Aus für Standort Bochum:Bundesregierung schließt Staatshilfen für Opel aus

3000 Arbeitsplätze sind bedroht: Der Autobauer Opel will die Produktion in seinem Bochumer Werk bis 2016 einstellen. Die Politik bedauert diesen Schritt - und übt heftige Kritik an der Strategie des Mutterkonzerns General Motors. Auf finanzielle Hilfe aus Berlin dürfen die Beschäftigten aber nicht hoffen.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat staatliche Hilfen für Opel abgelehnt. Rösler bezeichnete das geplante Aus für die Autoproduktion 2016 in Bochum als bedauerlich. "Trotzdem kann die Politik hier nicht einspringen. Es ist nicht Aufgabe des Staates, hier dem Unternehmen durch staatliche Hilfen finanziell zumindest kurzzeitig aus der Patsche zu helfen", sagte Rösler. Das müsse das Unternehmen durch eigene Entscheidungen selbst auf den Weg bringen. "Wir sehen umso mehr das Unternehmen in Verantwortung, bei Schließung auch für entsprechende Alternativen vor Ort zu suchen."

Der angeschlagene Autohersteller hatte auf einer Betriebsversammlung am Montagmorgen mitgeteilt, dass im Bochumer Werk nach 2016 keine kompletten Fahrzeuge mehr produziert werden. In dem 50 Jahre alten Werk könnten bis zu 3000 Stellen wegfallen. "2016 endet die Fertigung kompletter Fahrzeuge in Bochum", sagte Opel-Interimschef Thomas Sedran. Damit reagiert der Autobauer auf hohe Verluste durch den Absatzeinbruch in Europa und baut teure Überkapazitäten ab.

Der Betriebsrat des Bochumer Opel-Werks will das angekündigte Aus nicht hinnehmen. "Wir wollen auch nach 2016 in Bochum noch Autos bauen", sagte Betriebsratschef Rainer Einenkel nach einer Betriebsversammlung mit etwa 2300 Beschäftigten. "Das ist unsere Forderung", sagte er.

Opel hatte bereits im Juni angekündigt, Bochum eine Galgenfrist bis zum Jahr 2016 zu geben, wenn dort die Produktion des aktuellen Familienwagens Zafira auslaufen soll. Der Mutterkonzern General Motors macht seit mehr als zehn Jahren Milliardenverluste in Europa. Immer wieder waren Werkschließungen im Gespräch, wobei zumeist der Standort Bochum genannt wurde. Weitere Opel-Werke stehen in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern.

Das Bochumer Werk solle aber dennoch erhalten bleiben, teilte Opel mit. Das bedeute nicht das Aus für den Standort im Ruhrgebiet, betonte auch Sedran: "Opel bleibt auch künftig in Bochum präsent. Nicht nur mit dem Logistikzentrum, auch mit einer im Detail noch festzulegenden Komponentenfertigung." Er ließ offen, wie viele der rund 3000 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Das Warenverteilzentrum mit derzeit 430 Mitarbeitern solle erhalten werden und möglicherweise künftig mehr Menschen beschäftigen. "Wir haben Ideen, wie wir es ausbauen können", so Sedran. In dem geplanten Komponentenwerk könnte zudem eine dreistellige Zahl von Jobs entstehen.

Opel spricht seit Juni mit Vertretern des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Bochum und den Arbeitnehmervertretern über alternative Nutzungen des Standortes. Dabei wird auch diskutiert, Komponenten für andere Hersteller zu produzieren. Betriebsbedingte Kündigungen will die Adam Opel AG auch über Jobangebote in anderen deutschen Werken oder attraktive Abfindungen vermeiden.

Die Bundesregierung hat mit großem Bedauern auf das geplante Aus für die Autoproduktion im Opel-Werk Bochum reagiert. "Das ist ein schwerer Schlag für die betroffenen Menschen, für ihre Familien, aber auch für den Industriestandort Bochum", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. "Die Bundesregierung sieht Opel als ein wichtiges Traditionsunternehmen der deutschen Automobilindustrie und hat die Erwartung an den Mutterkonzern General Motors, dass er alles unternimmt, um sozialverträgliche Lösungen zu finden."

Schwere Vorwürfe gegen General Motors

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Guntram Schneider fürchtet nach dem angekündigten Aus für Bochum negative Auswirkungen für das ganze Land. Das geplante Ende der Autoproduktion sei ein "herber Schlag für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen" und bedeute ein "Stück weit Entindustrialisierung", sagte der SPD-Politiker. An der Kommunikation des Opel-Konzerns übte der Minister deutliche Kritik. "Für die Beschäftigten wäre es besser gewesen, wenn ihnen von vornherein klarer Wein eingeschenkt worden wäre", sagte er. In den vergangenen Monaten hätten sie stattdessen eine "Hängepartie" durchlebt.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat General Motors schwere Vorwürfe gemacht. Der Mutterkonzern habe bei Opel jahrelang Entscheidungen verschleppt. Zudem habe GM Opel in Deutschland diskriminiert, indem das Unternehmen weder in China noch in Lateinamerika frei habe handeln dürfen. "Bisher hat General Motors ein Beispiel dafür geliefert, wie internationale Konzerne mit Mitarbeiten in Deutschland nicht umgehen sollten."

Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hat GM schwere strategische Fehler vorgeworfen. Statt Bochum Ende 2016 zu schließen, hätte GM das englische Opel-Werk in Ellesmere Port kurzfristig dichtmachen sollen. In England wäre eine kurzfristige Schließung rechtlich möglich gewesen, sagte Dudenhöffer. Für die deutschen Werke gilt eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2014. Mit Ellesmere Port hätte GM wie Konkurrent Ford schon 2013/2014 spürbar Überkapazitäten abbauen können, so Dudenhöffer.

Ellesmere Port hatte Mitte 2012 den Zuschlag für die Astra-Produktion und damit eine dauerhafte Sicherung bekommen, nachdem die Mitarbeiter dort einer Lohnsenkung zugestimmt hatten. "Damit hat GM fünf Euro gewonnen, aber 500 Euro verloren", sagte Dudenhöffer. Zweiter Fehler von GM sei es gewesen, die bevorstehende Schließung von Bochum so lange zu verheimlichen. "Das war schon über ein halbes Jahr bekannt, Opel hat sich nur nicht getraut, es zu sagen", kritisierte Dudenhöffer. Durch die ständigen Diskussionen seien Kunden und Mitarbeiter verunsichert und die Marke beschädigt worden.

Die Pläne, Bochum als Teilewerk für den Opel-Konzern mit deutlich reduzierter Belegschaft weiterzuführen, hält Dudenhöffer für unrealistisch. "Ich glaube nicht an die Zukunft als Komponentenwerk." Der Standort Bochum liege etwas abseits und auch die Komponentenfertigung der anderen Werke sei keineswegs ausgelastet. Bochum solle sich nicht noch mal an "irgendwelche Hoffnungen klammern", sagte Dudenhöffer. Die Stadt habe eine hervorragende Universität und einen modernen Gesundheitssektor. "Bochum kann sich weiterentwickeln - ohne Opel."

Linktipp: Was ergeht es den Einwohnern, wenn eine Stadt so stark vom Strukturwandel betroffen ist wie Bochum? Die SZ hat die Region im Sommer besucht und einen Report geschrieben: "Man kann sich auch an Katastrophen gewöhnen".

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