Süddeutsche Zeitung

Ausdehnung des Euro-Rettungsschirmes:Hebeln - aber wie?

Es scheint klar, dass sich die Staatenlenker zur Rettung des Euro für einen sogenannten Hebel entscheiden. Ungewiss ist hingegen das konkrete Modell. Neben einer Versicherungsvariante gibt es nun eine neue Möglichkeit. Doch dabei spielen Schwellenländer eine wichtige Rolle - und das könnte den Ansatz massiv erschweren.

Claus Hulverscheidt und Hans-Jürgen Jakobs

Es ist die alles entscheidende Frage der vergangenen Tage: Wie viele weitere Milliarden lassen sich rund um den Euro-Rettungsschirm EFSF organisieren, um Griechenland und die übrigen Schuldensünder der Währungsunion zu retten?

Die Euro-Regierungen haben nun erstmals Details ihrer Überlegungen zur "Hebelung" des EFSF offenbart: In einem dreiseitigen Verhandlungspapier werden zwei Modelle beschrieben, die dafür sorgen sollen, dass durch eine Kombination von öffentlichen und privatem Kapital am Ende weit mehr als jene 440 Milliarden mobilisiert werden, die dem Rettungsfonds bisher zur Verfügung stehen. Dahinter steht der Gedanke, dass die Turbulenzen an den Finanzmärkten so lange anhalten werden, wie die Anleger bezweifeln, dass Europa zur Rettung der Währungsunion im Notfall wirklich jede erdenkliche Summe aufbringen wird.

Das erste Modell beschreibt eine "Teilabsicherung" neu ausgegebener Staatsanleihen durch den EFSF, - jene "Teilkaskolösung" also, die Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner entwickelt hat. Dabei übernähme der Rettungsfonds im Falle eines Zahlungsausfalls die ersten zehn bis 30 Prozent des Verlusts. Für private Investoren wäre das Risiko entsprechend geringer, was den Anreiz zum Kauf der Anleihe erhöhen würde.

Das zweite Modell ist neu in der Debatte. Es sieht vor, dass ein Staat, der Hilfen der Euro-Partner benötigt, zunächst eine Zweckgesellschaft, ein sogenanntes Special Purpose Vehicle (SPV), gründet. An diesem SPV beteiligt sich der EFSF beispielsweise mit 20 Prozent. Die übrigen 80 Prozent stehen anderen Investoren offen, also Banken, Versicherungen und Investmentfonds, aber auch Industrie- und Schwellenländern wie Norwegen, Brasilien, Indien oder Südafrika oder Staatsfonds, beispielsweise aus China. Die Gesellschaft investiert dann in die Rettung des angeschlagenen Landes.

Nimmt man einmal an, dass insgesamt 100 Milliarden Euro nötig sind - 20 Milliarden davon vom EFSF - könnten beispielsweise 60 Milliarden in die Deckung von Haushaltslöchern, zehn Milliarden in die Sicherung lokaler Banken und 30 Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanleihen fließen. Bei einem Teilschuldenerlass würde das Risiko auf alle Anteilseigner verteilt, wobei die Attraktivität für private Investoren noch dadurch erhöht werden könnte, dass beispielsweise der EFSF als letzter bedient würde.

Dass es allerdings tatsächlich kurzfristig zu einem Engagement großer Schwellenländer kommen wird, ist unwahrscheinlich - denn sie verlangen einen politischen Preis für ihr Engagement: Sie wollen ihren Einfluss in Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vergrößern - zulasten der Industriestaaten.

Haircut gefährdet Pensionskassen

Den Griechen werden all die neuen Modelle ohnehin vorerst nicht helfen: Dort ist die Krise so weit fortgeschritten, dass längst über einen Schuldenschnitt von mehr als 50 Prozent verhandelt wird. Am Montag - nach dem Euro-Gipfel und zugleich vor dem Euro-Gipfel - zeigte sich die Finanzwelt in Athen schwer erschüttert. An der Börse gaben die Aktienkurse zeitweise um fast sechs Prozent nach, Banken-Titel verloren gar bis zu 17 Prozent. Griechischen Banken halten besonders viele heimische Staatsanleihen.

Der beabsichtigte Haircut (Schuldenschnitt) gefährdet auch die Pensionskassen des Landes und damit die Renten. "Die Rentenkassen müssen dringend abgesichert werden", sagte Savas Robolis, Chef des Arbeitsinstituts des größten Gewerkschaftsverbandes GSEE. Ministerpräsident Giorgos Papandreou hatte am Wochenende erklärt, Banken und deren Kundeneinlagen seien mit dem neuen Rettungsplan für Griechenland abgesichert. Die Zeitungen des Landes kommentierte den Gipfel mit harten Worten. "Wir sind nur Statisten in Brüssel", titelte die linksliberale Eleftherotypia.

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SZ vom 25.10.2011/aum
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