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Aufstockung des Euro-Rettungsschirmes:Her mit dem Hebel

Die umstrittene Aufstockung des Rettungsschirmes ist da - doch viele Details sind offen. Der Erfinder des Konzeptes mag zwar das Wort Hebel nicht, glaubt aber an erfolgreiches "Pokerspiel mit den Märkten". Viele Experten zweifeln allerdings, ob sich die Idee durchsetzt.

Harald Freiberger und Hans-Jürgen Jakobs

Ein halbes Jahr hat er geredet. Mit Politikern, mit Investoren, mit Journalisten. Jetzt, nach dem Euro-Gipfel vom Mittwoch, kann Paul Achleitner davon ausgehen, dass sein Modell überzeugt hat. Er sehe die Resultate "ausgesprochen positiv", so der Allianz-Vorstand, "aber es braucht jetzt die konsequente Umsetzung". Sein Modell beschreibt die "Versicherungslösung" beim Kauf von Staatsanleihen aus der Euro-Zone: Danach würde der Euro-Rettungsschirm EFSF privaten Investoren garantieren, im Fall einer Pleite voraussichtlich 20 Prozent der Ausfallsumme zu garantieren.

Offensichtlich steht die Allianz-Tochter Pimco, weltgrößter Investor in Staatsanleihen, bereit. Milliarden sollen investiert werden. Das Wort "Hebel", das gerne gebraucht wird, mag Achleitner überhaupt nicht. Er redet lieber von "Anleihenversicherung".

Der Charme bestehe darin, dass der EFSF nicht völlig ins Risiko gehe: Kaufe er selbst Anleihen schwächelnden Euro-Länder, wären bei einem Schuldenschnitt von 40 Prozent eben 40 Prozent weg. Im Versicherungsfall wäre es aber nur die Garantie, also 20 Prozent. Das Nachsehen hätten hier private Investoren, die Anleihen kaufen, "das Risiko geht nach draußen". Auch sei es für die Finanzmärkte so schwerer auszurechnen, wie viele Milliarden - die berühmte "Feuerkraft" - der Rettungsschirm einsetzen könne.

Es geht, so Achleitner, um "ein Pokerspiel mit den Märkten". Da sollten die eigenen Karte unbekannt bleiben.

Bis Ende November sollen die Details der Konstruktion feststehen. Allianz-Manager Achleitner empfiehlt, die Konditionen sollten im Einzelfall bestimmt werden, je nach Bonität der Schuldner. Das schließe auch die Frage ein, ob die Garantie sofort greift, nach einem Selbstbehalt von zehn Prozent oder in der Form, dass zum Beispiel bei einem Ausfall von 40 Prozent 30 Prozent vom EFSF getragen werden.

"Bei der Autoversicherung zahlen schlechte Autofahrer, die viele Unfälle bauen, ja auch mehr als gute Fahrer", meint Achleitner. Mit einer solchen Konstruktion könne der EFSF gezielt Investitionen in Italien anschieben, was dort den Zins nach unten drücke; er war nach dem Griechenland-Debakel am Markt in die Höhe geschnellt.

Die zweite Variante beim EFSF-Einsatz sieht der Manager kritisch. Dabei geht es um Zweckgesellschaften, bei denen der EFSF gemeinsam mit anderen Geldgebern in Euro-Länder-Anleihen investieren soll. Das habe allenfalls einen symbolischen, politischen Wert, argumentiert Achleitner.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist offenbar interessiert, sich hier an der Euro-Rettung zu beteiligen. Insgesamt handele es sich um eine Restrukturierung im Euro-Raum, führt Achleitner aus. Dabei käme es auf drei Faktoren an: Für die Geldbeschaffung sei die EFSF-Versicherung geeignet, um den Geschäftsplan kümmere sich die Troika aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank - und für das richtige Management, also geeignete Regierungen, müsse der Wähler sorgen.

Entscheidend wird sein, ob große Investoren bereit sind, in die versicherten Anleihen zu investieren, besonders in jene von Italien und Spanien. Italien zum Beispiel bringt jeden Tag im Durchschnitt Anleihen von einer Milliarde Euro auf den Markt. Finden sich dafür keine Abnehmer, ist auch der aufgestockte Rettungsfonds irgendwann wieder am Ende. Noch hat der EFSF etwa 200 bis 250 Milliarden Euro zur Verfügung. Eine Teilversicherung von 20 Prozent entspricht einem Hebel von fünf, damit ließen sich also neue Anleihen bis zur Höhe von 1,25 Billionen Euro absichern. Das würde auf jeden Fall reichen, um den Finanzbedarf Spaniens und Italiens bis Ende 2014 zu decken.

Ob sich genügend Großanleger für ein so hohes Volumen finden, ist nicht ausgemacht. Konkrete Aussagen von Investoren gibt es noch nicht. Beim Rückversicherer Munich Re, der mit rund 80 Milliarden Euro in Staatsanleihen engagiert ist, heißt es, dass man sich die Bedingungen erst ansehen müsse.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, gibt zu bedenken, dass Käufer von Staatsanleihen Sicherheit wollen. "Wenn aber die Regierungen die Notwendigkeit einer Teilversicherung sehen, signalisieren sie, dass die Anleihen von Peripherieländern gerade nicht sicher sind", sagt er. Es sei fraglich, wie Investoren mit diesem Widerspruch zurechtkämen. Zudem habe die Politik ein Glaubwürdigkeitsproblem: Viele Wähler in den Geberländern lehnten weitere Hilfen ab, daher könne es sein, dass die Politiker unter Druck von den Garantien für die Peripheriestaaten abrücken.

Auch Gottfried Heller, Gründer der Depotverwaltung Fiduka, ist zurückhaltend. "Warum sollen Investoren zugreifen, wenn 20 Prozent der Anleihen versichert sind, bei einem Schuldenschnitt aber das Risiko besteht, dass 50 Prozent weg sind und die Zinsen vielleicht drei Prozent über denen von sicheren Staatsanleihen liegen?", fragt er. Für Italien und Spanien könnten versicherte Anleihen allerdings als Brandmauer dienen. Entscheidend sei, dass sie ihre Haushalte in den Griff bekommen. Je positiver die Signale, umso größer auch die Chancen, dass Investoren ihre Anleihen kaufen. Was auch umgekehrt gelte: "Die Finanzmärkte riechen es, wenn der alte Schlendrian weitergeht", sagt Heller.

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SZ vom 29.10.2011/aum
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