Aussichten der Weltwirtschaft:Schock für alle

Die Schwellenländer schwächeln, Italien zahlt Rekordzinsen und eine Konjunkturprognose besorgt Deutschland. Es ist eindeutig: Die nächste Wirtschaftskrise zieht herauf wie ein Wintersturm. Die Politik muss dringend handeln - und erkennen, dass die alten Ideen des Ökonomen Keynes das Gebot der Stunde sind.

Alexander Hagelüken

Ein Vorteil der Globalisierung ist, dass Deutschland inzwischen von vielen anderen Staaten abhängt und deren Wachstum die Probleme unseres Landes reduziert. Genau das ist auch das Schlechte an der Globalisierung: Da die Bundesrepublik von vielen Staaten abhängt, reduzieren deren Probleme unser Wachstum.

Aussichten der Weltwirtschaft: Eine Luftaufnahme zeigt die rauchende Schornsteine der ThyssenKrupp-Stahlwerke in Duisburg. Die weiteren Aussichten der Weltwirtschaft sind eher mau.

Eine Luftaufnahme zeigt die rauchende Schornsteine der ThyssenKrupp-Stahlwerke in Duisburg. Die weiteren Aussichten der Weltwirtschaft sind eher mau.

(Foto: AP)

Weil gerade die konjunkturellen Gewinnwarnungen aus allen Teilen des Globus einlaufen, schält sich als entscheidende Frage heraus: Wie richtig oder falsch reagieren die Regierungen auf der ganzen Welt auf die Wirtschaftskrise, die heraufzieht wie ein Wintersturm? Und was bedeutet das für Deutschlands Wachstum und seine Probleme?

Das Ifo-Institut ließ am Mittwoch die Pessimisten noch pessimistischer werden: Die Münchner glauben, die deutsche Wirtschaft wachse 2012 mit 0,4 Prozent nur noch gut ein Zehntel so stark wie in diesem Jahr. Das ist ein Schock: Noch im Oktober sagten die fünf Forschungsinstitute gemeinsam ein wenigstens doppelt so hohes Wachstum voraus wie jetzt Ifo.

Die Gründe sind klar: Die Schuldenkrise in Europa sowie die durch Sparpakete verschärfte Rezession in angeschlagenen Euro-Staaten und der globale Abschwung. Was Europas Regierungen leisten müssen, ist daher ebenso klar. Sie müssen die Schuldenkrise lösen, die zu einer Vertrauenskrise wurde, die weltweit Firmen und Verbraucher hemmt. Der jüngste EU-Gipfel gab beeindruckende Stabilitätsversprechen, aber kein Signal für eine Rettung klammer Staaten via Zentralbank - weswegen er die Schuldenkrise nicht löste, wie die Rekordzinsen für Italien am Mittwoch zeigen.

Weil wir in der janusköpfigen Globalisierung mit ihren guten wie schlechten Abhängigkeiten leben, reicht diese Euro-Strategie aber nicht. Nach der Finanzkrise von 2008 befreite sich Deutschland dank des Booms in den Schwellenstaaten schnell aus der Rezession. Auch diesmal ist die Bundesrepublik auf China, Indien oder Brasilien angewiesen. Doch die neuen Wachstumsriesen schwächeln selbst. Wie schlimm der globale Abschwung wird, hängt nun von den Regierungen ab, und zwar von allen. Eine nationale Wirtschaftspolitik ohne internationale Wirkungen mehr gibt.

Ein Vorbild für heute

Zum einen muss die Weltgemeinschaft einen Rückfall in den Protektionismus vermeiden, für den Chinas Strafzölle auf US-Autos ein gefährliches Anzeichen sind. In der letzten Krise machte die Diskriminierung ausländischer Firmen alles zunächst schlimmer, wurde aber rasch eingedämmt. Ein Vorbild für heute.

Zum anderen sollten neben den Industrieländern auch Schwellenstaaten an ihren Systemschwächen arbeiten, die sonst die Krise verschärfen. Brasilien etwa leidet wegen geringer Sparquote und anderer Mängel an Qualzinsen von elf Prozent, die die Unternehmen bremsen. Indien schottet Branchen wie den Einzelhandel von ausländischen Investoren ab, weswegen es für die Entwicklung zu einer modernen Volkswirtschaft an Kapital fehlt. Doch weil die Abneigung gegen Fremde seit der Ausbeutung durch die koloniale East India Company im 17. Jahrhundert tief sitzt, hat der Regierungschef gerade eine wichtige Abstimmung über Investoren wie Walmart verloren.

Zum dritten wird es wichtig sein, dass der Westen im Verbund mit den neuen Boomländern aktiv gegen den Einbruch steuert. Das liberale Dogma, der Staat solle sich heraushalten, ist spätestens seit der Finanzkrise überholt. Damals verhinderte vor allem die schnelle Reaktion der USA, Chinas oder Europas mit Konjunkturprogrammen und billigem Geld der Zentralbanken eine Depression wie in den Dreißigern Jahren. Keynes ist nicht tot, seine Ideen sind das Gebot der Stunde. Das Problem: Den Staaten fehlt das Geld, sie werden von höhreren Schulden gedrückt als vor der Finanzkrise. Bleibt zu hoffen, dass Ifo-Präsident Sinn recht hat mit seiner Prognose, der Abschwung falle glimpflicher aus als 2009.

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