Ausbreitung des Ehec-Erregers:Russen stoppen Einfuhr von EU-Gemüse

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Aus Angst vor dem Darmkeim Ehec hat die Moskauer Regierung ein Importverbot für EU-Gemüse verhängt. In Brüssel reagiert man verärgert. Die EU-Kommission fordert eine Erklärung für den "unverhältnismäßigen" Schritt. Die Suche nach der Ursache geht indes weiter: Die Weltgesundheitsorganisation geht nun von einem neuen, zuvor unentdeckten Stamm von E.coli aus.

Nach einer Serie von Darmerkrankungen in europäischen Ländern hat Russland Gemüse-Importe aus der EU bis auf weiteres verboten. Seit Montag galt bereits ein Einfuhrstopp für Gemüse aus Spanien und Deutschland. Mit dem Schritt will die Regierung ein Übergreifen der Darminfektionen mit dem Ehec-Erreger auf Russland verhindern. Dort wurden bislang keine Infektionen gemeldet.

Das Einfuhrverbot gelte ab sofort für unbestimmte Zeit, sagte eine Sprecherin der Behörde für die Überwachung von Verbraucherrechten. Der Leiter der Behörde, Gennadi Onischtschenko, sagte, bereits eingeführtes Gemüse müsse im ganzen Land aus den Regalen genommen werden. Die "unpopuläre Maßnahme" bleibe in Kraft, bis europäische Stellen Moskau über die Quelle der Infektion und ihren Verbreitungsweg informiert hätten.

Brüssel reagiert mit Unverständnis

Indes ist die Suche nach der Quelle nach wie vor ergebnislos. Auch auf zwei weiteren von insgesamt vier in Hamburg getesteten Gurken haben Experten den derzeit grassierenden Ehec-Keim nicht gefunden. Das ergaben Analysen des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin, wie eine Sprecherin am Donnerstag sagte. Damit trugen zwar alle vier verdächtigen Gurken in Hamburg Ehec-Erreger - aber eben nicht den Erregertyp O104, der für den derzeitigen Krankheitsausbruch verantwortlich ist: "Keine der vier Proben zeigte den Serotyp O104:H4 des Erregers, der aus den Stuhlproben der Patienten isoliert wurde."

"Die Quelle der anhaltenden Infektionen ist noch nicht ermittelt", erklärte der Präsident des Bundesinstituts, Prof. Andreas Hensel. "Es gilt weiterhin zu klären, an welcher Stelle in der Lebensmittelkette die Belastung mit Keimen erfolgt ist." Die Hamburger Gesundheitsbehörde hatte am vergangenen Donnerstag mitgeteilt, auf vier Salatgurken - drei davon aus Spanien - seien EHEC-Erreger gefunden worden. Seit Dienstag war jedoch klar, dass es sich auf zwei dieser spanischen Gurken nicht um den Typ O104 handelt.

Für die zahlreichen Darminfektionen durch den Erreger in Europa ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein neuer, noch nie zuvor entdeckter Stamm von E. coli verantwortlich. Die WHO erklärte am Donnerstag, vorläufige genetische Untersuchungen hätten ergeben, dass der Stamm eine mutierte Form aus zwei E.-coli-Bakterien ist. Die WHO-Expertin für Lebensmittelsicherheit, Hilde Kruse, sagte, ein solcher Stamm sei noch nie bei Patienten isoliert worden. Der neue Stamm weise Merkmale auf, die ihn mehr Giftstoffe produzieren ließen.

Vor allem in Deutschland, aber auch in mindestens acht weiteren europäischen Ländern haben sich seit Mitte Mai mehr als 1500 Menschen mit dem hochgefährlichen Darmkeim infiziert. In der Nacht zum Donnerstag sei eine weitere ältere Patientin gestorben, sagte Rolf Stahl, Ärztlicher Leiter der 3. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in der Hansestadt. Damit ist die Zahl der Todesfälle in Hamburg auf drei und bundesweit auf mindestens 17 gestiegen.

Brüssel hat die Entscheidung der russischen Regierung kritisiert: Die EU-Kommission fordert von Moskau eine Erklärung für den radikalen Importstopp. Die Entscheidung der dortigen Behörden sei "unverhältnismäßig", sagte der für Gesundheit zuständige Sprecher der EU-Kommission, Frederic Vincent, in Brüssel. "Die Kommission wird einen Brief an die russischen Behörden schreiben, um eine Erklärung zu verlangen."

Pro Jahr werde frisches Obst und Gemüse im Wert "zwischen drei und vier Milliarden Euro" nach Russland exportiert, in erster Linie Äpfel.

© dapd/AFP/jobr/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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