Soll die Küchenfront langweilig weiß sein oder lieber doch hellbeige oder gar sandfarben? Welche Arbeitsplatte passt darauf und wie hoch muss sie sein? Wie und wo platziere ich die Dunstabzugshaube, damit ich nicht mit dem Kopf daran stoße? Und wenn die Kücheninsel in der Mitte des Raum sein soll, passe ich dann zwischen ihr und den Schränken hindurch? Wenn ja, lassen sich die Schubladen dann auch noch aufziehen? Und wie hoch dürfen die Hängeschränke hängen, damit ich noch bequem Teller und Tassen aus ihnen herausholen kann?
Wer bislang im Küchenstudio auf 3-D-Ansichten vertrauen musste, kann nun dank der Datenbrille Hololens 2 von Microsoft und der Software der Berliner Firma Islands Lab virtuell mittels Hologrammen Möbel aufbauen und die künftige Inneneinrichtung nicht nur der Küche planen. Und tatsächlich sieht das so realistisch aus, dass man am liebsten die Schubladen aufziehen möchte, um zu schauen, wohin man denn nun den Besteckkasten legen könnte. Nur geht das leider noch nicht.
Welten miteinander verbinden
Die etwas mehr als ein halbes Kilogramm schwere Hololens 2 setzt man sich wie einen Helm auf den Kopf. Der Computer ist hinten verbaut und somit liegt der Schwerpunkt anders als beim Vorgängermodell nun in der Mitte des Kopfes. Sie ist somit besser ausbalanciert und fühlt sich dadurch leichter an. Das Vorgängermodell hatte den Schwerpunkt vorne und deshalb musste die Tragevorrichtung sehr fest angezogen werden, was viele als unangenehm empfanden.
Das Visier mit den Displays lässt sich hoch- und herunterklappen. Auf den Displays im Sichtfeld werden dann mittels Laser die hochauflösenden Hologramme projiziert. Sie bestehen aus Licht aus den drei Farben Rot, Blau und Grün. Die Hololens 2 hat ein Eye-Tracking-System, das unter anderem den individuell unterschiedlichen Abstand zwischen den Pupillenmittelpunkten misst. Sensoren in der Brille erfassen und scannen die Umgebung und erkennen so Wände, die Decke und den Boden. Das ermöglicht es, dass man auch um die Hologramme herumgehen kann.
Und die Datenbrille kann noch mehr: Durch ein Handtrackingsystem erfasst sie an jeder Hand 25 Punkte und mittels künstlicher Intelligenz (KI) führt das System die 50 Punkte so zusammen, dass man die Hologramme mit der eigenen Hand hin- und herschieben, also Spülmaschine und Kühlschrank im Küchenblock einfach tauschen kann. Dafür braucht es also keinen Controller. Laut Microsoft ist die Hololens ein holografischer Windows-PC, deren Apps nicht für die 2-D-Welt am Bildschirm, sondern eben für 3-D-Welt optimiert sind. Die physische und die digitale Welt sollen sich mit der Datenbrille zu einer gemischten Realität verbinden.
Augmented-Reality-Brillen, die die Sicht auf die Welt erweitern, indem sie der realen Welt digitale Inhalte hinzufügen, stehen schon seit Jahren immer mal wieder kurz vor dem Durchbruch. Doch bislang fehlen oft die alltagstauglichen Anwendungen, die über einen begrenzten Nutzerkreis hinaus interessant sind und dafür sorgen, dass sich Menschen die derzeit doch recht schweren und etwas unförmigen Brillen aufsetzen. Die Brillen bedienen bislang einen Nischenmarkt oder sie sind gar Verlustbringer.
Einige Hersteller sind daher bereits wieder vom Markt verschwunden, andere wie das US-Start-up Magic Leap, das Milliarden US-Dollar für seine AR-Brille an Risikokapital eingesammelt und mächtig für die Technologie getrommelt hat, kämpfen derzeit mit schwachen Absatzzahlen. Und auch der Internetkonzern Google war ja einst spektakulär mit seiner Datenbrille Google Glass gescheitert, mittlerweile gibt es bereits die zweite sogenannte Enterprise Edition, die nur an Firmen und Entwickler verkauft wird. Bislang werden Augmented-Reality-Brillen vor allem im Arbeitsumfeld eingesetzt, auch weil die Brillen für Privatanwender doch recht teuer sind. Die Hololens 2 von Microsoft kostet beispielsweise 3500 US-Dollar und richtet sich ebenfalls ausschließlich an Geschäftskunden und Entwickler.
Technologie schon bald Standard
Es gibt Museen, die ihren Besuchern solche Brillen zur Verfügung stellen, um sie auf eine Zeitreise zu alten Meistern zu schicken. Mediziner bekommen über diese Brillen im OP beispielsweise Informationen zu Organen angezeigt, Techniker in einer Fabrik sehen mit ihr Hologramme, die ihnen zeigen, wie sie Schritt für Schritt Maschinen reparieren können. Laut einer Studie der Beratungsfirma Capgemini zahlt sich der Einsatz dieser Technologie im Unternehmen auch aus. 82 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen wurden. In drei bis fünf Jahren könnte die Technologie zum Standard gehören, vor allem, weil sie die Produktivität steigert, die Sicherheit erhöht und Geld wie zum Beispiel Reisekosten spart, weil speziell ausgebildete Techniker auch aus der Ferne direkt Anweisungen geben können.
Michael Zawrel, bei Microsoft zuständig für Mixed Reality - ein Sammelbegriff für erweiterte und virtuelle Realität - und die Hololens, kann sich aber durchaus vorstellen, dass es künftig auch für Privatanwender sinnvolle holografische Anwendungen geben wird. "Rund alle zehn Jahre gibt es eine neue Computingwelle, die letzte war die vom PC zum Smartphone und als nächstes kommt sicher Mixed Reality", glaubt er. Auch beim Mobiltelefon hätten zuerst Unternehmen erkannt, wie es sich produktiv und mit Mehrwert einsetzen lässt.
Auch im privaten Bereich seien etwa Fernwartung oder Reparaturarbeiten ein spannendes Thema. Eine Datenbrille könne auch dem Häuslebauer und Heimwerker zeigen, wie man eine Steckdose einbaut oder eine Spülmaschine repariert. Sie könnte Nutzern bei Hobbys und in der Freizeit helfen, in dem sie zum Beispiel zeigt, wie man einen Rosenstrauch schneidet oder den besten Golfschwung hinbekommt.
Nicht nur Microsoft, auch Facebook-Chef Marc Zuckerberg ist überzeugt, dass sich Augmented Reality kombiniert mit High-Tech-Brillen in diesem Jahrzehnt tatsächlich durchsetzen wird. Bereits 2014 hat der Konzern das Start-up Oculus gekauft, die Firma, die bereits 2013 mit der "Oculus Rift" ein Virtual-Reality-Headset für Computerspiele herausbrachte. Facebook arbeitet nach eigenen Angaben an einer AR-Brille. Sie trägt derzeit den Codenamen Orion und soll spätestens im Jahr 2023 auf den Markt kommen.
Auch Samsung und Apple investieren Geld und Know-how in diese Brillen und haben bereits entsprechende Patente angemeldet. Und Bosch zeigte kürzlich auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas eine Datenbrille namens Light Drive, die mittels Laser Nachrichten und Bilder anzeigt. Sie soll sich in herkömmliche Brillen integrieren und über das Smartphone steuern lassen und das Hologramm direkt auf die Netzhaut des Nutzers projizieren, allerdings in 2 D und nicht in 3 D.