Ausbildungsplätze:Tausende Unternehmen erhalten nicht eine einzige Bewerbung

Produktion bei Audi

Weil viele Auszubildende fehlen, lockt mehr als jeder zehnte Betrieb mit Goodies - etwa einem Smartphone, einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder einer übertariflichen Ausbildungsvergütung.

(Foto: dpa)
  • 2017 fanden immerhin 34 Prozent aller Unternehmen keinen Auszubildenden für ihre ausgeschriebenen Stellen.
  • Die größten "Ausbildungshemmnisse" sind unklare Berufsvorstellungen vieler Schulabgänger und zu weite Wege zur nächsten Berufsschule.
  • Zunehmend werben die Unternehmen auch um die jährlich etwa 140 000 Studienabbrecher.

Von Jan Schwenkenbecher, Berlin

Immer mehr Unternehmen können ihre freien Ausbildungsplätze nicht besetzen, mitunter bekommen sie keine einzige Bewerbung. Das zeigt die diesjährige Ausbildungsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), die in Berlin vorgestellt wurde.

Jedes Jahr übermittelt der Dachverband DIHK einen Fragebogen an die Mitgliedsunternehmen der 79 Industrie- und Handelskammern, etwas mehr als 10 000 Unternehmen füllten die Online-Umfrage aus. Der Umfrage zufolge fanden im Jahr 2017 ganze 34 Prozent aller Unternehmen keinen Auszubildenden für ihre ausgeschriebenen Stellen.

Das sind drei Prozent mehr als im Vorjahr, ist der höchste jemals erhobene Wert und setzt den Trend unbesetzter Ausbildungsstellen fort: Blieben 2007 noch 15 Prozent der Stellen unbesetzt, waren es 2012 schon 22 Prozent. Im Osten lag die Zahl mit 46 Prozent deutlich über den 32 Prozent in Westdeutschland.

"Gefährliche Entwicklung"

Die größten "Ausbildungshemmnisse" sind der Umfrage nach unklare Berufsvorstellungen vieler Schulabgänger und zu weite Wege zur nächsten Berufsschule. Hochgerechnet erhielten 17 000 Unternehmen auf ihre offenen Stellen keine einzige Bewerbung - auch das ein Rekord.

"Ich sehe darin eine gefährliche Entwicklung, Deutschland gehen die Fachkräfte aus", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Zuerst blieben nur einzelne Aufträge liegen, dann aber müssten Unternehmen ganz passen, "bis dahin, dass ganze Branchen in schwieriges Fahrwasser geraten", so Schweitzer. Besonders viele Ausbildungsplätze blieben der Umfrage nach in der Industrie, in der Verkehrsbranche oder im Baugewerbe offen. Fachkräftemangel gebe es nicht nur bei Lehrern, Erziehern und Pflegeberufen, so Schweitzer, sondern auch bei Mechatronikern, Fachinformatikern und Köchen.

Wie sehr die Unternehmen darum kämpfen, ihre Stellen zu besetzen, zeigt folgende Zahl: "Mehr als jeder zehnte Betrieb lockt mit Goodies", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks, etwa einem Smartphone, einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder einer übertariflichen Ausbildungsvergütung.

20 000 Flüchtlinge machen eine betriebliche Ausbildung

Zunehmend werben die Unternehmen auch um die jährlich etwa 140 000 Studienabbrecher, fast die Hälfte der Befragten gab an, dies zu tun. Scheinbar mit Erfolg, denn begannen 2008 nur 22 Prozent der Studienabbrecher eine Ausbildung, waren es im vergangenen Jahr mit 43 Prozent fast doppelt so viele.

Besonders stark gestiegen ist auch die Zahl der Unternehmen, in denen Flüchtlinge eine Ausbildung absolvieren. Mit 14 Prozent hat sich die Zahl verdoppelt, im Vorjahr waren es lediglich sieben Prozent. Damit befinden sich derzeit etwa 20 000 Flüchtlinge in einer IHK-Ausbildung. Ein weiteres "sehr gutes Ergebnis", so steht es im Ergebnisbericht der Umfrage, sei die gekürzte Übergangsdauer - die Zeit also, die Flüchtlinge benötigten, bis sie eine Ausbildung im Betrieb aufnehmen konnten. Zuletzt dauerte dies im Durchschnitt 19,3 Monate, 2016 waren es noch etwa 22 Monate.

Ob die Werbestrategien der Unternehmen allerdings aufgehen, bleibt fraglich. Denn in den nächsten Jahren wird sich das Problem weiter verstärken: die so genannten Baby-Boomer gehen in Rente. "Viele Personalabteilungen stellen sich auf die große Welle ab dem Jahr 2020 ein", sagt Schweitzer. Momentan gehen jährlich etwa 700 000 Jugendliche von den Schulen ab, dem gegenüber treten etwa eine Million Arbeitnehmer in die Rente ein. Ab 2020, so die Prognose, werde diese Differenz auf 500 000 anwachsen.

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