Griechenland:Die Troika war ein Fehler

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Ein Wandbild in Athen geißelt die von der EU geforderten Sparmaßnahmen (Foto: REUTERS)

Erst macht sich Deutschland selbst zum Chefunterhändler in den Verhandlungen mit Griechenland, dann schadet Berlin durch seine Strategie dem IWF. Längst ist Deutschland nur noch Geisel der Volksmeinung.

Ein Gastbeitrag von Ousmène Mandeng

Die griechische Tragödie ist auch eine Pleite für die multilaterale Gemeinschaft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) musste, wegen eines gescheiterten Programmansatzes, die größten Zahlungsrückstände seiner Geschichte hinnehmen. Deutschland trägt in seiner selbsternannten Rolle eines Chefunterhändlers mit Griechenland dafür eine wesentliche Mitverantwortung und hat so erheblichen Schaden für den IWF und die multilaterale Gemeinschaft insgesamt verursacht.

Deutschland hat in seinem Reformdrang die multilaterale Dimension der Griechenland-Verhandlungen völlig außer Acht gelassen. Das neueste sogenannte Abkommen mit Griechenland scheint denn auch eher die Resignation der Griechen widerzuspiegeln; jedenfalls hat es nicht die Grundlage geschaffen für nachhaltige Maßnahmen, für die Griechenland tatsächlich die Verantwortung übernehmen kann und will. Deutschland schien sich auch hier übereifrig mit harten Forderungen durchsetzen zu wollen. Dabei hängt der Erfolg von Reformen hauptsächlich davon ab, dass der Reformer selbst von ihnen überzeugt ist.

Kaum ein Tag verging in den vergangenen Monaten, an dem nicht irgendein deutscher Politiker einen Kommentar zu Griechenland abgab. Man sprach davon, sich "nicht erpressen zu lassen", "die Faxen dicke zu haben" oder davon, dass es "so wirklich nicht weitergeht". Die letzten Umfragen zeigten, dass 70 Prozent der Deutschen meinten, die EU solle Griechenland nicht weiter nachgeben. Deutschland schien am Ende seiner Geduld zu sein. Aber warum sollte das den Ausschlag geben für die Verhandlungen mit Griechenland?

Deutschland hat durch sein Verhandlungsgebaren den IWF lahmgelegt und dadurch sinnvolle wirtschaftspolitische Ansätze möglicherweise nicht beachtet. Es hat sich zur Geisel seiner eignen Volksmeinung gemacht und ganz wesentlich die Regeln der multilateralen Gemeinschaft missachtet. Deutschland ist nicht der IWF. Griechenland hat ein Abkommen mit dem IWF vereinbart und parallel dazu ein Finanzierungsabkommen mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB), um die Finanzierungslücke des Programms zu schließen.

Die parallelen Abkommen der sogenannten Troika sind präzedenzlos. Den IWF haben die Europäer deshalb einbezogen, weil sie für die Umsetzung des Programms eine neutrale, apolitische und technokratische Institution haben wollten, damit nicht politische Zwänge oder Stimmungen in den Völkern zu großen Einfluss bekommen. Das wurde zunichte gemacht.

Der IWF sollte politische Stimmungen fernhalten

Der IWF ist die erste Instanz für internationale Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Währungsfragen. Deutschland ist seit 1952 Mitglied im IWF und somit gebunden an den internationalen Vertrag, auf dessen Grundlage der IWF nach dem Zweiten Weltkrieg seine Arbeit aufnahm. Ziel des Fonds war und ist die Lösung schwerer Zahlungsbilanzkrisen, und zwar so, dass möglichst Wohlstandseinbußen auf nationaler und internationaler Ebene vermieden werden. Das bedeutet konkret: Maßnahmen, die eventuell optimal für ein Land sind, aber suboptimal für andere, sollen vermieden werden. Der multilaterale Rahmen soll dafür sorgen, dass die Meinung der internationalen Gemeinschaft vertreten wird und nicht die einzelner Staaten. Das ist erforderlich, um die Rechenschaftspflicht des IWF gegenüber seinen Mitgliedern zu gewährleisten.

Der IWF hat heute 188 Mitgliedsländer. Deutschlands unilaterale Führung in Sachen Griechenland erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem die Legitimität des IWF ohnehin erheblich unter Druck steht. Das Gewicht eines Mitgliedslandes in den Gremien des Fonds hängt mehr oder weniger von seiner Wirtschaftsleistung ab. Die heutige Stimmverteilung jedoch spiegelt nicht mehr die Realität der Weltwirtschaft wider. So hat Deutschland einen Stimmenanteil von 5,8 Prozent, China dagegen nur von 3,8 Prozent. Die bereits vereinbarte Strukturreform, die das Übergewicht der Europäer beim Fonds beseitigen soll, liegt auf Eis, weil der amerikanische Kongress blockiert.

Deutschland hat mit der Troika durch die Hintertür einen viel zu großen Einfluss auf die Programmverhandlungen des IWF genommen. Es hat damit den Fonds zum Juniorpartner degradiert. Das kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass Deutschlands Finanzbeitrag größer ist als der anderer Staaten. Viele Mitgliedsländer sind jetzt erheblich frustriert, weil sie im Grunde nur noch angehalten werden, Entscheidungen durchzuwinken, die in Berlin getroffen werden. Der IWF hat die Kontrolle über sein Griechenlandpaket verloren. Das liegt auch an der Befangenheit des IWF-Exekutivdirektors und der Chefin des Fonds, Christine Lagarde. Der IWF wagte es nicht, sich gegen Berlin durchzusetzen.

Dies alles wird künftige IWF-Verhandlungen erschweren und das Misstrauen jener Länder erhöhen, die sich im IWF ungenügend repräsentiert sehen. Es hat den Verdacht genährt, die multilateralen Organisationen seien Spielball der Industrienationen. Deutschlands Verhalten wird dazu beitragen, die multilaterale Ordnung, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg besteht, weiter zu beschädigen. Die Fragmentierung wird schon jetzt vorangetrieben durch Europa, etwa mit dem Euro-Rettungsschirm (ESM), aber auch durch China und die Asiatische Investitions- und Infrastruktur Bank (AIIB). Das wird es einfacher machen, regionalen oder nationalen Interessen Vorrang zu geben und das internationale Gefüge weiter zu untergraben.

Griechenland trägt durch jahrzehntelange grobe Misswirtschaft die Hauptschuld an seiner Misere. Es ist jedoch nicht Deutschlands Aufgabe, Griechenland zu bedrängen, diese Missstände zu beheben. Das ist Griechenlands Sache. Die Troika war ein grundsätzlicher Fehler. Sie führte zur Institutionalisierung politischer Einmischung beim IWF. Europa hätte entweder die Griechenlandkrise selbst angehen sollen oder bei Hinzunahme des IWF seine Ziele denen des Fonds strikt unterordnen müssen. Der IWF hätte jetzt eine Weiterführung der Troika ablehnen müssen, auch um die Notwendigkeit einer Wende im Programmansatz zu signalisieren.

Deutschland hat die Reputation des IWF erheblich geschmälert. Es scheint die Perspektive verloren zu haben für die multilaterale Ordnung. Denn um was es ganz wesentlich bei Griechenland geht, ist nicht, die Interessen einzelner Länder durchzusetzen, sondern eine multilaterale Lösung zu finden. Deutschland sollte diese Ordnung bewahren. Es hat bisher das Gegenteil bewirkt.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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