Audi:126 000 Verdächtige

Münchner Staatsanwälte haben ihre Ermittlungen gegen Audi in der Abgasaffäre mehrmals ausgeweitet. Es geht um große Modelle mit Dieselmotoren, die auf dem Teststand viel besser abschnitten als auf der Straße.

Von Klaus Ott

Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt in der Abgasaffäre wegen insgesamt 126 000 verdächtiger Dieselautos von Audi, deren Schadstoffausstoß manipuliert worden sei. Das geht aus einer Antwort des Justizministeriums in Bayern auf eine Landtagsanfrage der Grünen hervor. Das betrifft neben 80 000 Fahrzeugen für den US-Markt auch 46 000 Autos der Ingolstädter Volkswagen-Tochter in Deutschland. Dabei handelt es sich um 24 000 Fahrzeuge der Modellreihen A7 und A8 sowie um 22 000 Porsche Cayenne, die mit Audi-Dieselmotoren ausgestattet sind.

Der Stellungnahme des Justizministeriums zufolge haben Hinweise des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) in Flensburg dazu geführt, dass im Juni und Juli 2017 die Ermittlungen erst auf die Audi A7 und A8 und dann auch noch auf die Porsche Cayenne ausgeweitet worden waren. Aufgrund der Auskünfte der Behörde bestehe der Verdacht, dass alle betroffenen Fahrzeuge "unzulässige Abschalteinrichtungen" enthielten. Mit einer solchen Software wird die Abgasreinigung so gesteuert, dass sie bei den offiziellen Messungen auf einem Prüfstand optimal funktioniert, im Straßenverkehr aber weitgehend ausgeschaltet ist. Damit, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, seien die Käufer betrogen worden. Ihnen seien schmutzige Fahrzeuge als sauber verkauft worden.

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Der A7 ist eines der Top-Modelle von Audi – in der Diesel-Variante wurden die Abgaswerte aber offenbar unzulässig geschönt.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Anders als in der Abgasaffäre sehen die bayerischen Behörden dagegen bei dem mutmaßlichen Autokartell von BMW, Daimler und Volkswagen bislang keinen Anlass für Ermittlungen. Es gebe "keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" dafür, dass Automanager sich mit "wettbewerbsbeschränkenden Absprachen" strafbar gemacht hätten, heißt es in der Landtagsantwort des Justizministeriums.

Die EU-Kommission in Brüssel dagegen geht nach Selbstanzeigen von Daimler und Volkswagen dem Verdacht illegaler Kartellabsprachen bei den großen deutschen Autoherstellern nach. Solche Untersuchungen dauern erfahrungsgemäß mehrere Jahre. Von den betroffenen Konzernen ist in Bayern neben der VW-Tochter Audi auch BMW ansässig.

Ludwig Hartmann, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Münchner Landtag, wirft den bayerischen Behörden Untätigkeit beim Kartellverdacht zu. Während die EU-Kommission sich des Falls annehme, würden die Behörden im Freistaat "gemütlich zuschauen". Auch in der Abgasaffäre hätten bayerische Staatsanwälte die Aufklärung lange Zeit "nicht gerade mit Feuereifer betrieben". Hartmann verweist auf den Umstand, dass die Staatsanwaltschaft München II erst eineinhalb Jahre nach Beginn der Affäre ein Verfahren eingeleitet habe - nachdem US-Ermittler "erdrückende Beweise" für Verstöße vorgelegt hätten. Man müsse sich deshalb fragen, so der Fraktionschef der Grünen, "ob die bayerische Justiz ohne die US-Ermittlungen überhaupt tätig geworden wäre".

Brandgefahr

Audi muss in Deutschland 330 000 Autos wegen Brandgefahr in die Werkstatt zurückrufen. Bei den Fahrzeugen der Modellreihen A4, A5 und Q5 aus den Jahren 2011 bis 2015 könne der Zusatzheizer überhitzen und ein Schmorbrand entstehen, sagte ein Audi-Sprecher. Schon im Oktober hatte Audi in den USA 250 000 Autos mit dem gleichen Problem zurückgerufen. dpa

Laut der Antwort von Justizminister Winfried Bausback (CSU) auf Hartmanns Anfrage habe es zuvor aber keinen Anlass für eigene Ermittlungen gegeben. Demnach hatte die Audi AG zwar bereits im September 2015 bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt selbst Strafanzeige in der Abgasaffäre gestellt. Diese hatte allerdings nur aus vier Sätzen bestanden. Anschließend habe es bei Kontakten mit Audi, dem KBA und den US-Behörden aber keine "belastbaren Erkenntnisse" über mögliche Straftaten gegeben. Vor allem habe nicht ausreichend geklärt werden können, ob bei den von Audi hergestellten Dieselmotoren tatsächlich illegale Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung eingebaut wurden.

Das Justizministerium verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die von VW mit internen Untersuchungen auch bei Audi beauftragte Anwaltskanzlei Jones Day der Staatsanwaltschaft München II mehrmals mündlich über den Stand der Dinge berichtet habe. Dabei seien aber "keinerlei schriftliche oder elektronische Unterlagen" übergeben worden.

Der Verdacht gegen Audi hat sich Minister Bausback zufolge erst erhärtet, als die US-Behörden Anfang 2017 entsprechende Dokumente veröffentlichten, die 80 000 Audi-Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten betrafen. Daraufhin habe die Staatsanwaltschaft München II am 1. März 2017 ein Verfahren wegen Betrugsverdacht in einem besonders schweren Fall eingeleitet und am 14. März die Audi-Zentrale in Ingolstadt durchsucht - just am Tag der Jahrespressekonferenz von Audi-Chef Rupert Stadler. Dieser Umstand sei der Staatsanwaltschaft allerdings erst am Vortag bekannt geworden, schreibt Justizminister Bausback. Aus ermittlungstaktischen und organisatorischen Gründen sei der Durchsuchungstermin dann aber nicht mehr verschoben worden.

Bausback wurde nach eigenen Angaben bislang zwölfmal schriftlich sowie regelmäßig mündlich über den Stand der Ermittlungen unterrichtet. Diese Informationen habe er innerhalb der bayerischen Regierung aber nicht an andere Minister weitergeleitet. Der Justizminister teilte dem Landtag zudem mit, er habe den Staatsanwälten in Zusammenhang mit ihren Audi-Ermittlungen "keine Weisung erteilt".

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