Aus dem Silicon Valley:Ein Tal nach Trump

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Erst war in Kalifornien das Entsetzen über den Sieg von Donald Trump groß, dann machte sich Nachdenklichkeit breit. Und nun Opportunismus.

Von Alina Fichter

Leben im Silicon Valley, das geht eigentlich so: Im Morgengrauen eine Stunde meditieren. Danach eine Runde im Stau stehen und anschließend in der Kantine kostenlos indisches Vada frühstücken, gemeinsam mit Kollegen aus 60 oder 70 verschiedenen Nationen. Und danach: coden. Mit den richtigen Daten und ein paar talentierten Programmierern hat man in diesem Tal, das sich zwischen San Francisco und San José erstreckt, noch jedes Problem gelöst.

Dann aber passiert über Nacht etwas, was in Menlo Park oder Mountain View kaum jemand erwartet hat: Donald Trump wird zum Präsidenten gewählt - und die Techies, mehrheitlich den Demokraten zugeneigt, fallen aus ihrer Blase. Sie glaubten bis dahin an die Segnungen einer vollends vernetzten Welt, an eine offene Gesellschaft. Man gab sich liberal und tolerant, so wie schon die 68er, deren Revolution in San Francisco und Berkeley begann.

Und plötzlich dieser Rechtsruck! Wie bitte, nicht jeder liebt Multikulti? Und nicht jeder mag eine offene Gesellschaft, mag Marihuana und Meditation? Frederic Lardinois von Tech Crunch, der wichtigsten Nachrichtenplattform der Internetindustrie, spottete angesichts dieser Naivität: "Da lernt das Silicon Valley also endlich, dass es nicht repräsentativ steht für den Rest des Landes?"

Trump griff die Tech-Giganten im Wahlkampf offen an, paradoxerweise am liebsten auf Twitter: Apple-Produkte gehörten boykottiert, Amazon sei ein Fall für das Kartellamt und Facebook für die Immigrationsbehörden. Er brachte das Silicon Valley gegen sich auf, die Fronten waren schnell klar. 150 Entrepreneure schrieben einen offenen Brief: "Trump wäre eine Katastrophe für die Innovation im Land!" Sie forderten "eine vernetzte Welt", was übersetzt allerdings auch bedeutet: Die Produktion, die sie aus Kostengründen nach China oder Taiwan ausgelagert haben, an Foxconn und andere Auftragsfertiger, soll gefälligst dort bleiben. Nur in einem stimmen Trump und die Techies überein: Reiche sollten weniger Steuern zahlen.

Nach der Nacht vom 8. auf den 9. November waren die meisten zunächst entsetzt, nun sind sie eher nachdenklich. Bei einem Treffen der Start-up-Szene vor wenigen Tagen in Palo Alto, einem der wichtigsten Orte im Silicon Valley, dominieren zwei Fragen die Gespräche: Wie war es möglich, dass die Tech-Branche nicht erahnte, wie Amerikas Bürgern in ihrer Mehrheit wirklich ticken? Warum hat niemand von den schlauen Köpfen in den Unternehmen gemerkt, was die "vergessene Mitte" des Landes, die Trump umworben hat, denkt, obwohl man sich hier doch angeblich bestens auskennt mit Daten, Nutzermeinungen und künstlicher Intelligenz?

Und: Welche Verantwortung trägt die Tech-Industrie für die Spaltung des Landes? In Kalifornien schaffen die Unternehmen zwar Arbeitsplätze, anderswo aber, etwa im Mittleren Westen, zerstören Software und superschlaue Roboter Millionen Jobs in der Industrie.

"Am Anfang hat das Internet allen eine Stimme verliehen. Jetzt werden diese Stimmen nur noch in der zugehörigen Blase gehört", sagt David Tennenhouse, kariertes Hemd, kanadischer Akzent, auf dem Treffen in Palo Alto. Er ist Forschungschef bei der Firma Vmware, die Virtualisierung-Software entwickelt. "Und daran sind wir mit schuld, weil die sozialen Netzwerke hier geboren sind", mischt sich eine schmale Frau ein, die Gründerin ist und ihren Namen nicht nennen will. "Es setzt ein Umdenken ein", sagt ein Mann.

"Wir waren so fokussiert auf intelligente Maschinen, dass wir die Menschen im Land vergaßen."

Tatsächlich wurden Facebook und Co. im Valley von immer mehr Menschen aus dem Valley in den letzten Tagen auch heftig angegriffen. Der Vorwurf: Die sozialen Netzwerke hätten Trump und seinen Anhängern geholfen, falsche Vorwürfe und "Hate Speech" zu verbreiten, und dadurch die populistische Stimmung in Teilen des Landes befördert. Und so beginnt man, vorsichtig, die eigene Überlegenheit zu hinterfragen. Liz Bacelar ist Gründerin des Mode-Start-ups Decoded Fashion und sagte dem Valley-Blog Recode: "Wir waren so fokussiert auf intelligente Maschinen, die uns bedrohen könnten, dass wir die Menschen im Land vergaßen, die uns bedrohlich finden." Tennenhouse findet auch, dass das Problem der Spaltung nun erkannt sei, die vom Internet verstärkt würde. "Ein paar junge Programmierer sitzen deshalb sicher längst an einer Lösung." Ach ja?

Das Valley wäre nicht das Valley, wenn nicht rasch die Ratio zurückkehrte. Oder soll man sagen: der Opportunismus? Jetzt, wo Trump bald ins Weiße Haus einziehen wird, wollen sich die meisten, die vor der Wahl über den pöbelnden Republikaner geschimpft haben, nicht mehr zu sehr mit ihm anlegen. Und auch nicht mit dem aus Deutschland stammenden Investor Peter Thiel, der viele Valley-Firmen groß gemacht hat; Thiel hatte als Trump-Anhänger vor der Wahl Hass auf sich gezogen, nun gilt er als enger Berater des künftigen Präsidenten - und damit als wichtige Verbindung des Valley nach Washington.

Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos, der Trump vor wenigen Wochen noch mit seiner Raumfahrtfirma Blue Origin ins All schießen wollte, wünscht dem neuen Präsidenten nun "großartigen Erfolg im Amt". Auf seiner Timeline ist Facebook-Gründers Mark Zuckerberg mit seinem Töchterchen vor einem Bildschirm mit den Wahlergebnis zu sehen; seine Stimmungslage: "hoffnungsvoll"; der Smiley: mit extragroßem Lächeln. Und Apple-Chef Tim Cook mailte seinen Mitarbeitern: "Der Nordstern steht noch am gleichen Fleck."

Will heißen: Zurück an die Arbeit, Leute! Und nehmt bitte zur Kenntnis, dass der Tag der Präsidentenwahl auch Gutes brachte und die Kalifornier in einer Volksabstimmung entschieden: Marihuana ist jetzt legal in ihrem Bundesstaat.

An dieser Stelle schreiben künftig jeden Mittwoch Alina Fichter und Ulrich Schäfer im Wechsel.

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