Seit über einem Jahr brüten Gutachter im Bundesverkehrsministerium über dem Plan zum künftigen Ausbaubedarf des Schienennetzes. Ein Papier aus dem Ministerium zeigt jedoch: Die Arbeit kann man sich vorerst sparen. Schon mit den laufenden Projekten ist das Geld, das in den kommenden Jahren zur Verfügung steht, komplett verplant.
Kein Geld für wichtige Schienenwege. Für eine Auswahl an Projekten, die in den kommenden zehn Jahren nicht finanzierbar sind, bitte auf das Foto klicken.
Es geht um den Bundesverkehrswegeplan und die darin aufgeführten Schienenprojekte. Sie sollen neu bewertet werden. In Zeiten knapper Kassen muss alles auf den Prüfstand: Welches geplante Neu- oder Ausbauvorhaben sollte man vorziehen? Welches lässt sich schieben oder strecken?
Wie hat sich die Wirtschaftlichkeit jedes Schienenverkehrsprojektes unter veränderten Rahmenbedingungen wie der Globalisierung entwickelt? Auf diese Fragen wird eine Antwort gesucht - dabei könnte die Arbeit genauso gut umgehend abgebrochen und auf 2020 vertagt werden. Das zeigt eine Aufstellung des Bundesverkehrsministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Sie hätte ernüchternder kaum ausfallen können.
Das Geld reicht hinten und vorne nicht
Aus dem zweiseitigen Papier mit dem Titel "Abgeschlossene Finanzierungsvereinbarungen laufender Bedarfsplanvorhaben" geht klar hervor: Das Geld reicht hinten und vorne nicht. Nicht in den kommenden zehn Jahren. Nicht für die Projekte, die bereits im Bau sind. Und erst recht nicht für neue.
"Wichtige Strecken, die die Wachstumschancen des Schienenverkehrs bestimmen, haben keine Chance, in Angriff genommen zu werden", stellt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne), nach Durchsicht der Liste fest. Als Beispiel nennt er die Strecken von Karlsruhe nach Basel, den Lückenschluss Frankfurt - Mannheim, den Rhein-Ruhr-Express in Nordrhein-Westfalen oder auch den Ausbau zum bayerischen Chemiedreieck von München nach Mühldorf. "Bei keinem dieser Projekte wird es in den nächsten zehn Jahren einen Baubeginn oder nennenswerten Baufortschritt geben", sagt Hermann.
Der Grund dafür ist einfach. Realistischerweise stehen dem Bund bis 2020 insgesamt etwa elf Milliarden Euro für den Neu- und Ausbau von Schienenstrecken zur Verfügung. Zumindest war es in der Vergangenheit so, dass jährlich etwa eine Milliarde, in guten Jahren bis zu 1,2 Milliarden Euro dafür im Budget eingeplant waren. Diese Summe wird angesichts der Haushaltssituation in den kommenden Jahren sicher am unteren Rand liegen, wenn sie nicht sogar entfällt. Elf Milliarden Euro also für elf Jahre - dieses Jahr mitgerechnet.
Das Papier listet nun 52 Projekte auf. Für sie hat der Bund Finanzierungsvereinbarungen im Gesamtvolumen von 15 Milliarden Euro abgeschlossen. Acht Milliarden davon sollen im Zeitraum 2010 bis 2020 fließen. Von den elf Milliarden Euro sind demnach acht Milliarden bereits verplant.