Süddeutsche Zeitung

Bankenkrise:Schuld? Am Credit-Suisse-Desaster? Wir doch nicht!

Lesezeit: 2 min

Wer ist verantwortlich für die Bankenkrise? Man selbst nicht, ist ja klar. Doch wer dann? Zum Glück gibt es jetzt einen Ausredengenerator, der den Schuldigen zielsicher in die Pfanne haut.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Wenn ein Unternehmen scheitert, kommt immer schnell die Frage nach der Verantwortung auf. So natürlich auch dieses Mal. "Herr Lehmann", fragt ein Journalist den Verwaltungsratspräsidenten der Credit Suisse, Axel Lehmann, "wer ist verantwortlich für dieses Desaster?" Die Antwort ist - wie könnte es anders sein - natürlich nicht ganz trivial. Bei der Credit Suisse trugen sie immer gerne große Bonisäcke nach Hause, während ein Skandal auf den nächsten folgte, dazu Missmanagement und fragliche Deals. Dieses Missverhältnis zu benennen, klar, das könnte Lehmann jetzt tun. Und ja, er könnte demütig zugeben, dass man selbst eine gewisse Schuld trage, er als Verwaltungsrat oder die Führungsriege als Ganzes.

Aber das wäre dann doch alles ein bisschen zu leicht. Also atmet Axel Lehmann tief ein und zählt dann eine lange Liste von Dingen auf, die - leider, leider - zusammengekommen seien und gegen die man einfach nichts habe machen können. Ein Social-Media-Sturm, die Schlagzeilen, Altlasten, all das habe das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht. Tja.

Die gute Nachricht: Allein ist er mit solchen Antworten nicht. Bei Managern im 21. Jahrhundert gehört es irgendwie zum Beruf, die Schuld bei den äußeren Umständen zu suchen. Zuletzt kamen viele auf die Idee, schlechte Zahlen der Einfachheit halber auf "Corona" zu schieben oder auf "gestörte Lieferketten". Doch was soll man künftig sagen, wenn sich beides entspannt? Immer neue Ausreden zu finden, das ist gar nicht so leicht.

Gut also, dass es im Internet nun einen "Ausredengenerator" für das Credit-Suisse-Desaster gibt. Dort kann der geneigte Banken-Enthusiast mit nur wenigen Schlagworten eine brauchbare Antwort auf die Schuldfrage generieren. Könnten zum Beispiel "Grüne Bananen" verantwortlich sein? Der Generator spuckt aus: "Wir von der Credit Suisse tragen keine Schuld am Scheitern unseres Instituts. Der plötzliche und unerwartete Einbruch des Marktes für grüne Bananen hat uns hart getroffen und unser Portfolio stark beeinträchtigt. Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan, um die Auswirkungen dieser unvorhergesehenen Entwicklung zu minimieren, aber letztendlich war es eine unüberwindbare Hürde für uns."

"Wir versprechen, in Zukunft mehrere Wecker zu stellen."

Für das Wort "verschlafen" gibt es ein ähnlich amüsantes Ergebnis: "Wir von der Credit Suisse tragen keine Schuld an der Rettungsaktion im Jahr 2023. Es war einfach ein alltägliches Problem, dass unser Management-Team den Wecker verschlafen hat und dadurch wichtige Entscheidungen verpasst hat. Wir entschuldigen uns bei unseren Kunden und versprechen, in Zukunft mehrere Wecker zu stellen."

Der Generator, der mal besser, mal schlechter funktioniert, verweist am Ende auf eine Unterschriftenaktion der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, die damit ein Zeichen setzen möchte. Das können gestresste Manager jedweden Unternehmens auf der Suche nach der nächsten Ausrede natürlich geflissentlich ignorieren und einfach ein paar Gründe eintippen, die sie gern vorschieben würden. Statt Credit Suisse im finalen Statement dann einfach die eigene Firma eintragen und zack: Fertig ist die ideale Ausrede.

Funktioniert übrigens auch bei Journalisten, etwa beim Autor dieses Textes, welcher sicherlich mal lustiger und mal weniger lustig ist. Die Ausrede: "Ich trage keine Schuld am Scheitern dieses Textes. Der eigentliche Feind ist ein versteckter Unruhestifter, der unserem Management-Team brutale Schläge zugefügt hat - Koffeinmangel!"

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