Audiokassetten:Die Rückkehr des Bandsalats

Warum Audiokassetten wieder angesagt sind. Trotz der Verkaufszahlen sind sie aber ganz eindeutig: Nische. Selbst im Vergleich mit Vinyl-Platten.

Von Thomas Fromm

Die Abende vor dem Radio konnten lang werden, wenn man wusste, was man wollte. Dann aber musste es schnell gehen: Aufnahmetaste, Stopptaste, zurückspulen, reinhören. Am nächsten Tag nahm man die Kassette mit in die Schule. Gestern liefen The Jam im Radio, ich hab's! Ach, es war eigentlich ganz einfach, so ein Kinderzimmer-DJ zu werden, wenn man kein Geld hatte, sich alle zwei Tage eine neue Platte zu kaufen.

Auf den Kassettenhüllen standen die Herstellernamen Maxell, BASF oder TDK, aber die wirklich wichtigen unter ihnen erkannte man daran, dass da gar nichts mehr stand, weil sie jemand bemalt oder mit sehr persönlichen Bildern beklebt hatte. Dann waren sie die Schau-mal-was-ich-extra-für-Dich-zusammengestellt-habe-Compilation von Günter oder Sabine und damit auch: ein sehr persönliches Statement.

Zur Technik ist nicht viel zu sagen, außer dass sie keine Shuffle-Funktion hatten, es nur Vor- und Rücklauf gab und man das Ding nach 45 Minuten umdrehen musste. Manchmal gab es auch Bandsalat, und dann war Günters Special-Punk-and-Ska-Mix so geschrottet wie die Frisur von Johnny Rotten.

Als die Kassette irgendwann Anfang des Jahrtausends weitgehend vom Markt verschwand, ging es ihr anfangs immer noch etwas besser als der Vinyl-Scheibe, denn im Unterschied zur Platte lebte die Kompaktkassette für's Erste noch in alten Autoradios weiter. Dann entdeckten Menschen zuerst die Schallplatte wieder. Und jetzt offenbar auch die Kassette, zumindest ein bisschen.

Das in der Branche sehr anerkannte Magazin Billboard berichtet, dass der Verkauf von Audio-Kassetten im vergangenen Jahr in den USA schwer angestiegen ist, und zwar um 74 Prozent. Allerdings sind solche Zahlen immer erklärungsbedürftig, daher muss an dieser Stelle angemerkt werden: Im Jahr davor wurden 74 000 Kassetten verkauft, zuletzt waren es dann 129 000. Ein kräftiger Anstieg zwar, aber verglichen mit dem, was sich Menschen im Internet herunterladen oder auf ihre Smartphones wischen, ja selbst verglichen mit dem wieder ziemlich hippen Geschäft mit Vinyl, ist das, ganz eindeutig: Nische.

Interessanter ist da, wie es zu diesem sonderbaren Anstieg kam. Laut Billboard waren nämlich Neuerscheinungen wie die des Teenie-Schwarms Justin Bieber die Treiber des Wachstums. Auch dass die US-Kette "Urban Outfitters" jetzt Kassetten ("UO Domino Compilation") verkauft, soll der Sache gedient haben. Womit wir bei der nächsten Frage wären: Kommt jetzt auch der Kassettenrekorder zurück? Demnächst, zur Party, gibt es dann einen Mix. Vielleicht nicht von Justin Bieber. Aber vielleicht mit Bandsalat.

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