Außenhandel:Der nächste große Deal

A truck lines up before cattle are loaded into the NADA vessel in the port of Santos

Ladevorgang im Hafen von Santos, Brasilien: Der Handel mit Mercosur-Staaten soll leichter werden.

(Foto: Paulo Whitaker/Reuters)

Europa ist kurz davor, ein Handelsabkommen mit Südamerika abzuschließen. Der Mercosur-Vertrag verspricht mehr Exporte für die Industrie, ruft aber auch Kritiker auf den Plan.

Von Alexander Hagelüken und Alexander Mühlauer, Brüssel/München

Die Europäische Union steht vor dem Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Die zuständigen Minister von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay waren am Dienstag in Brüssel, um mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und EU-Agrarkommissar Phil Hogan die politischen Vorgaben für die Unterhändler festzuzurren, damit das Endspiel der Verhandlungen in den kommenden Wochen beginnen kann. Die EU will sich mit dem Handelspakt als Gegenpol zur Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump positionieren.

Die Europäer sind fest entschlossen, jenes Vakuum füllen, das die USA als einstmaliger free-trader of the world auf internationaler Bühne hinterlassen haben. Das Abkommen mit Mercosur sei, wie schon der kürzlich geschlossene Vertrag mit Japan, von "großer strategischer und geopolitischer Bedeutung", hieß es in Brüssel. Die EU will Märkte besetzen, bevor es zum Beispiel die Chinesen tun. Den Europäern geht es außerdem darum, ein klares Zeichen gegen den Protektionismus der Vereinigten Staaten zu setzen. Trump bedroht in den Augen der EU das System des globalisierenden Freihandels, dem der Westen seit dem Zweiten Weltkrieg folgt.

Der gemeinsame Handelsraum von EU und Mercosur würde etwa 800 Millionen Konsumenten umfassen. In den Verhandlungen geht es nun vor allem um den Marktzugang für europäische Autos und Milchprodukte sowie um den Schutz geografischer Herkunftsbezeichnungen der EU. Die vier Mercosur-Staaten erreichen zusammen eine Wirtschaftsleistung von umgerechnet etwa zwei Billionen Euro. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt des größten EU-Mitgliedsstaats, der Bundesrepublik, beträgt gut drei Billionen Euro, jenes von Frankreich zwei Billionen. Die Mercosur-Staaten sind für Europa also durchaus interessante Absatzmärkte. Das Abkommen soll insbesondere den Export von Industriegütern nach Südamerika anfachen, für die es bislang eine Reihe von Hürden gibt. Durch die Handelserleichterungen könnten deshalb Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden.

Die Zeit für einen Abschluss ist kurz: In Brasilien wird im Oktober gewählt

Umgekehrt erhoffen sich die Mercosur-Länder mehr Agrarexporte. Dabei lauern aber Gefahren für Europas Verbraucher, wie interne Verhandlungstexte zeigen. Zwar kontrolliert die EU weiter Importe, verzichtet aber endgültig darauf, Südamerikas Exportbetriebe vorab zu inspizieren. Stattdessen verlässt sie sich auf Garantien des Exportlandes. Dieses Vertrauen wirkt fragwürdig angesichts der Usancen etwa des brasilianischen Fleischkonzerns JBS, der 2017 in einen Skandal um Gammelfleisch verwickelt war. Der JBS-Eigner gab anschließend zu, über die Jahre 2000 Politiker und Beamte wie Lebensmittelinspektoren bestochen zu haben - darunter auch Staatspräsident Michel Temer. "Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung der EU-Kommission beipflichtet und durch die Vereinfachung von Zulassungsverfahren EU-Agrarexporte und Einfuhren aus Mercosur-Staaten wie Brasilien beschleunigen will", erklärt Friedrich Ostendorff, Agrarexperte der Grünen im Bundestag. "Skandal-Unternehmen wie JBS bedürfen einer umfassenden Kontrolle, wie sich vergangenes Jahr insbesondere bei eingeführtem Geflügelfleisch herausstellte."

Weitere Kritik: Europa hat das Vorsorgeprinzip kaum im Vertrag platziert, nach dem es Importe bei Gefahr etwa für die Gesundheit verhindern kann, selbst wenn diese nicht wissenschaftlich erwiesen ist. Womöglich können Mercosur-Staaten nun unerwünschte Importe durchsetzen. Die EU verlor Klagen vor der Welthandelsorganisation, weil sie keine genveränderten Produkte aus den USA akzeptieren wollte, mit denen kein Vorsorgeprinzip vereinbart ist.

Nachdem die Süddeutsche Zeitung im Dezember erstmals über die geheimen Verhandlungstexte berichtet hatte, versicherte die EU-Kommission, den Verbraucherschutz zu verteidigen. Bei den EU-Regeln zur Lebensmittelsicherheit gebe es keinen Kompromiss. Es werde keinen Trade-off zwischen einem Handelsabkommen und den hohen europäischen Schutzstandards geben. Die EU habe sehr strikte Hygiene- und Sicherheitskontrollen für Lebensmittel - insbesondere für tierische Produkte. EU-Chefverhandlerin Sandra Gallina versprach kürzlich "ein fantastisches Kapitel" über Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit. Die Brüsseler Handelskommissarin Cecilia Malmström erklärte, das Zeitfenster für einen Abschluss schließe bald, und dann für mehrere Jahre. In Brasilien wird im Oktober gewählt, 2019 stehen die Europawahlen an.

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