Außenhandel:Erst mal abwarten

Außenhandel: Menetekel an der Wand: Donald Trump und Boris Johnson auf einem Streetart-Gemälde in Bristol, im Südwesten von England.

Menetekel an der Wand: Donald Trump und Boris Johnson auf einem Streetart-Gemälde in Bristol, im Südwesten von England.

(Foto: Geoff Caddick/AFP)

Trotz Brexit und Trump hoffen deutsche Mittelständler weiterhin auf ein gutes Auslandsgeschäft.

Von Norbert Hofmann

Deutsche Exporteure hätten derzeit Grund zur Sorge. Die Ausfuhren in den wichtigsten Absatzmarkt USA waren in den ersten neun Monaten dieses Jahres erstmals seit 2009 rückläufig. Nach der Trump-Wahl drohen nun protektionistische Maßnahmen. Beim drittwichtigsten Abnehmer Großbritannien erwarten Marktbeobachter einen Wachstumseinbruch. Hinzu kommen die Spannungen in der Türkei und die Schwierigkeiten italienischer Banken. "Der Ausblick auf 2017 gleicht der Fahrt in dichtes Nebelgebiet, in dem das Schiff leicht vom Kurs abkommen kann", warnt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Doch trotz Brexit und Trump-Wahl bleibt der Außenhandel ein herausragendes Geschäftsfeld für die deutsche Wirtschaft.

Einer Umfrage der DZ Bank zufolge erwartet weniger als ein Drittel der im Ausland engagierten Unternehmen von den politischen Risiken Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Mehr als die Hälfte plant sogar den Ausbau der Auslandsaktivitäten. Und die Firmen wünschen sich dabei die Unterstützung durch Banken. Das beginnt bei der Kapitalbereitstellung und reicht hin bis zur Absicherung von Zins- und Währungsrisiken. Bei vielen weltweit agierenden Unternehmen ist auch ein internationales Cash-Management gefragt, mit dem sie etwa umgehend einen Negativsaldo auf einem Konto in Südafrika mit einem Guthaben in chinesischer Währung verrechnen können. "Die Finanzierung des Auslandsgeschäfts ist in den letzten Jahren komplexer und der Mittelstand gleichzeitig anspruchsvoller geworden", sagt Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management.

Die deutsche Hausbank kann auch den Abnehmer im Ausland finanzieren und so ein Ausfuhrgeschäft überhaupt erst ermöglichen. Ebenso sorgen klassische Dokumentengeschäfte, die eine Zahlungsfreigabe mit der Lieferung eines Produkts verknüpfen, für zusätzliche Absicherung. "Der Faktor Sicherheit und die damit verbundenen Bankdienstleistungen haben im Außenhandelsgeschäft gerade in einer Zeit zahlreicher politischer Krisenherde an Bedeutung gewonnen", sagt Gottfried Finken, Leiter des Auslandskompetenzcenters der DZ Bank.

Wichtig ist Unternehmern die internationale Präsenz eines Geldhauses. Die DZ Bank, die auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken bei der Betreuung von Firmenkunden unterstützt, ist mit Filialen an Standorten wie New York, London, Singapur und Hongkong vertreten. Hinzu kommen Repräsentanzen von Sao Paulo und Istanbul bis Mumbai, Shanghai und Peking.

Banken können wichtige Wegbegleiter sein. Doch der Wettbewerb ist hart

Das Auslandsgeschäft ist für Banken jedoch auch mit Risiken verbunden. So haben deutsche Banken laut dem Corporate-Banking-Index der Beratungsgesellschaft Bain im ersten Halbjahr ihr Kreditvolumen im Firmenkundengeschäft im ersten Halbjahr zwar auf einen neuen Rekordwert ausgeweitet. Die Profitabilität fiel aber deutlich unter die in den Jahren 2010 bis 2012 erreichten Werte. Kunden um jeden Preis zu gewinnen, macht im harten Wettbewerb keinen Sinn. Vielmehr, so die Experten von Bain, sollten die Banken ausgewählte Firmenkunden mit einer exzellenten Gesamtleistung überzeugen. Das Auslandsgeschäft kann ein Teil dieser Leistung sein.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken streben nach mehr Kompetenz im Auslandsgeschäft. "Sie werden derzeit dem Bedarf häufig noch nicht ausreichend gerecht und laufen so Gefahr, Kunden an die Privatbanken zu verlieren", sagt Wissenschaftler Faust. Eine Lücke gerissen habe der Rückzug der Landesbanken aus vielen ausländischen Märkten. Stattdessen umwerben verstärkt wieder ausländische Institute wie HSBC oder BNP Paribas deutsche Firmen. "Die Auslandsbanken sind zurück und die Unternehmen registrieren deren internationale Kompetenz insbesondere auch im asiatischen Markt als Mehrwert", sagt Faust.

Vor neuen Herausforderungen stehen Unternehmen jetzt auch in Großbritannien und den USA. Mit den Unsicherheiten des Brexit etwa beschäftigt sich der Automobilzulieferer Dräxlmaier Group in Vilsbiburg. Die inhabergeführte Firmengruppe mit Standorten in mehr als 20 Ländern beliefert deutsche und internationale Premiummarken. "Für die Automobilindustrie ist Großbritannien einer der größeren Absatzmärkte, den die Hersteller und ihre Zulieferer jetzt auch wegen der Währungsveränderungen unter neuen Vorzeichen sehen", sagt Unternehmenssprecher Tobias Nickel. Bei Herstellern wie BMW, Daimler oder Audi, die ihre Fahrzeuge am britischen Markt verkaufen, wirkt das schwächere Pfund als Absatzhemmnis. Produzenten wie Jaguar und Land Rover wiederum, ebenfalls Kunden von Dräxlmaier, können bei einem niedrigen Pfundkurs günstiger verkaufen. Andererseits aber wird der Einkauf im Ausland für sie teurer.

Der Automobilzulieferer selbst hat die vielfältigen Wirkungen bereits vor dem Entscheid der Briten kalkuliert. Allzu große Verwerfungen befürchtet man nicht. "Großbritannien wird nicht ganz ablegen vom Festland und auch künftig Handel mit der EU betreiben", erwartet Nickel. Jetzt gilt es, sich mit der Phase der Unsicherheit bis zum Abschluss der Verhandlungen mit der EU abzufinden.

Abzuwarten bleibt auch, was der neue US-Präsident konkret umsetzen wird. "Die potenziellen Risiken für den deutschen Außenhandel werden von Unternehmen und ihren Banken sehr ernsthaft diskutiert", sagt Experte Finken von der DZ Bank. Als Beispiel nennt er eine mögliche härtere Haltung Donald Trumps gegenüber Iran, wo deutsche Unternehmen gerade wieder große Exportchancen wittern. "Auch eine neue Eiszeit zwischen China und den USA kann nicht gut für die Wirtschaft des Westens sein", sagt Finken.

Bei der Errichtung von Handelsbarrieren ist auch mit Widerstand der US-Wirtschaft zu rechnen. "GM, Chrysler und Ford werden international weniger wettbewerbsfähig sein, wenn sie ausschließlich in den USA fertigen müssen", sagt Nickel. Der bayerische Automobilzulieferer dagegen kann es relativ gelassen sehen. "Wir sind mit unseren Geschäftsbeziehungen in Europa, Asien und Amerika so breit aufgestellt, dass wir Veränderungen in einzelnen Märkten durch das Geschäft in anderen Ländern kompensieren können", sagt Nickel.

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