Aufruhr bei Münchner Halbleiterhersteller:Infineon-Chef Schumacher gestürzt

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Vorstandskrise beim Chipproduzenten Infineon: Nach harten Auseinandersetzungen im Management hat Unternehmenschef Ulrich Schumacher am Donnerstagnachmittag überraschend sein Amt abgegeben. Damit endet nach knapp fünf Jahren abrupt die Laufbahn eines der umstrittensten deutschen Manager.

Von Nina Bovensiepen

Infineon-Chef Ulrich Schumacher habe sein Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt, der Aufsichtsrat habe dem in einer außerordentlichen Sitzung zugestimmt, teilte der Konzern knapp mit. Die Börse reagierte umgehend mit Kursabschlägen. In Branchenkreisen war von einer "Palastrevolution" bei Infineon die Rede.

Ulrich Schumacher - gestürzt per "Palastrevolte". (Foto: Foto: AP)

Harte Auseinandersetzungen

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung waren der Demission harte Auseinandersetzungen im Vorstand des Chip-Herstellers vorausgegangen. Schumachers Kollegen waren danach nicht länger bereit, die Verlagerungspläne ihres Vorsitzenden für Teile des Unternehmens ins Ausland zu unterstützen.

Die Führungskrise bei Infineon kommt zu einem unerwarteten Zeitpunkt. Seit einiger Zeit wähnt sich die Halbleiterindustrie wieder in einem Aufwärtstrend. "Die schlimmste Krise, die der Halbleitermarkt je erlebt hat, scheint vorüber", gab sich Schumacher Anfang des Jahres im Gleichklang mit vielen Konkurrenten optimistisch.

Auf der Hauptversammlung im Januar bekräftigte der Infineon-Chef sein Ziel, das Unternehmen nachhaltig profitabel zu machen. Auf die Frage nach der eigenen Zukunft hatte er der Financial Times Deutschland vergangene Woche noch gesagt: "Ich könnte mir problemlos vorstellen, hier noch 20 Jahre tätig zu sein."

Späte Rückkehr in die Gewinnzone

Nach der schwersten Krise in der Geschichte der Branche war Infineon im Schlussquartal des vergangenen Geschäftsjahres (30. September) in die Gewinnzone zurückgekehrt - dem waren allerdings neun Verlustquartale und zwei Geschäftsjahre mit einem Milliardenverlust vorangegangen. Obendrein machte sich der Manager bei Mitarbeitern, Aktionären und dem früheren Mutterkonzern Siemens durch ungeschicktes Agieren in heiklen Angelegenheiten häufig unbeliebt.

Vor Jahresfrist erregte Schumacher mit der Drohung Aufsehen, Infineon werde vielleicht Deutschland verlassen. Auf der letzten Hauptversammlung musste sich der Manager dafür einen "vaterlandslosen Gesellen" schimpfen lassen. Aufgrund eines umstrittenen Aktienoptionsprogramms für den Vorstand warfen ihm Anlegerschützer außerdem "Selbstbedienungsmentalität" und "Instinktlosigkeit" vor.

Ein anderes Mal sorgte Schumacher mit einem geplanten "Low-Performer-Programm" in der Belegschaft für Unruhe. Bei dem früheren Mutterkonzern Siemens handelte er sich mit unabgesprochenen Vorstößen Antipathien ein.

Showman und Buhmann

Mit dem Abschied Schumachers geht eine ungewöhnliche Manager-Karriere abrupt zu Ende. Der 45-Jährige stand für den Börsenboom Anfang dieses Jahrtausends genauso wie für die Ernüchterung und den zähen Kampf, die darauf folgten.

Die Etappen des Berufsweges: 1986 begann der Sohn einer rheinländischen Unternehmerfamilie seine Laufbahn im Bereich Bauelemente der Siemens AG. Innerhalb des Konzerns stieg der promovierte Elektrotechniker schnell auf: 1988 wurde er Vorstandsassistent der Halbleitersparte von Deutschlands größtem Elektronikkonzern, 1996 Bereichsvorstand der Sparte, 1998 rückte er als jüngstes Mitglied in den Siemens-Vorstand ein und 1999 wurde er Vorstandschef der neuen Infineon Technologies AG.

Der breiten Öffentlichkeit wurde der Name Ulrich Schumacher im März 2000 ein Begriff, als der Manager das von Siemens ausgegliederte, konjunkturanfällige Halbleitergeschäft auf dem Höhepunkt des Börsenbooms in Frankfurt und New York an die Börse führte. 33-fach überzeichnet stieg die zu einem Emissionspreis von 35 Euro ausgegebene Infineon-Aktie schnell auf mehr als 90 Euro.

Viel Auf und Ab

Im ersten Geschäftsjahr präsentierte Infineon ein hervorragendes Geschäftsergebnis. Das Folgejahr dagegen wurde eines der schwersten für den Infineon-Chef: Der in der Branche immer wiederkehrende Abwärtszyklus erwischte das Unternehmen mit einer Massivität und Plötzlichkeit, wie es das Management nicht vorhergesehen hatte. Infineon überraschte im Sommer 2001 mit einer Gewinnwarnung und der Ankündigung, 5000 seiner weltweit knapp 35.000 Arbeitsplätze abzubauen. Das Image Schumachers wandelte sich vom Showman zum Buhmann.

In der Folgezeit bemühte sich Schumacher um ein ruhigeres, besonnenes Auftreten - was ihm freilich nicht immer glückte. Vor allem die Standortdebatte wurde ihm von vielen übel genommen. War er bis dahin noch des öfteren als einer der Kandidaten für die Nachfolge von Siemens-Chef Heinrich von Pierer im Gespräch, war damit nun Schluss.

© SZ vom 26.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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