Süddeutsche Zeitung

Aufruhr im Bankenviertel:Nichts als Schwierigkeiten

Deutsche Bank und Commerzbank werden über eine Fusion verhandeln. Sie wäre ein komplexes, riskantes Unterfangen. Die Geschichte von Bankenfusionen in Deutschland zeigt, warum.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Die Zeichen stehen auf Hochzeit, und was könnte da besser passen als dieses Video, das in der Deutschen Bank gerade die Runde macht. Das Schlosshotel Kronberg im Taunus ist zu sehen, Streicher und Klavier erklingen. Philipp Gossow, der seit November 2018 das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank in Deutschland leitet, hat seine Hochzeit inszeniert, ließ sich und seine Angetraute dabei filmen und muss nun mit Spott umgehen. "Auf einer einzigartigen Reise", sagt der Redner im Off, "und diese Reise eurer Liebe ist vielleicht wie ein buntes Mosaik. Sie besteht aus ganz vielen Steinchen."

Man schickt sich in der Bank nun also dieses Video, um es irgendwie mit Humor zu nehmen, was Deutsche Bank und Commerzbank am Sonntag bekannt gegeben haben: Die große Bankenhochzeit, sie wird vielleicht Realität. Von dieser Woche an verhandeln beide Seiten offiziell über eine Fusion. Nach SZ-Informationen haben beide Banken bereits amerikanische Investmentbanken als Berater mandatiert. Die Prüfung dürfte nun sechs Wochen dauern. Wenn sie bis Ende Mai zur Hauptversammlung nicht abgeschlossen sei, könne man das Aktionärstreffen verschieben. Worüber lange spekuliert wurde, ist damit konkret: Gut möglich, dass es in Deutschland bald nur noch eine große private Bank gibt.

Es dauerte nur wenige Wochen, bis aus informellen Gesprächen mehr wurde. Das Vorhaben entsteht nicht aus einer Position der Stärke, sondern aus purer Not und auf Druck der Politik: Die zwei größten privaten Banken der größten Volkswirtschaft Europas haben es trotz der Hochkonjunktur jahrelang nicht geschafft, zu einem ertragreichen Geschäftsmodell zurückzufinden. Sie haben es - jede auf ihre Weise - nicht geschafft, Investoren zu überzeugen. Sie haben die Perspektive verloren, aus eigener Kraft wieder wachsen zu können.

Schließen sie sich zusammen, können sie Mitarbeiter entlassen, Kosten senken und ihre Kräfte bündeln, sich darstellen als die eine große, stabile Bank für die deutsche Wirtschaft. Letzteres ist fester Bestandteil der Agenda der Bundesregierung. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) beklagt, hiesige Banken hätten nicht mehr "die Größenordnung und die Globalität", die notwendig sei, um Unternehmen weltweit zu begleiten. Angenommen, aus den am Sonntag als "ergebnisoffen" angekündigten Gesprächen entstünde ein Plan: Könnte die neue Großbank den Anspruch erfüllen - fiele es gemeinsam leichter, genügend Geld zu verdienen?

Woher das Geld kommt

Eine der großen Fragen bei der Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ist: Wie viel kostet es und wer soll es bezahlen? Analysten gehen davon aus, dass die Banken für den Zusammenschluss bestenfalls drei bis fünf Milliarden Euro benötigen, möglicherweise noch viel mehr. Allein Abschreibungen auf Italien-Anleihen, die die Commerzbank in der Bilanz hält, dürften drei Milliarden Euro kosten. Nun könnte die Deutsche Bank ihre Aktionäre einfach um frisches Geld bitten. Doch das wird schwierig: Die Milliarden aus vergangenen Kapitalerhöhungen flossen großteils in die Boni der Investmentbanker, linderten aber die Misere nicht. Die Spendierfreudigkeit der Investoren ist begrenzt.

Kein Wunder, dass Berater nun grübeln, wie eine Fusion auch ohne Kapitalerhöhung möglich wäre. Die Idee: Weil die Commerzbank an der Börse rund 14 Milliarden weniger wert ist, als sie Eigenkapital in ihrer Bilanz hat, könnte sich die Deutsche Bank diese Differenz einfach selbst in der Bilanz verbuchen. In der Fachsprache nennt sich das "Badwill". Das hat bei einigen Bankfusionen in der Vergangenheit tatsächlich geklappt. Doch so einfach ist es nicht: Aufsichtlich erhöhe der Badwill zwar das harte Kernkapital (Common Equity Tier 1), teilte ein Sprecher der Finanzaufsicht Bafin mit. In der Rechnungslegung sei der "Badwill" aber umstritten, da der Kaufpreis nur selten unter dem Zeitwert des Nettovermögens liegen sollte. Nach internationaler Rechnungslegung müssten zudem alle übernommenen Vermögenswerte und Schulden überprüft werden. Auch aufsichtlich "sollte daher hinterfragt werden, ob eventuell vorhandene Risiken unterschätzt wurden". Kurzum: Ganz so einfach ist das alles nicht. Meike Schreiber

Die Historie von Fusionen und Übernahmen im deutschen Banksektor ist lang, und sie ist ziemlich enttäuschend. In den 1990er-Jahren reagierte der Markt euphorisch, als aus Vereinsbank und Hypo-Bank die Hypo-Vereinsbank (HVB) werden sollte. Auf die Fusion 1997 aber folgten sechs lähmende Jahre voller Rückschläge - die erst ein Ende hatten, als die HVB 2005 zusätzliche Abschreibungen von 2,5 Milliarden Euro auf ihr Immobilienportfolio vornahm. Noch im selben Jahr ging die HVB in der italienischen Unicredit-Gruppe auf. Nach massiven Sparprogrammen und Umstrukturierungen wird das Münchner Institut heute aus Mailand kommandiert.

Wenige Jahre nach dem Entstehen der HVB wagte die Deutsche Bank den Versuch, die Dresdner Bank zu übernehmen. Die Gespräche endeten im April 2000 mit einem Knall, als der Vorstand der Dresdner Bank dem Konkurrenten vorwarf, für das Scheitern verantwortlich zu sein: Plötzlich hatte die Deutsche Bank von einer Fusion auf Augenhöhe nichts mehr wissen wollen. Der Streit hinterließ Spuren: Kunden sprangen ab, Mitarbeiter suchten das Weite. Im Sommer 2001 bezahlte die Allianz rund 25 Milliarden Euro für die Dresdner Bank, die dann im Jahr 2008 für 9,8 Milliarden Euro an die Commerzbank ging. Orchestriert hatte die Übernahme damals Paul Achleitner, seinerzeit Allianz-Vorstand und heute Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Die Commerzbank musste danach vom Staat gerettet werden, der bis heute größter Einzelaktionär ist. Es dauerte Jahre, die Dresdner Bank in den Konzern zu integrieren; das Projekt war teuer, komplex und gemessen am Börsenwert der kürzlich in den M-Dax abgestiegenen Commerzbank ein Misserfolg.

Einziger Lichtblick in den vergangenen Jahren ist die Fusion der beiden genossenschaftlichen Spitzeninstitute WGZ- und DZ-Bank von 2015 an. Ein Jahr nach Abschluss der Übernahme schrieb die Zentralbank der etwa 1000 Volks- und Raiffeisenbanken trotz größerer Abschreibungen einen Milliardengewinn.

So reibungslos würde ein Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank wohl nicht verlaufen. Schon im September warnten Analysten der Citibank vor einem "hohen Umsetzungsrisiko" dieses Vorhabens und schrieben von "komplexer Ablenkung", die mit einem Fusionsversuch auf die Deutsche Bank zukäme - zu einer Zeit, in der das Management noch alle Hände voll zu tun habe mit dem Versuch, die Postbank zu integrieren. Gerade die Postbank-Übernahme dürfte der Deutschen Bank ein mahnendes Beispiel sein. Zusammen mit der Commerzbank entstünde ein Mosaik, das ungleich schwerer zusammenzusetzen wäre.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4371217
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.