Ausbildung in China:Deutsche Wertarbeit aus Fernost

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Der Schraubenhersteller Würth leistet Entwicklungsarbeit in China: Im eigenen Ausbildungszentrum werden qualifizierte Mitarbeiter geschult.

Karoline Amon

Qualität ist immer noch das schlagende Verkaufsargument für deutsche Produkte. Doch wenn "deutsche Wertarbeit" von unterqualifizierten chinesischen Arbeitern geleistet wird, bekommt dieses solide Image durch peinliche Rückrufaktionen schmerzliche Dellen.

Praktische Ausbildung fehlt in China fast völlig. Wer an der Werkbank üben will, muss zahlen. Nicht so im Ausbildungszentrum des Schraubenherstellers Würth. (Foto: Foto: Würth)

Deutsche Standards in China

Werkzeughersteller Würth hat erkannt, dass die heimischen Standards nur mit gut ausgebildeten chinesischen Facharbeitern zu garantieren sind. Das frisch gegründete Würth-Unternehmen Arnold Fasteners Co. Ltd. wird am Rand der Millionenstadt Shenyang im Nordosten Chinas künftig 100 chinesischen Azubis beibringen, wie man Schrauben nach deutschen Maßstäben presst und walzt. "Das Know-how in der Schraubenherstellung sichert Würth seinen internationalen Wettbewerbsvorteil", begründet Heino Dannemann, Manager des Würth-Unternehmens, das Ausbildungsengagement.

Will Würth nicht in einen Topf mit jedem x-beliebigen Schraubenhersteller in Fernost geworfen werden, müssen künftig im fernen China die gleichen Maßstäbe in punkto Qualität wie in Schwaben gelten. Rund eine Million US-Dollar lässt sich die Gruppe das Ausbildungscenter kosten - und versucht dabei neue Ausbildungserkenntnisse in die Tat umzusetzen.

BMW, Bosch und Würth bilden aus

In Shenyang erinnert nur die 750 Quadratmeter große Fabrikhalle an den Alltag deutscher Lehrlinge. Sonst hat das Trainingscenter nicht viel mit einer Ausbildung in der Bundesrepublik gemein: 16 Stunden am Stück werden zwei bis drei Azubis von einem Ausbilder betreut. Theorie und Praxis bekommen sie jeweils ein Jahr lang vermittelt - im Gegensatz zum deutschen sechswöchigen Blockunterricht . Die "Studenten" wohnen gleich neben der Ausbildungsstätte und organisieren regelmäßig Gemeinschaftsaktivitäten. Nach zwei Jahren sollen die chinesischen Jugendlichen als Würth-Mitarbeiter übernommen werden.

Der Schraubenmulti aus dem Schwäbischen hat es eilig. Um die Ecke, ebenfalls in Shenyang, bemüht sich BMW die enorme Nachfrage des chinesischen Marktes zu befriedigen und braucht die Schwaben als hochwertigen Schraubenlieferanten. Bosch/Siemens wartet ein paar tausend Kilometer weiter, in Nanjing in der Nähe von Shanghai, auf Einbaumodule für Automobilteile.

Deutsche Lehrbücher auf Chinesisch

Die beiden Kunden haben es Würth vorgemacht. Bosch/Siemens und BMW bilden schon seit mehreren Jahren chinesische Azubis in ihren Werken aus - haben sich allerdings nicht gänzlich vom chinesischen Schulsystem abgekoppelt. Beide Unternehmen überlassen den theoretischen Teil chinesischen Berufsschulen, versuchen aber durch Kooperationen, Einfluss zu nehmen.

Diejenigen chinesischen Azubis aus Shenyang, die später als Mechatroniker übernommen werden - derzeit sind es 32 - lernen in der heimischen Berufsschule aus chinesischen Übersetzungen deutscher Lehrbücher. Bosch/Siemens wiederum hat eine Vereinbarung mit der örtlichen Berufsschule, die vorsieht, dass die künftigen rund 90 Elektriker und Industriemechaniker in einer Sonderklasse unterrichtet werden.

Azubis müssen für praktische Übung zahlen

"BMW versucht - Hand in Hand mit den chinesischen Behörden - das lokale Schulsystem zu ergänzen", kommentiert eine BMW-Sprecherin diplomatisch die Schwächen chinesischer Lehrpraxis. Andreas Oswald, Manager bei Bosch/Siemens in Nanjing, übt dagegen offen Kritik: "Ausbildung in China hat weder Hand noch Fuß. Sie besteht fast nur aus Theorie, die viel wichtigere praktische Übung bleibt auf der Strecke".

Kein Wunder: In chinesischen Werkshallen stehen nur selten Azubis an den Werkbänken. Denn chinesischen Unternehmen ist eine eigene Ausbildung zu teuer. Möchte ein Lehrling praktische Erfahrungen im Werk sammeln, muss er die Kosten für die Nutzung der Geräte selbst bezahlen. Dieser Mangel an praktischem Wissen ist ein Grund dafür, dass es für die jährlich eine Million chinesischen Berufsschulabgänger "äußerst schwierig ist, einen Job zu finden".

Sorge um deutsche "Sonderprojekte"

Ma Zhichao, Trainings- und Managementberater der deutschen Außenhandelskammer in Shanghai und Kenner der Lage am chinesischen Ausbildungsmarkt, sieht daher die deutschen "Sonderprojekte" mit Skepsis. Er befürchtet, "sollten deutsche Ausbildungsprojekte in China weiter Schule machen", eine "Zwei-Klassen-Ausbildung" in seinem Land.

Doch werden wohl bald weitere deutsche Unternehmen den nahtlosen Übergang von Ausbildung zur Produktion in China praktizieren. Andreas Oswald bekommt häufig Anfragen von anderen Unternehmen, die sich nach dem Ausbildungskonzept von Bosch/Siemens erkundigen.

Würth hat bei der Einführung seines autarken Ausbildungscenters Ansätze zu sozialer Verantwortung mit eingebaut: "Sobald die ersten Azubis ihre Ausbildung beendet haben, werden sie wiederum ihre Nachfolger ausbilden", erklärt Würth-Manager Dannemann. Durch dieses "Schneeballprinzip" profitieren möglichst viele Absolventen von deutschem Know-how.

Verantwortung im Produktionsprozess

Ziel der progressiven Ausbildungsmethode ist es außerdem zu lernen, Eigenverantwortung in einem komplexen Produktionsprozess zu übernehmen - eine echte Herausforderung für die deutschen Ausbilder vor Ort. "Für Chinesen ist das Wort 'Führer' kein Fremdwort. Sie sind es gewohnt, lediglich Arbeitsanweisungen auszuführen und nicht zu hinterfragen. Wir benötigen viele kleine 'Führer', um das Prinzip von Verantwortung umsetzen zu können", resümmiert Dannemann seine Erfahrungen in Shenyang.

Vor einem Jahr hat Würth seinen Industriepark in Shenyang gegründet und in einem ersten Testlauf das Ausbildungskonzept erprobt - mit Erfolg. Die fertigen Schrauben der Test-Azubis warten schon im Auslieferungslager. Ab nächstem Jahr werden im Würth Industry Park in China mehrere Unternehmen der Gruppe ihre Produktion aufnehmen. Die Mitarbeiter der ersten Ausbildungsklasse stehen dann schon bereit.

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