Augsteins Welt:Bares ist Wahres

Augsteins Welt: An dieser Stelle schreibt künftig jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper.

An dieser Stelle schreibt künftig jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper.

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Immer mehr Ökonomen würden am liebsten das Bargeld abschaffen. Künftig soll ein jeder mit Karte zahlen. Denn das führt zur Überwachung des Geldverkehrs.

Von Franziska Augstein

Homer, Dichter der "Ilias", kannte noch keine Münzen, Geldscheine kannte er schon gar nicht. Immer mehr Ökonomen wollen nun zurück zu diesen homerischen Zuständen, und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (nicht aus Liebe zur Altphilologie) assistiert ihnen dabei. Selbst die Europäische Zentralbank verkündete Anfang Oktober die fordernde Hoffnung, dass Zahlungen per Scheck und Bargeld irgendwann weitgehend aufhören mögen. Den 500-Euro-Schein hat sie bereits abgeschafft.

So bestärkt, hat die FAZ in ihrem Finanzteil einen Kreuzzug gegen das Bargeld begonnen. Unlängst zitierte sie eine Allensbach-Umfrage, derzufolge 29 Prozent aller Befragten am liebsten mit Karte zahlen. Das sagen vor allem jüngere Leute. Ältere Menschen und andere schräge Subjekte sehen das anders. Schon bevor die Allensbach-Umfrage erschien, hatte die FAZ allerlei Gründe angeführt, die angeblich für eine Abschaffung des Bargelds sprechen.

Die Gegner des Bargeldes argumentieren dabei aus Sicht der Banken und des Einzelhandels. Prüfen, ob ein Geldschein echt ist, braucht nämlich ein wenig Zeit. Das kostet die Banken angeblich ungefähr 4,5 Milliarden Euro im Jahr. Wir sind entsetzt: die armen Banken. Das Überprüfen von Geldscheinen gehört zur Arbeit von den Leuten, die für die Kunden ansprechbar sind. Aber weil diese Leute, also Bankangestellte, Geld kosten, sollen sie aus Sicht von Bankchefs am besten durch eine Digitalkommunikation ersetzt werden. Die Kunden haben dann mit den Computern zu tun und sollen so viel Arbeit wie möglich selber machen.

Auch die Bürger kommt der Einsatz von Bargeld, so argumentieren die Gegner desselbigen, teuer zu stehen. Der Einzelhandel muss Wechselgeld vorrätig halten: Die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Bargelds betrügen 12,5 Milliarden Euro jährlich. Also zahle jeder Bundesbürger - versäumte, mögliche Zinserträge auf sein Geldvermögen eingeschlossen - etwa 150 Euro im Jahr. Das ist noch bizarrer als die statistische Information, dass jede derzeit in Deutschland gemeldete Frau in ihrem Leben 1,47 Kinder zur Welt bringt.

Das Argument dahinter: Vorausgesetzt, dass Sparer ihr Geld in risikoreiche Anlagen geben, wie das in den USA und Australien eher üblich ist, könnte ihr investiertes Geld ihnen Zinserträge einbringen. Freilich haben Aktien und Hedgefonds in der Bundesrepublik mit gutem Grund nicht rechten Anklang gefunden. Der Einstieg in Aktien der Deutschen Telekom und bei dem Tech-Unternehmen Infineon um die Jahrtausendwende war abschreckend erfolglos. Einige, die sich von ihren Sparkassen angeblich sichere Anlagen bei der dann abgewickelten US-Bank Lehman Brothers haben anquatschen lassen, haben nach 2008 geklagt.

Der Publizist Norbert Häring, er schreibt unter anderem für das Handelsblatt, streitet für die Beibehaltung des Bargelds. Sein Buch "Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen. Der Weg in die totale Kontrolle" (Quadriga, 2016) ist lesenswert. Das Argument, Bargeld müsse abgeschafft werden, um dem Terrorismus und geheimem Waffenhandel vorzubeugen, hält Häring für bekloppt: "als würden sich Terroristen mit Koffern voller Bargeld finanzieren und nicht über Scheinfirmen und Finanzderivate".

Es ist wahr: Deutsche Politiker haben in den vergangenen Jahrzehnten an den Vorschriften des Parteiengesetzes vorbei Briefumschläge angenommen, die mal 5000, mal 100 000 Mark enthielten. (Über Euro-Gaben sind wir unzureichend informiert, vermuten aber: Es hält sich in Grenzen.) Wenn es kein Bargeld mehr gibt, wäre derlei ein Riegel vorgeschoben. Waffenschieber und Drogenschmuggler arbeiten freilich in anderen Dimensionen.

Marode Banken müssen nicht mehr vom Staat gerettet werden. Es zahlen ja die Kontonutzer

Häring sieht das Problem darin, dass die Abschaffung des Bargelds alle Privatheit zunichtemacht: Wo haben Sie was gekauft? - Alles wird digital vermerkt. Junge Leute, die sich in den sozialen Medien per Bild in schönster Nacktheit präsentieren, mögen keinen Anstoß daran finden, dass alle ihre Einkäufe digital vermerkt sind. Ältere Leute, die dem Staat vertrauen, mögen sagen: Aber ich habe doch nichts zu verbergen. Darum geht es aber nicht. Die Abschaffung des Bargelds ist nicht zur Überwachung des Privatlebens der Bürger geplant, sondern zur Überwachung - und Abschöpfung - ihres Geldes.

Gibt es kein Bargeld mehr, sind die Menschen den Banken ausgeliefert, argumentiert Häring: "Es bedeutet, dass wir ,unser' Geld dauerhaft Banken anvertrauen müssen, egal wie bankrottgefährdet diese sind. Wir bekommen es von dort nicht mehr weg, es sei denn, wir geben es aus, es wird uns wegbesteuert oder per negativem Zins abgenommen, oder es wird gleich zur Sanierung der Bank einkassiert." Wenn es kein Bargeld mehr gibt, schreibt Häring, dann müsse auch keine Bank mehr vom Staat gerettet werden. Dann dürften die Kontonutzer zahlen.

Schlagzeilen machte der indische Ministerpräsident Narendra Modi jetzt, weil er kurzerhand alle 500- und 1000-Rupien-Scheine für ungültig erklärte, also die Banknoten mit hohem Wert. Sein Ziel: dem Schwarzhandel einen Riegel vorzuschieben. Der Effekt: Hilflose Inder, die nicht mehr einkaufen können.

Proteste. Und sogar Tote. Zu Homers Zeiten, als es Geld noch nicht gab, wurde der Preis eines Wirtschaftsguts in Stück Rindvieh festgesetzt: ein Weinberg gleich 15 Rinder. Diese "Geldwirtschaft" war eine ziemliche Viecherei. Das muss man von dem Plan, das Bargeld abzuschaffen, leider auch sagen. Der Plan ist eine Erfindung wie von Rindviechern, die Kunden wären die Gehörnten. Homerisches Gelächter sollte diesen Plan bloßstellen und zunichtemachen.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

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