Aussehen und Fitness:Einfach perfekt

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Der Managertypus hat sich geändert. Der Chef von heute läuft Marathon und achtet auf sein Äußeres. Damit beeindruckt er nicht nur die Kollegen, sondern auch die Aktionäre.

Von Teresa Stiens

Die Zigarre im Mund, der Bauch quillt über den zu engen Gürtel, das schüttere Haar ist nach hinten gekämmt. Träge hängt der Chef auf dem Schreibtischstuhl und schiebt sich ein Mettbrötchen in den Mund. Dieses Bild stammt aus einer anderen Zeit; aus einer Zeit, als Führungspersonen noch runde Typen waren, ohne Elan, aber dafür mit Leibesfülle. Das hat sich massiv geändert. Rauchen? Schädlich für die Lunge, wie soll man denn da den Marathon schaffen? Mettbrötchen? Viel zu viel Cholesterin! Und gegen den lichten Haaransatz lässt sich heutzutage auch etwas machen - eine Haartransplantation à la Jürgen Klopp zum Beispiel. Der neue Managertyp ist jung, dynamisch und sportlich unterwegs. Fette Wampen sind in den Führungsetagen passé. Heute gilt: beauty sells.

Wolfgang Schmid rührt in seinem Cappuccino, sein Nadelstreifenanzug sitzt perfekt, die Haare sind vorbildlich gestylt. Der Manager einer Goldvertriebsfirma sieht überraschend frisch aus für seine 53 Jahre. Nur bei genauerem Hinsehen sind zwei Narben hinter den Ohren erkennbar. Sie sind der Beweis dafür, dass Schmid bei seinem Aussehen ein wenig nachgeholfen hat. "Vor zwei Monaten habe ich ein Facelift machen lassen", sagt Schmid - und es klingt wie ein Geständnis.

Gutes und junges Aussehen gleicht in der Wirtschaftswelt einem Statussymbol

Die Schönheitschirurgin Barbara Kernt hat Schmids Gesicht gestrafft, indem sie seine Haut - grob gesagt - nach hinten gezogen hat. Ein chirurgischer Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit, es geht dabei allein um das Aussehen des Patienten. "Ohne meinen Beruf hätte ich den Eingriff wohl nicht machen lassen", gibt Schmid zu. Der Druck, als Unternehmensleiter nicht nur gebildet und führungsstark zu sein, sondern auch schlank, jung und schön, ist groß. "Die Vita ist heutzutage zweitrangig", sagt Schmid. Er ergänzt: "Wer zu alt ist, muss gehen". Manager sollen zwölf,13,14 Stunden am Tag arbeiten und dabei aussehen, als kämen sie gerade aus dem Karibik-Urlaub zurück. Damit ist die Natur überfordert, die Medizin muss helfen.

Elftausend Euro hat Schmid für die Gesichtsstraffung bezahlt, so viel kostet ein Auto. Doch für den Geschäftsmann ist der Eingriff vor allem eine Investition in sich selbst. Wenn er jünger und vitaler aussieht, kann er seinen Job länger behalten und wird als Führungsperson respektiert. Sein Gesicht ist sein Kapital, so wie bei einem Modell oder einem Schauspieler. Studien zeigen, dass die Aktienkurse steigen, wenn ein Unternehmen einen schönen Manager einstellt. Erfahrungen und Expertise sind dabei zweitrangig. Gutes, jugendliches Aussehen kommt in der Welt der Manager einem Statussymbol gleich. Was früher das Boot war, ist heute das Gesicht: schön muss es sein, modern und viel Geld muss es gekostet haben. "Man redet mittlerweile ganz offen über seine Operationen", sagt Wolfgang Schmid. Schönheit ist ein Signal an die Außenwelt: Seht her, ich habe meinen Körper unter Kontrolle, also habe ich auch das Geschäft unter Kontrolle. "Früher war Fettleibigkeit ein Zeichen des Wohlstands, heute signalisiert sie Disziplinlosigkeit", sagt Otto Penz, der sich als Soziologe an der Universität Wien mit dem Thema Schönheit beschäftigt. Das Aussehen von Managern scheint erst in den vergangenen Jahren zum Thema geworden zu sein. Auch Schmid gibt zu: "Vor zehn Jahren hätte ich niemandem geglaubt, der mir prophezeit hätte: Du lässt dir mal das Gesicht straffen."

Je höher das Einkommen, desto besser die gelaufene Zeit beim Marathon

Wer sich nicht unters Messer legen will, der treibt exzessiv Sport, um seinen Körper in Form zu bringen. Bertelsmann-Chef Thomas Rabe läuft regelmäßig, ebenso Airbus-Chef Tom Enders. Auch den Langstreckenläufern geht es vorrangig um Disziplin und Ehrgeiz, wie eine Studie des Frankfurt Marathons in Zusammenarbeit mit dem Institut Dresdner Kleinwort zeigt. 34 Prozent der Manager laufen Marathon wegen des Ehrgeizes, 26 Prozent wegen der Disziplin und nur 15 Prozent, um dabei Spaß zu haben. Die gelaufene Zeit scheint außerdem eine direkte Auswirkung auf den Gehaltsscheck zu haben - oder umgekehrt. Jedenfalls laufen Menschen mit höheren Einkünften auch die besseren Zeiten beim Marathon. Läufer der obersten Einkommensklasse (über 500 000 Euro Jahresgehalt) waren im Schnitt 15 Minuten schneller als Läufer der untersten Einkommensklasse (bis 15 000 Euro Jahresgehalt). Ehrgeiz und Disziplin sind im Job, aber auch bei der Langstrecke offenbar ein Erfolgsrezept.

Doch es geht auch darum, sich untereinander zu übertrumpfen. Wer macht den meisten Gewinn? Wer hat das teuerste Auto? Wer läuft die 42,195 Kilometer am schnellsten? Um dem Konkurrenzkampf der laufenden Alphatiere gerecht zu werden, hat der Frankfurter Marathon eine eigene Bewertungskategorie für Manager eingeführt. 250 Unternehmensleiter sind darin gelistet. Bester Läufer im Jahr 2014 war Dennis Pyka, der für eine Marktforschungsfirma arbeitet und die Marathon Distanz in zwei Stunden und 25 Minuten absolvierte, eine beachtliche Zeit für einen Amateurläufer mit Vollzeitjob.

Auch Marathonläufer und Airbus Chef Tom "James Bond" Enders kann sich zu den ehrgeizigen Managern zählen. (Foto: Matthew Hinton/AFP)

Ein neuer Trend in Sachen Fitness ist das sogenannte Self Tracking. Kleine Geräte am Handgelenk zählen jeden Schritt, messen, wie tief man schläft und wie viele Kalorien man verbrannt hat. Für Manager die optimale Möglichkeit, ihr Engagement in Messbares umzuwandeln. So, wie sie es auch im Unternehmen gewöhnt sind. Eine Gewinn- und Verlustrechnung des Kalorienverbrauchs, eine Bilanz der zurückgelegten Distanz - all das wird möglich mit einem kleinen Gerät am Handgelenk. Für die hart arbeitenden Unternehmensleiter wird es so leichter, die tägliche Dosis Fitness in den Tag einzubauen und zu überprüfen, ob man heute schon genug getan hat für das Äußere.

Für Männer zahlt sich das Investment in die Schönheit aus - und bei den Frauen?

Während sich bei Männern Schönheit also auszahlt, scheint sie bei Frauen eher ein Hindernis zu sein. Zumindest wenn es um höhere Gehaltsklassen geht. Studien zufolge werden attraktive Frauen eher eingestellt, dann aber nicht unbedingt befördert. "Frauen tun gut daran, sich männlich zu geben, wenn sie im Unternehmen aufsteigen wollen", sagt Soziologe Penz. Weiblichkeit wird in einer für Männer konzipierten Führungswelt oft als Schwäche ausgelegt. Auch Manager Schmid bestätigt dieses Phänomen: "Meine weiblichen Kolleginnen in der Branche sind über 60 und für ihren Beruf ist es gut, dass man ihnen ihr Alter auch ansieht", sagt er. Das Gesicht straffen oder die Brust vergrößern lassen ist für Frauen also eher ein Karrierekiller, meinen Experten.

"Die Businesswelt ist sehr oberflächlich geworden", sagt Wolfgang Schmid, "ich würde mir wünschen, dass bald wieder mehr moralische Werte zählen." Doch auch er hat sich operieren lassen - um der Karriere willen. Mit dem Ergebnis ist er zufrieden: "Ich bin selbstbewusster, wenn ich Vorträge vor vielen Leuten halte", sagt Schmid. Seiner 31-jährigen Ehefrau habe das Resultat auch gut gefallen. Im Herbst dieses Jahres möchte Schmid noch seine Augenpartie straffen lassen. Dann soll aber Schluss sein mit den Schönheitsoperationen. Einen Marathon plant er in nächster Zeit hingegen nicht, er sei "nicht so der sportliche Typ".

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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