Süddeutsche Zeitung

Auflagen für Drohnen:Bedingt abflugbereit

  • Die US-Flugaufsichtsbehörde FAA hat erstmals Zulassungsregeln für unbemannte Fluggeräte erlassen.
  • Vor allem für den Internetkonzern Amazon sind die Pläne ein herber Rückschlag. Die Pläne, Pakete schon bald per Flugroboter liefern zu lassen, wären damit vorerst vom Tisch.
  • In Deutschland werden Liefer-Drohnen bereits getestet: Der Paketdienst DHL versorgt damit die "Seehund Apotheke" auf Juist.

Von Kathrin Werner, New York

Die jährliche Inspektion der Brooklyn Bridge ist eine teure Angelegenheit - und gefährlich. Männer in Schutzkleidung und mit Helmen klettern auf den Stahlkabeln der Hängebrücke nach oben. Sie seilen sich an den mächtigen Pfählen ab und fahren in einem Krankorb 40 Meter über dem East River unter der Brücke entlang. Doch bald könnte sich das ändern. Dann könnte New York eine Firma beauftragen, deren Drohnen die Brooklyn Bridge umschwirren. Die Fluggeräte schießen Fotos aus jedem Winkel. Die Männer mit Helmen könnten am Boden bleiben.

Erster Entwurf für Regeln - nach fast einem Jahrzehnt

Nun hat die Drohnen-Branche in Amerika einen gewaltigen Schritt in diese Richtung geschafft. Nach fast einem Jahrzehnt voller Diskussionen hat die Flugaufsichtsbehörde FAA einen Entwurf mit Regeln für die Zulassung kleiner Drohnen veröffentlicht. Bislang dürfen sie eigentlich nicht zu gewerblichen Zwecken aufsteigen. Die vielen unbemannten Flugobjekte, die inzwischen unterwegs sind, gehören Hobbypiloten. Die FAA hat gerade mal 24 Sondergenehmigungen erteilt, trotz 342 Anträgen. Sehr zum Ärger der wachsenden Drohnen-Industrie und einer Vielzahl interessierter Kunden. "Wir haben versucht, mit diesen Regeln so flexibel wie möglich zu sein", sagte FAA-Chef Michael Huerta. "Wir wollen unser heutiges, hervorragendes Sicherheitsniveau im Luftraum behalten. Andererseits wollen wir dieser wachsenden Industrie keine übermäßigen Regulierungshürden in den Weg stellen."

Jede allgemeingültige Regel ist besser als keine Regel für die Branche, allerdings sind die neuen Vorschläge der FAA eher streng. Zum einen will die Behörde nur relativ kleine Drohnen mit einem Gewicht bis 25 Kilogramm zulassen. Zum anderen dürfen sie nicht höher als 152 Meter fliegen, nicht schneller als 160 Kilometer pro Stunde und nur tagsüber. Sie müssen sich von Flughäfen und Einflugschneisen fernhalten und stets für den Piloten oder einen Assistenten sichtbar bleiben - ohne Fernglas. Außerdem dürfen sie nicht über die Köpfe von unbeteiligten Menschen fliegen. Drohnenpiloten müssen allerdings nicht wie bislang einen Pilotenschein samt Flugpraxis-Stunden vorlegen, es reicht eine schriftliche Prüfung für eine Lizenz, die man billiger und schneller bekommt. Die praktischen Flugkünste und auch die Drohne selbst sollen nicht extra getestet und lizenziert werden - eine große Erleichterung für die Drohnen-Industrie.

Rückschlag für Amazons Drohnen-Pläne

Für Amazon sind die Regulierungspläne ein Rückschlag. Jeff Bezos, der Chef des Online-Händlers, träumt von Drohnen, die Amazon-Päckchen ausliefern. "Amazon Prime Air" soll das Angebot heißen. Kleine Flugobjekte mit acht Propellern sollen durch die Luft surren und Päckchen vor die Haustür plumpsen lassen - per GPS gesteuert, gerade mal 30 Minuten nach der Bestellung. Die Waren dürfen dafür nicht mehr als 2,2 Kilo wiegen, und der Kunde muss in einem Radius von zehn Meilen zu einem Amazon-Lager wohnen. Das wäre viel schneller und vor allem billiger als die Auslieferung per Paketdienst im Lastwagen. "Es wird funktionieren, es wird passieren und es wird eine Menge Spaß machen", sagte Bezos, als er sein Projekt vor gut einem Jahr erstmals vorstellte.

Mit den nun veröffentlichen Plänen der FAA wird das nichts, schließlich würden Amazons Päckchen über fremde Köpfe fliegen müssen, außerdem wäre kein Pilot in Sichtweite. Entsprechend säuerlich reagiert Amazon. "Die FAA muss unsere Bedürfnisse und die unserer Kunden zu berücksichtigen", sagt Cheflobbyist Paul Misener, der daran arbeitet, dass die Behörde die Vorschläge aufweicht. "Wenn unsere Tests in den Vereinigten Staaten nicht genehmigt werden, müssen wir unser Forschungsprojekt für Prime Air im Ausland vorantreiben."

Deutschland testet Drohnen - im Wattenmeer

Andere Länder sind weiter, was die Regeln für die kommerzielle Verwendung von Drohnen und ihre Tests angeht. In Deutschland testet DHL seit September den Einsatz einer Lieferdrohne. Der sogenannte Paketkopter versorgt die "Seehund Apotheke" auf der Insel Juist im Wattenmeer mit Medikamenten. Die ersten Flüge haben gut geklappt, auch bei Dunkelheit, Regen und Nebel.

Der US-Kongress macht Druck und hat die Flugbehörde eigentlich verpflichtet, bis zu diesem Herbst einen funktionierenden rechtlichen Rahmen vorzulegen. "Die Vereinigten Staaten können sich nicht leisten, bei technischen Innovationen wegen Behörden-Trödelei anderen Ländern hinterherzuhinken", forderte etwa der demokratische Senator Cory Booker in der New York Times. Doch bis die neuen Vorschläge der FAA in Kraft treten, wird noch eine lange Zeit vergehen. Wenn wie erwartet Tausende Unternehmen und Privatleute nun Kommentare abgeben, auf die die Behörde reagieren muss, kann das Jahre dauern.

Es wird wohl heftige Diskussionen geben, über Datenschutz, Eingriffe in die Privatsphäre und mögliche Unfälle. Dagegen plant die EU-Kommission ein einheitliches Regelwerk zum Drohnenverkehr noch für dieses Jahr. Sie schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren zehn Prozent des Luftverkehrsmarkts auf Drohnen entfallen, das entspräche 15 Milliarden Euro pro Jahr. Die FAA erwartet, dass innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der neuen Regeln 7000 Unternehmen eine Lizenz für Drohnen beantragen werden.

Branche wittert einen Milliardenmarkt

Der Interessenverband Association of Unmanned Vehicle Systems International hat berechnet, dass gewerbliche Drohnen in den ersten drei Jahren 13,6 Milliarden Dollar zur Volkswirtschaft beisteuern könnten. Die neue Branche soll 70 000 Jobs schaffen. Allerdings berechnet der Verband nicht, wie viele Jobs verloren gehen, wenn die Drohen übernehmen.

In den USA, Europa und China gibt es mittlerweile zahlreiche Hersteller, die auf wachsendes Geschäft hoffen. Interessant sind Flugroboter unter anderem für die Landwirtschaft. Bauern können ihre Felder überfliegen und auf Schädlinge kontrollieren. Für Fotografen sind Drohnen eine Chance, ohne große Kosten eine neue Perspektive zu gewinnen, zum Beispiel auf Sportveranstaltungen. Auch die mächtige Öl- und Gasindustrie treibt die FAA an, weil sie Pipelines und Bohrinseln einfacher auf Lecks überprüfen könnte. Und dann sind da die Inspektionen von Kabelmasten und Brücken. Laut FAA sind zwischen in den vergangenen Jahren 95 Techniker in den USA bei Kletterarbeiten verunglückt. Außerdem kostet ein Sicherheitstest mit Hebebühnen und Kränen für jede der 45 000 Brücken im Schnitt 3250 Dollar. Die Hängebrücke Brooklyn Bridge mit ihren Drahtseilen ist noch viel teurer.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2015
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