Süddeutsche Zeitung

Augsteins Welt:Hybris

Die Deutsche Bank wollte international wichtig werden. Das ist gründlich misslungen. Sie half bei Geldwäsche und Steuervermeidung, und sie verhalf Trump zu Reputation.

Von Franziska Augstein

Als der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Jahr 2008 seinen 60. Geburtstag beging, ließ Angela Merkel ihm zu Ehren im Kanzleramt ein Essen anberaumen. Irgendjemand musste ihr eingeflüstert haben, Ackermann sei der Garant für deutsche Wertarbeit im Finanzwesen. Wenn die Kanzlerin heute führende Vertreter der deutschen Industrie, des Handwerks, der Familienunternehmen, der Gewerkschaften einlüde, würde der Schmaus weniger harmonisch sein. Immer noch ist vom Coronavirus wenig bekannt. Verlässlich absehbar sind aber die katastrophalen Ergebnisse der weltweiten Einschränkung des Wirtschaftslebens. In asiatischen und afrikanischen Ländern werden Millionen Menschen, die keine Arbeit mehr haben, samt ihren Kindern verhungern. In Deutschland haben die Maßnahmen für Unternehmen, die Beschäftigten und alle Familien üble Auswirkungen. Mag auch eine Mehrheit der Bevölkerung die Regierungsmaßnahmen gutheißen, Angela Merkels Leben ist friedlicher, wenn sie derzeit - das Virus erlaubt das - keine Essenseinladungen an Wirtschaftsbosse ausspricht.

Damals, 2008, wurde der Schweizer Banker Josef Ackermann von der Kanzlerin liebenswürdigst behandelt. Manche meinen, Ackermann sei von Unsicherheitsgefühlen geschlagen. Sollte er wirklich in dieser Weise leiden, kann man nur empfehlen, so "unsicher" zu sein wie er: Der Person stehen Einkünfte und Boni in Millionenhöhe in Aussicht. Als Ackermann 2002 bei der Deutschen Bank angestellt wurde, verkündete er, die Bank werde 25 Prozent Rendite erwirtschaften. 2005 war das gelungen. Mitunter kommt es vor, dass ein Unternehmen so viel einnimmt. Gar selten aber lässt sich das vorhersagen. Ackermann musste also einen neuen Geist in die Bank bringen, und viele gab es, die das gern mitmachten, in der praktischen Umsetzung führte das zu moralischem und illegalem Schludertum sowie zu Arroganz und Selbstüberschätzung.

Das Ergebnis von Ackermanns Management, das 2012 endete: Die Deutsche Bank hat illegale Machenschaften befördert. Sie hat russischen Oligarchen Geldwäsche ermöglicht, hat mitgemischt bei der Einforderung unrechtmäßiger Steuerrückzahlungen im innereuropäischen Klima-Emissionshandel und beim großen Libor-Skandal, wo beim Interbanken-Handel Angaben zugunsten der Banken gefälscht wurden. Sie hat Donald Trump Hunderte Millionen geliehen, als keine andere Bank mehr sich mit diesem unzuverlässigen Schuldner einlassen wollte. Sie gehörte zu den Banken, die Derivate verkauften, die zurückgingen auf Zigtausende bekanntermaßen mittellose Hauskäufer in den USA, denen eine Hypothek angedreht worden war, was 2007 den Finanzcrash auslöste. Die Deutsche Bank hat Milliarden Dollar an Strafgeld gezahlt. Heute ist sie international zwar bekannter, aber nicht wichtiger als früher. Der Wert ihrer Aktien ist im Keller. Wie konnte es dazu kommen? Das erklärt David Enrich, Finanzredakteur der New York Times, in seinem jüngst beim amerikanischen Verlag Custom House erschienenen Buch "Dark Towers". Der Titel meint die zwei im Frankfurter Stadtbild herausragenden Türme, genannt "Soll" und "Haben".

Früher stand die Deutsche Bank für den Spitznamen der Bundesrepublik: "Deutschland AG". Die Bank hielt viele Anteile an wichtigen deutschen Unternehmen. Sie kümmerte sich um ihre Klientel. Alfred Herrhausen, von Linksterroristen 1989 ermordet, war nun aber der Meinung gewesen, die Bank müsse international wichtig werden. Gemeint hatte er: Deutschland ist Teil der Welt, was für ihn bedeutete: Man nimmt, man gibt. Herrhausen war dafür, armen Ländern die Schulden zu erlassen. Ackermann hingegen hat bloß das Nehmen hochgehalten. Als er Chef wurde, verkaufte er die Unternehmensanteile. Das gab ihm das Geld, um auf dem Kapitalmarkt zu fuhrwerken. Um 25 Prozent Profit zu erzielen, schaltete er die Bonus-Maschinerie in den höchsten Gang.

Die Deutsche Bank expandierte. Laut Enrich hat sie zu Zeiten von Ackermann mit geborgtem Geld mehr spekuliert als alle anderen: Das Verhältnis von eigenem vorgehaltenem Kapital zu geliehenem war eins zu 50. Die Bank interessierte sich kaum mehr für die Realwirtschaft, sondern investierte in Derivate. So setzte sie ihr Geld und das Geld ihrer Kunden auch dafür ein, darauf zu wetten, ob ein großes Unternehmen pleitegehen könne. Die Geschäftssprache war nun Englisch. Im Londoner Hauptquartier wurde ein Schild aufgehängt, das erklärte, wie der Name der Bank auszusprechen sei: "DOY-chuh", damit sollte die Assoziation des Wortes "Deutsche" mit dem Wort "douchebag" unterbunden werden, womit in amerikanischen Büros ein Dösbaddel bezeichnet wird. Etliche Leute wurden eingestellt, die nur ein Ziel haben sollten: schnellen Profit machen, ohne Rücksicht auf die Folgen.

Seltsamerweise hat die Bank unter Ackermann und auch nach ihm es nicht geschafft, ein funktionierendes Computernetz aufzubauen: Selbst jene Deutschbanker, die ernstlich prüfen wollten, ob korrekt und legal gearbeitet werde, konnten die nötigen Daten nicht eruieren. Auf Ackermann folgte 2012 die Doppelspitze von Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Auch Jain setzte auf Investmentbanking und den Handel mit Derivaten. Sein Omnipotenz vorspiegelndes Auftreten kam bei den Deutschen, anders als das von Ackermann, nicht gut an. Heute bemüht sich Christian Sewing, das Geldhaus wieder auf Kurs zu bringen. Die Internationalisierung der Deutschen Bank ist gründlich misslungen. Europäisch gedacht, ist es schade um die Deutsche Bank. Amerikanische Großbanken haben alle möglichen Interessen im Blick, aber nicht die der Europäer.

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SZ vom 22.05.2020
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