Auferstehung des deutschen Rotweins:Das Wunder mit dem Spätburgunder

Deutscher Rotwein war bei Kennern lange als süßes Gesöff verpönt, bis einige Winzer auf Klasse statt Masse setzten - jetzt sind sie zeitweise sogar ausverkauft.

Robert Lücke

Werner Näkel blickt auf seine in mehreren Reihen übereinander gestapelten Eichenholzfässer. In seinem Glas schwappt tiefdunkelroter, fast violetter Wein. Er ist Näkels ganzer Stolz, sein Spätburgunder. ,,Vor 20 Jahren wollte kein ernsthafter Weinkenner mehr deutsche Rotweine trinken'', sagt Näkel.

Auferstehung des deutschen Rotweins: Klasse statt Masse: So lautet das Erfolgsrezept des deutschen Rotweins.

Klasse statt Masse: So lautet das Erfolgsrezept des deutschen Rotweins.

(Foto: Foto: dpa)

Der 54-jährige ehemalige Gymnasiallehrer gilt als einer der besten deutschen Burgunderwinzer. Seine Weinberge liegen oberhalb des rheinischen Dernau an der Ahr, heute Deutschlands Rotwein-Vorzeige-Anbaugebiet.

Früher seien die Rebstöcke ausgezehrt gewesen, die Weine wurden immer süßer. ,,Die Rebstöcke waren genetisch verkümmert, so wie in manchen Dörfern hier jeder sein eigener Cousin ist'', sagt Näkel und lacht breit.

Gefragt wie nie

Heute ist das anders, zumindest beim Wein. Deutscher Rotwein ist gefragt wie nie, vor allem der rote Burgunder, der rau und wuchtig, zugleich aber verspielt mit süßer Frucht schmeckt. Für viele Weinkenner ist Pinot Noir, die rote Burgundertraube, schlicht die Königin des Weins. Und die kommt immer häufiger aus Deutschland.

Über 27 Prozent des hier verkauften Rotweins stammen aus Deutschland, das ist Spitze, noch vor den großen Weinbauländern Frankreich, Italien, Spanien. Vor fünf Jahren waren es nur 17 Prozent.

Rotwein steht in der Gunst der Verbraucher insgesamt viel höher als Weißwein, 54 Prozent des bei uns getrunkenen Weins ist rot, Tendenz steigend. Der Großteil davon ist allerdings ziemlich billig. Der Deutsche gibt im Schnitt nur 3,54 Euro für den Liter Rotwein aus - aber immer noch etwas mehr als für Weißwein, mit 3,21 Euro pro Liter.

Vergleichbar mit Burgund- und Piemontweinen

Es geht jedoch nicht nur um Masse, sondern auch um Klasse: Eine wachsende Zahl deutscher Winzer kann sich inzwischen mit ihren berühmten Konkurrenten aus Burgund oder Piemont messen.

Dass Rotwein aus Deutschland einmal so begehrt werden würde, konnte keiner ahnen. Am wenigsten die erfolgreichen deutschen Rotweinwinzer selbst. Den Touristen in den klassischen Anbaugebieten Baden und Ahr genügten oft die einfachen Tropfen, und noch heute bekommt man in fast jeder schlechten Weinstube süßes Gesöff.

Die deutschen Weinliebhaber hatten sich damals schon kreuz und quer durch Europa und die Neue Welt getrunken, aber immer, wenn sie zu Hause einen guten Rotwein suchten, wurden sie enttäuscht. Es gab nämlich keinen. Nur einfache Schlabberweine für jeden Tag. Große deutsche Rote: Fehlanzeige.

Pinot Noir schon lange an der Ahr bekannt

Dabei war Pinot Noir bereits im 18. Jahrhundert aus Burgund an die Ahr gebracht worden, doch es sollte sehr lange dauern, bis daraus erstmals Weine erzeugt wurden, die sich mit den berühmten Lagen in Burgund messen konnten.

Als Werner Näkel Anfang der achtziger Jahre anfing, Klone von Rebstöcken aus Burgund in die steilen Weinberge der Ahr zu pflanzen, wusste er noch nicht, dass er damit ein Fundament für das deutsche Rotweinwunder legen würde.

Zusammen mit Georg Breuer aus dem Rheingau, Bernhard Huber und Joachim Heger aus Baden sowie Bernd Philippi aus der Pfalz ist Näkel einer der Väter dieses deutschen Rotweinwunders.

Jene Winzer, die über den Rand ihrer Täler hinausblickten, fingen an, Spät- und Frühburgunder zu pflanzen, experimentierten mit großen und kleinen Eichenfässern, probierten es mit und ohne Filtrierung - und siehe da: Sie entdeckten, dass man auch in Deutschland gute Weine machen kann, solange man nur auf Qualität setzt.

Aufwand höher als bei Weißwein

Obendrein konnten sie damit auch noch richtig Geld verdienen. Für Rotwein kann ein Winzer locker das Doppelte verlangen wie für Weißwein, allerdings ist der Aufwand auch deutlich höher, gerade beim Spätburgunder.

Das Wunder mit dem Spätburgunder

,,Man muss ständig in den Weinberg, die Blätter an den Stöcken abschneiden, damit die Trauben viel Sonne kriegen für eine schöne Farbe'', sagt Näkels Tochter Meike, die heute im Weingut mitarbeitet.

Außerdem ist der Kauf immer neuer Fässer teurer - aber es lohnt sich. Zeitweise waren Näkel und Philippi ausverkauft, man musste ihre Weine Monate im Voraus reservieren, um sie zu bekommen, und die Preise schnellten nach oben.

54 Euro für eine Flasche

15 Hektar Weinberge hat Werner Näkel, 80 Prozent davon sind mit Spät- und Frühburgunder bepflanzt, pro Hektar gewinnen sie daraus etwa 50 Hektoliter. In den Spitzenlagen, wo sie 54 Euro für die Flasche verlangen können, sind es oft nur 30 Hektoliter.

Das liegt daran, dass sie so stark ausdünnen: Bis auf ein, zwei Trauben pro Stock wird alles andere abgeschnitten, damit die Pflanze alles, was sie hat, in die wenigen Beeren schießen kann.

Dass der deutsche Wein solch eine Wiedergeburt erlebt und international Preise abräumt, hat viel mit dem Siegeszug des Rieslings zu tun, den viele für die beste weiße Rebsorte der Welt halten.

Der Geschmack hat sich gedreht

Nach der Chardonnay-Mode in den neunziger Jahren hat sich der Geschmack bei vielen Weinfreunden gedreht. Denn der eher grazile Riesling mit seinem feinen Süß-Säure-Spiel passt zu der modernen Crossover-Küche mit Einflüssen aus Europa und Asien, wie es sie überall auf der Welt inzwischen gibt, besser als die oft klobigen Chardonnays.

,,Und nach und nach hat es sich herumgesprochen, dass es neben den hervorragenden Rieslingen auch sehr gute deutsche Rotweine gibt'', sagt Meike Näkel. Ähnlich wie in der Gastronomie, wo regionale Produkte und Speisen immer beliebter wurden, kauften die Menschen eben auch gerne Weine aus ihrer Heimat.

Im Jahr 1991 gründeten Winzer wie Näkel das Deutsche Barrique-Forum. Damals war der Einsatz kleiner Eichenholzfässer, den Top-Erzeuger in Italien und Frankreich seit Jahrzehnten praktizierten, hierzulande noch sehr umstritten.

Beliebte Barrique-Weine

Heute sind Barrique-Weine, neben den Billigweinen beim Discounter, die zwei Drittel des Weinmarktes ausmachen, die beliebtesten deutschen Rotweine - zumindest bei Menschen, die zehn Euro oder mehr pro Flasche Wein ausgeben wollen.

Im Holzfass bekommt die Burgundertraube das Rüstzeug für ein langes Leben, gewinnt Aromen von Vanille, Zimt, Toast und Butter, die viele Weintrinker sehr schätzen. Kein Wunder, dass der Anteil des Spätburgunders immer weiter steigt, vor allem im Badischen.

Einer, dessen Weinberge im idyllischen Süden des Kaiserstuhls liegen, ist Joachim Heger. Heger probiert gerade seine jüngsten Jahrgänge, und wieder kann er hochzufrieden sein.

Auf 20 Hektar beschränkt

Seine Spätburgunder zählen zu den meistgelobten deutschen Rotweinen. Anders als mancher Kollege, der die Reben angesichts der steigenden Nachfrage auch in Lagen pflanzte, wo sie nicht hingehören, hat sich Heger bei seinen Spitzenweinen auf 20 Hektar beschränkt.

Der Winzer begründet den Boom des Spätburgunders auch mit einem gewissen Überraschungseffekt. ,,Viele konnten kaum glauben, dass deutsche Rotweine so gut sein können und dabei auch noch, verglichen mit Top-Qualitäten aus Burgund, nur die Hälfte kosten.'' Inzwischen trinken sogar Japaner deutsche Spätburgunder.

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