschlagen hat.

Greek finance minister.

Athen: Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos kann nur unter schwerer Bewachung das Ministerium verlassen.

(Foto: dpa)

Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Gruppe, hat die Finanzmärkte in dieser Frage ein wenig irritiert: Das für den 13. Oktober geplante Treffen der EU-Finanzminister, in dem über die Auszahlung der nächsten Kredittranche für Athen entschieden werden sollte, ist nämlich verschoben worden.

Griechenland, so Juncker, benötige erst im November wieder Geld. Wenig später meldete sich auch der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos: Griechenland könne sogar bis Mitte November auf die Auszahlung aus dem Rettungspaket warten.

Diese plötzliche Fristverlängerung überrascht allerdings, hatte es zuletzt doch geheißen, Griechenland sei ohne Gewährung der EU-Hilfen spätestens Mitte Oktober zahlungsunfähig. Was gilt denn nun - oder hat Athen Reserven, von denen nur Insider Kenntnis haben?

Fest steht: Griechenland muss am 22. Oktober Zinsen für zwei Anleihen bezahlen. "Es werden 1,05 Milliarden Euro fällig, ich weiß nicht, woher das Geld kommen soll", sagt Gernot Griebling, Anleiheexperte der Landesbank Baden-Württemberg. Zwar hat Griechenland am 20. September eine Anleihe mit einer Laufzeit von 13 Wochen begeben, was 1,6 Milliarden Euro in die Kassen spülte. Allerdings waren zwei Tage später, am 22. September, Kreditzinsen für einen anderen Bond fällig, die Athen bezahlt hat, wohl aus diesem Erlös.

Einerseits ist die Finanzlage Athens sehr brisant, andererseits gibt es offenbar Polster für kurzfristige Verbindlichkeiten, die - je nach politischer Verhandlungslage mit den Kreditgebern - genutzt werden können. "Die Finanzministerien haben hier Gestaltungsspielraum, ob sie andere Zahlungen zugunsten des Kapitaldienstes zurückdrängen", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. "Fest steht aber auch, dass der Spielraum für Griechenland gering ist, angesichts der Rückzahlungssummen und angesichts der Tatsache, dass selbst die kurzfristige Geldmarktfinanzierung nicht mehr zur Auswahl stehen dürfte", meint Kater.

Anleger spielen Griechen-Pleite durch

Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos betonte am Dienstag, es gebe keine Diskussion über eine Zahlungsunfähigkeit des Landes. Doch an den Finanzmärkten wird schon längst ein Schuldenschnitt Athens vorweggenommen; die Experten gehen davon aus, dass 50 Prozent der griechischen Verbindlichkeiten gestrichen werden.

Die prekäre Lage der belgisch-französischen Bank Dexia - das Institut sitzt auf Griechen-Bonds im Wert von 1,8 Milliarden Euro - verdeutlicht die Furcht der Anleger. Auch in anderen europäischen Instituten könnte das Eigenkapital knapp werden, wenn sie den Wert der Anleihen als Verlust abschreiben müssen. Die Kosten für Kreditausfallversicherungen von Anleihen sind deshalb am Dienstag weiter angestiegen. Die Versicherungsprämie für zehnjährige Bundesanleihen ist auf ein neues Rekordhoch geklettert, wobei Deutschland im Vergleich immer noch am besten dasteht

Die deutschen Institute sind nach den französischen am zweitstärksten in griechische und italienische Anleihen investiert. Mit einem Volumen von 177,9 Milliarden Dollar halten sie zudem die meisten spanischen Anleihen, wie Daten der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) per Ende März zeigen. "Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass Deutschland eine ordentliche Last bei der Stützung der Eurozone zu tragen hat", sagt Analyst Gavan Nolan vom Datendienstleister Markit.

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