Aufschwung in Afrika:Der afrikanische Traum ist geplatzt

Addis Abeba, Äthiopien

Afrika hätte das neue Asien werden können - zumindest laut führenden Ökpnomen. Doch daraus wird wohl nichts.

(Foto: AFP/Roberto Schmid)
  • In den vergangenen Jahren wurde Afrika immer wieder ein rasanter Aufschwung attestiert.
  • Mittlerweile zeigt sich: Dieser basierte vor allem auf dem Rohstoff-Boom und ist mit der Konjunkturflaute in China eingebrochen.
  • Ein weiteres Problem ist der Arbeitsmarkt: Trotz Wachstum sind in den letzten Jahren kaum neue Arbeitsplätze entstanden, und das bei einer rasant wachsenden Bevölkerung.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Ein Kind läuft durch die Savanne, der aufgehenden Sonne entgegen, und an einer Schnur lässt es einen Drachen steigen. Der Drachen ist geformt wie der afrikanische Kontinent und in den Farben des Regenbogens gestreift. Ein Bild, das Zuversicht verbreitet. "Africa rising" steht in glutroten Buchstaben darüber - Afrika steigt auf, endlich.

Die Titelgeschichte des Magazins The Economist im Dezember 2011 rief nichts weniger aus als ein neues Zeitalter. Eine Epoche, in der sich der vermeintliche Elends- und Hungerkontinent endlich aus eigener Kraft aus dem Staub erheben würde. In der ein kontinuierlicher Aufschwung Millionen über die Armutsschwelle hebt. "Nach Jahrzehnten schleppenden Wachstums", hieß es im Text, "hat Afrika eine reelle Chance, in Asiens Fußstapfen zu treten".

Die lang ersehnte Hoffnungs-Botschaft fand weltweit Widerhall. Das Time Magazine übernahm ein knappes Jahr später die Titelzeile eins zu eins: "Africa rising". Ein Professor an der University of Texas nannte sein Buch ebenso - mit dem Untertitel: "Wie 900 Millionen afrikanische Konsumenten mehr bieten, als Sie denken". Investment-Berater ließen sich von der Euphorie genauso anstecken wie Entwicklungshelfer, die sich freuten, dass all ihre milliardenteuren Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte endlich zu fruchten schienen. Zweifel daran, dass die afrikanischen Löwen jetzt den asiatischen Tigern auf dem Sprung folgten, schienen kaum noch angebracht zu sein.

Der Aufschwung war offensichtlich - aber ist vielerorts schon wieder vorbei

Die Zahlen sprachen ja auch für sich: Manche Staaten südlich der Sahara wiesen über mehrere Jahre zweistelliges Wachstum auf - Werte, von denen der Rest der Welt nicht einmal mehr zu träumen wagte. Und zugleich zeigten andere Parameter, dass sich für viele Afrikaner im Alltag spürbar etwas zum Guten bewegte: Vielerorts stieg die Lebenserwartung, die Kindersterblichkeit sank, Hunderttausende bekamen endlich Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Doch inzwischen ist es vielerorts mit dem Aufschwung vorbei, der - wie damals der Economist selbst einräumte - großenteils auf einem Rohstoff-Boom basierte; auf einer starken Nachfrage vor allem aus China. Das Wachstum habe freilich "auch viel mit den Fertigungs- und Dienstleistungssektoren zu tun, die afrikanische Länder zu entwickeln beginnen. Die große Frage ist, ob Afrika dies aufrechterhalten kann, wenn die Nachfrage nach Rohstoffen sinkt."

Chinas Konjunkturflaute ist verheerend für den afrikanischen Kontinent

Die Antwort lässt sich heute, ziemlich genau ein halbes Jahrzehnt nach Erscheinen der bahnbrechenden "Africa rising"-Story, bei aller gebotenen Differenziertheit vorerst so formulieren: leider nein. Die schwächelnde Konjunktur in China schlägt auf den Kontinent voll durch, die Ausfuhren nach Fernost sind bereits 2015 um mehr als ein Drittel gesunken - verheerend vor allem für Länder wie Angola und Nigeria, deren Staatshaushalte sich zum allergrößten Teil auf Einnahmen aus dem Öl-Export stützen, aber auch für Südafrika, den größten Eisenerz-Exporteur nach China.

Südafrika, das am weitesten industrialisierte Land des Kontinents, kann solche Schwankungen noch vergleichsweise gut abfedern - anders etwa als Nigeria, das bevölkerungsreichste afrikanische Land, dessen damalige Regierung 2014 noch verkündet hatte, nach eigenen Berechnungen habe man Südafrika als größte Volkswirtschaft des Kontinents überholt. Der im vergangenen Jahr als Hoffnungsträger gewählte Präsident Muhammadu Buhari musste inzwischen einräumen, dass sich dieser - ohnehin auf umstrittenen Zahlen beruhende - Vorsprung wieder erledigt habe.

Afrikas größter Fluch ist seine Abhängigkeit

Der niedrige Weltmarktpreis für Rohöl hat das Land in die schwerste Wirtschaftskrise seit zwei Jahrzehnte gestürzt. In Nigeria wie in vielen anderen Ländern rächt es sich, dass die Einnahmen aus den Jahren des Wachstums nicht genutzt wurden, um in Industrie und eine moderne Landwirtschaft zu investieren. Die Abhängigkeit von Rohstoff-Exporten bleibt Afrikas Fluch.

Doch selbst in Ländern, die sich um eine breiter aufgestellte Volkswirtschaft bemüht haben, sind die Hoffnungen vorübergehend zusammengebrochen: allen voran in Äthiopien, dessen Regierung in den vergangenen Jahren, inspiriert und unterstützt von China, ganz auf das Modell Entwicklungsdiktatur gesetzt hat. Jetzt rächt sich, dass viele Bürger vor allem den zweiten Teil des Begriffs, die Diktatur, zu spüren bekommen: Angehörige der Mehrheitsvölker Oromo und Amhara, die sich vom Regime nicht vertreten fühlen, haben sich in den vergangenen Monaten in großen Demonstrationen aufgelehnt - und wurden niedergeschlagen.

Menschenrechtlern zufolge haben die Sicherheitskräfte mehrere Hundert Demonstranten getötet und viele Tausend verhaftet. Doch den Volkszorn haben sie damit nur noch mehr angefacht. Protestierende haben Fabriken in Brand gesteckt, die zuletzt das zweistellige Wachstum mitgefördert hatten: Blumen- und Textilfabriken, Zuckerraffinerien.

Afrikas Bevölkerung wächst rasant - aber der Arbeitsmarkt wächst nicht mit

Selbst wenn es der Regierung gelingen sollte, die Gefahr eines Bürgerkrieges abzuwenden, bleibt eine gewaltige Herausforderung bestehen: Die Bevölkerung wächst jährlich um 2,5 Prozent. Diese Herausforderung hat Äthiopien mit dem Rest des Kontinents gemein - bis 2050 wird sich die Zahl der Menschen in Afrika wohl auf zwei Milliarden verdoppeln. Wie auf diesem Kontinent so schnell die nötigen Jobs entstehen sollen, wo bereits heute ein Großteil arbeitslos ist oder von Tagelohn lebt, ist unklar.

Mit der Euphorie über den vermeintlichen Aufbruch von Afrikas Löwen sind auch die Hoffnungen auf eine politisch stabilisierende Mittelschicht verflogen. "Nach zehn Jahren starken Wachstums weitgehend ohne die Entstehung neuer Arbeitsplätze stehen die Angehörigen der aufstrebenden afrikanischen Mittelschicht größtenteils immer noch am Rand der Armut", heißt es in einer Studie des Giga-Instituts in Hamburg. Auch das um Investoren-Optimismus bemühte McKinsey Global Institute stellt über das Potenzial der "Löwen" südlich der Sahara fest: "Sowohl für Unternehmen als auch für Afrikas Regierungen bleibt noch viel zu tun, um Chancen in greifbaren wirtschaftlichen Nutzen umzusetzen."

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