Audi-Chef Stadler:Spätzünder aus Ingolstadt

Audi-Chef Stadler: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen", sagt Rupert Stadler jetzt gerne. Aber kann das sein - ein Chef, der keinen Einblick hat?

"Ich habe mir nichts vorzuwerfen", sagt Rupert Stadler jetzt gerne. Aber kann das sein - ein Chef, der keinen Einblick hat?

(Foto: Christof Stache/AFP)
  • Audi-Chef Rupert Stadler steht in der Abgas-Affäre unter Druck.
  • Die Konzernmutter VW fordert Ergebnisse der internen Prüfungen ein, die Bundesregierung will wissen, wie es um die Diesel-Motoren aus Ingolstadt steht und die Justiz interessiert sich dafür, wann Stadler über alles Bescheid wusste.
  • Am Montag tagt nun der VW-Aufsichtsrat - und auch dabei dürften Audi und sein Chef ein wichtiges Thema sein.

Von Markus Balser, Thomas Fromm und Klaus Ott

Ende vergangener Woche überraschte Audi mit einer Pressemitteilung, die irgendwie ganz anders war als die sonst übliche Marketing-Lyrik über tolle neue Autos. Es ging um die Abgasaffäre. Genauer: um ihre Aufarbeitung.

Das Prüf- und Messprogramm bei eventuell manipulierten Dieselmotoren gehe "in die entscheidende Phase", verkündete die Ingolstädter VW-Tochter. Audi arbeite "mit Hochdruck" daran, alle Untersuchungen abzuschließen und die Ergebnisse voraussichtlich im Juli dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) vorzulegen. So mitteilsam war die Marke mit den vier Ringen in der Abgasaffäre eher selten. Bislang hatte es Audi-Chef Rupert Stadler vorgezogen, zu schweigen oder höchstens mal ein paar dürre Standardphrasen herauszulassen.

Mit seinem neuen Mitteilungsbedürfnis ist Audi also eine Art Spätzünder, was aber leicht zu erklären ist: Stadler ist mächtig unter Beschuss, und das von gleich drei Seiten: Im eigenen Konzern, aus der Bundesregierung - und zusätzlich steigt auch noch der Druck der Ermittlungsbehörden.

Bei VW hat der neue Konzernchef Herbert Diess nach Angaben aus Unternehmenskreisen eine klare Ansage gemacht: Alle offenen Fragen bei der Abgasaffäre müssten so schnell wie möglich geklärt werden. Diess habe eine "Generalüberprüfung" angeordnet, die für alle Fahrzeuge und alle Marken gelte, deren Motoren ein sogenanntes Defeat Device enthalten könnten. Das ist jene Software, die dazu dient, die Abgasreinigung zu steuern oder gar zu manipulieren.

Der Audi-Chef ist in Bedrängnis

Der Auftrag von Diess, alles auf den Tisch zu legen, kommt Konzernkreisen zufolge einem Ultimatum gleich. Es gebe "keine Entschuldigung mehr", wenn demnächst noch jemand mit Themen komme, die bereits geklärt sein müssten. Jetzt oder nie, lautet die Vorgabe des Vorstandschefs. Und sie betrifft jene Sondereinheiten im Konzern, task force genannt, die mutmaßlich manipulierte Motoren finden sollen. Eine solche task force gibt es bei der Mutter VW, aber auch bei Töchtern wie Audi. Der Auftrag von Diess, mit den Untersuchungen endlich zum Ende zu kommen, ist also keine Lex Stadler.

Aber den Audi-Chef bringt das besonders in Bedrängnis. Beobachter sagen seit Monaten: In Zeiten, in denen nicht wenige hochrangige Audi-Manager vom Dieselskandal weggefegt wurden, hält sich der Chef selbst bemerkenswert gut an der Spitze. Und in Zeiten, in denen ein Riesenkonzern einen Riesenbetrug bei Abgasmessungen aufklären muss, gehen die Dinge in Ingolstadt bemerkenswert langsam voran.

Vor einer Woche dann durchsuchte die Staatsanwaltschaft München II Stadlers Privatgemächer. Die Ermittler verdächtigen jetzt auch Stadler, in die Abgasaffäre verwickelt zu sein. Demnach könnte der Audi-Chef schon vor zweieinhalb Jahren Hinweise auf Diesel-Fahrzeuge mit manipulierter Abgasreinigung bekommen, es aber bewusst in Kauf genommen haben, dass solche Modelle weiterhin hergestellt und in Europa verkauft worden seien. Das wäre dann Kundenbetrug gewesen. Die Ermittler haben bei früheren Razzien eine Mail mit solchen Hinweisen gefunden, die von Ende 2015 stammt und auch an Stadler ging. Das fehlende Puzzle-Teil in einem komplizierten Gesamtwerk?

Die VW-Aufsichtsräte werden wohl einige Nachfragen haben

Wenn an diesem Montagnachmittag der Aufsichtsrat von Volkswagen zusammenkommt, dann werden die Kontrolleure es wohl etwas genauer wissen wollen: Was werfen die Ermittler dem Audi-Chef vor? Wie belastbar ist das alles? Dass Stadler wegen der Vorwürfe an diesem Montag abgelöst werden könnte, galt in Aufsichtsratskreisen am Wochenende als ziemlich unwahrscheinlich. Dass über ihn gesprochen wird, dagegen als ziemlich sicher.

Dazu kommt: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU ist inzwischen ungehalten über das Tempo, mit dem Audi prüft, welche Autos betroffen sein könnten. Sein Ministerium bestätigte am Sonntag, dass das Kraftfahrtbundesamt (KBA) neue Modelle des A8 unter die Lupe nimmt. Das KBA überprüfe fortlaufend Fahrzeuge, teilte das Ministerium mit - dies treffe auch auf den A8 zu. Zu bisherigen Ergebnissen wollte sich das Ministerium aber nicht äußern. Vor Abschluss der Prüfungen sei dies nicht möglich, da es sich um "laufende Verwaltungsverfahren" handele. Zuletzt hatte es - im Gegensatz zu Daimler - aus dem Ministerium noch Lob für die kooperative Zusammenarbeit mit Audi gegeben, hieß es aus Regierungskreisen. Bei einem Treffen mit Verkehrsminister Scheuer habe Stadler zuletzt Lösungen der Abgasprobleme in Aussicht gestellt.

Sollten nun allerdings neue Abschalteinrichtungen gefunden werden, könne das mühsam aufgebaute Vertrauen wieder dahin sein, hieß es in den Kreisen. Ein Insider sagt: Sollten die Prüfer beim neuen A8 fündig werden und eine Abschalteinrichtung entdecken, dann habe Stadler "ein großes Problem".

Mitte Juli will Audi seine Prüfergebnisse den Behörden vorlegen

Beim KBA erwartet man daher mit Spannung die jüngsten internen Audi-Tests der neuen Sechszylinder-Dieselmotoren. Für Mitte Juli sind die Abschlussgespräche angesetzt, dann will der Autobauer seine Ergebnisse beim KBA präsentieren. In der Politik ist man der Meinung, dass es auch allerhöchste Zeit wurde. Denn als VW-Chef Diess Mitte Mai zum Antrittsbesuch bei Scheuer vorbeischaute, machte der Verkehrsminister nicht nur keinen Hehl daraus, dass ihm die Aufklärung der Abgasaffäre bei den VW-Töchtern zu langsam gehe. Sondern: Das gelte, gab Scheuer dem Besucher Diess zu verstehen, insbesondere auch für Audi. Zu diesem Zeitpunkt soll VW-Chef Diess die interne "Generalüberprüfung" bereits angeordnet haben.

Die Ermittlungen und technischen Überprüfungen sind gefährlich. Noch gefährlicher für den Audi-Chef aber dürfte zurzeit der Unmut im eigenen Konzern sein.

Diess ist erkennbar genervt, dass die Untersuchungen so lange dauern. Der Automanager hat es gerne schnell, nicht erst seit seiner Zeit bei BMW in München, von wo er Mitte 2015 zu Volkswagen nach Wolfsburg kam. "Diess möchte Klarheit haben", heißt es bei VW. Die könnte es in den nächsten Wochen geben.

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