Ausbildung:Wo die Hochqualifizierten fehlen

Studenten im Hörsaal

Studenten in einem Hörsaal der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. Nach dem Studium ziehen viele Absolventen lieber in die großen Ballungsräume.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Eine neue Studie zeigt: Hochschulabsolventen und Menschen mit höheren Berufsabschlüssen ballen sich in bestimmten Regionen. Und die Unterschiede könnten sich weiter verschärfen.

Von Bernd Kramer, Hamburg

Es ist paradox. Die Unternehmen in Niederbayern würden ja gern mehr herstellen, anbieten, verkaufen, es geht nur nicht. 1,9 Milliarden Euro hätten sie laut der Industrie- und Handelskammer in Passau allein 2019 zusätzlich erwirtschaften können, hätten sie das richtige Personal gefunden. 15 000 Arbeitskräfte fehlten ihnen. Vielleicht gibt es sie, irgendwo. Nur eben nicht in Niederbayern.

Eine neue Studie vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unterstreicht nun, wie sehr die Regionen in Deutschland auseinanderdriften. Menschen mit Hochschulabschluss oder einer beruflichen Weiterbildung wie etwa einem Meister ballen sich in bestimmten Gebieten - und fehlen andernorts. Die Untersuchung liegt der SZ exklusiv vor, ausgewertet hat IW-Forscher Wido Geis-Thöne dafür die jüngsten Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat.

In Berlin und der Region Oberbayern mit der Großstadt München leben demnach besonders viele formal Hochqualifizierte: Mehr als 40 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner im Alter zwischen 25 und 64 zählt das IW zu dieser Gruppe. In anderen Regionen, etwa dem eher ländlichen Niederbayern, sind es mit etwas mehr als 20 Prozent gerade einmal halb so viele. "Dass es Unterschiede gibt, ist zwar erwartbar", sagt Autor Geis-Thöne. "Aber sie liegen nicht bei ein paar Prozentpunkten, sondern in der Größenordnung, die extreme wirtschaftliche Folgen hat. Die Erwerbsbevölkerung ist in Deutschland regional inzwischen völlig unterschiedlich zusammengesetzt."

Und das Gefälle droht sich zu verschärfen: Blickt man nur auf die jüngere Bevölkerung, liegen die Regionen teils noch weiter auseinander. In Oberbayern und Berlin hat gut die Hälfte der Menschen zwischen 30 und 34 Jahren ein Studium oder eine berufliche Weiterbildung absolviert - der Anteil der Hochqualifizierten liegt bei den Jüngeren damit bereits zehn Prozentpunkte über dem der Gesamtbevölkerung im Erwerbsalter. Ganz anders etwa in Brandenburg: Hier liegt der Anteil der Akademiker und Meisterinnen unter den Jüngeren gerade einmal bei 21,1 Prozent - und ist damit fast acht Prozentpunkte niedriger als unter allen Menschen im Bundesland, trotz des Trends zu höheren Bildungsabschlüssen. Wer einen Master von der Uni Potsdam oder Cottbus bekommt, zieht anschließend offenbar lieber weg. Auch in Sachsen-Anhalt bleibt der Anteil der Hochqualifizierten unter den Jüngeren inzwischen hinter dem in der Gesamtbevölkerung zurück.

"Die Ausbildungsmöglichkeiten unterscheiden sich gar nicht mehr so sehr zwischen den Regionen", sagt IW-Ökonom Geis-Thöne. "Der ausschlaggebende Faktor für die starken regionalen Unterschiede bei den Hochqualifizierten sind Wanderungsbewegungen." Was also könnte man tun, damit das Land nicht weiter auseinanderdriftet? Geis-Thöne legt zwei gegensätzliche Rezepte nahe: Für die Niedrigqualifizierten müsse man vor Ort bessere Bildungsmöglichkeiten schaffen, ihnen mehr Unterstützung in der Schule und bei der Ausbildung anbieten. Auf dem Land eine Hochschule zu gründen oder auszubauen, garantiert dagegen nicht, dass dort auf Dauer mehr Hochqualifizierte leben. Sie brauchen vor allem: die richtigen Jobs.

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