Süddeutsche Zeitung

Abgasskandal:Audi soll sich Auto-Zulassungen erschlichen haben

  • Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen Audi, weil das Unternehmen in Südkorea jahrelang Fahrgestellnummern und Testprotokolle gefälscht haben soll.
  • Audi hatte zu dem Fall bereits interne Ermittlungen laufen, diese jedoch nach Aufkommen des Abgasskandals nicht an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Erst bei einer Razzia bei Audi im März 2017 wurden die Unterlagen entdeckt.
  • Audi teilte auf Anfrage mit, die interne Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen gewesen.

Von Klaus Ott

Seinen Job ist Rupert Stadler los. Sein Vertrag als Vorstandschef der Audi AG, die als Keimzelle der Abgasaffäre im Volkswagen-Konzern gilt, wurde jetzt aufgelöst. Drei Jahre nach Beginn des Skandals. Doch vieles von dem, was in Stadlers Amtszeit nicht in Ordnung war, ist noch lange nicht aufgeklärt. Das zeigt ein besonders drastischer Fall, der Südkorea betrifft.

Um die dortigen Behörden zu täuschen, hat Audi jahrelang Fahrgestellnummern und Testprotokolle gefälscht. Man habe spezielle Vorschriften nicht abdecken, sprich nicht einhalten können, heißt es in einem Prüfbericht der eigenen Revisionsabteilung. Audi hat sich also in Südkorea mit falschen Angaben die Zulassung von Autotypen erschlichen, die sonst keine Betriebserlaubnis erhalten hätten. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt, ebenso wie in der Abgasaffäre, nun auch in diesem Fall wegen Betrugsverdacht.

Das richtet sich gegen drei Audi-Beschäftigte; darunter sind keine heutigen oder früheren Vorstandsmitglieder. Die Dokumente, die zu diesem Verfahren führten, waren den Strafverfolgern bei einer Razzia wegen der Abgasaffäre im März 2017 in der Ingolstädter Audi-Zentrale in die Hände gefallen. Von sich aus hatte die VW-Tochter die Ermittler nicht eingeschaltet. "Audi hat die Staatsanwaltschaft nicht informiert", teilte die Behörde auf Anfrage mit. Man habe von den Vorgängen erst durch Unterlagen erfahren, die bei der Abgas-Razzia sichergestellt worden seien, so die Staatsanwaltschaft.

Die Prüfergebnisse der Audi-Revision, also der internen Kontrollabteilung, zu Südkorea waren zum Zeitpunkt der Abgas-Razzia Mitte März 2017 bereits acht Monate alt gewesen. Mit Datum vom 14. Juli 2016 hatte die Revision die Verstöße aufgelistet und im Detail beschrieben; in einem Prüfbericht mit der Nummer 368. Anlass war eine Sonderprüfung zur Zulassung von Fahrzeugen im Markt Korea gewesen. Auf dem Verteiler des Berichts stand an erster Stelle Vorstandschef Stadler, gefolgt von weiteren Managern.

Als erste Hinweise aufkamen, war bei Audi von einer chinesischen Bande die Rede

Die Prüfergebnisse besagten, dass Mitarbeiter in den Werken Ingolstadt und Neckarsulm seit 2013 Testprotokolle für die Zulassung von Fahrzeugen in Südkorea "gezielt manipuliert" hatten. Das betraf Messergebnisse des Schadstoffausstoßes und des Kraftstoffverbrauchs. Testdaten und Kilometerzahlen der betreffenden Autos seien manipuliert worden, um vorzutäuschen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten würden. Um zu verhindern, dass dies nachvollziehbar sei, seien Fahrgestellnummern gefälscht worden. In 18 Fällen sei eine falsche Fahrgestellnummer ins Testprotokoll eingetragen worden. Die manipulierten Unterlagen seien an den Verkauf in Südkorea geschickt worden, zur Vorlage bei den dortigen Behörden. Das besagt der Prüfbericht der Revisionsabteilung bei Audi vom Juli 2016.

Warum aber wurde die Staatsanwaltschaft München II, die zu diesem Zeitpunkt bereits ein Prüfverfahren wegen der Abgasaffäre eingeleitet hatte, nicht über diese Manipulationen unterrichtet? Hoffte der Audi-Vorstand, dass dies unentdeckt bleiben würde? Audi teilte auf Anfrage mit, die interne Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Der Sonderprüfbericht der Audi-Revision vom Juli 2016 war aber bereits sehr konkret gewesen. Darin war von personellen Verfehlungen die Rede, die betreffenden Mitarbeiter wurden genannt. Als die staatlichen Ermittler später die Revisionsberichte auswerteten, stießen sie auf weitere eindeutige Notizen. Gesetzliche Vorgaben seien bewusst umgangen worden, hatten Audi-Revisoren aufgeschrieben. Und klar ist: Verstöße in Deutschland sind ein Fall für deutsche Behörden. Auch wenn das Fahrzeuge betrifft, die im Ausland verkauft werden.

Unternehmen sind zwar nicht verpflichtet, derartige Verstöße selbst bei einer Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Allerdings hatten Stadler (der wegen der Abgasaffäre in Untersuchungshaft sitzt, aber alle Vorwürfe zurückweist) und der Audi-Vorstand nach Beginn der Abgasaffäre den Eindruck erweckt, man werde nun aufräumen. Audi dulde keine Gesetzesverstöße, versprach die VW-Tochter im Geschäftsbericht 2016. "Das Vertrauen unserer Kunden, Aktionäre, Partner, Mitarbeiter und der gesamten Öffentlichkeit ist unser wichtigstes Gut. Wir werden alles dafür tun, dieses Vertrauen bestmöglich zu stärken."

Das Leitbild vom ehrbaren Kaufmann

In den seit 2016 veröffentlichten Geschäftsberichten hat Audi die Manipulationen bei Fahrzeugen für Südkorea allerdings verschwiegen und die dadurch entstandenen Probleme nur sehr schwammig beschrieben. Auch in Südkorea habe es Verstöße bei der Abgasreinigung und zudem "zulassungsbedingte Verkaufsbeschränkungen" gegeben. Es seien Rückrufe angeordnet worden. Nun treibe man den Wiedereinstieg in den koreanischen Markt voran. Unterdessen verkündete der Vorstand das "Leitbild vom ehrbaren Kaufmann als Grundlage für unsere unternehmerischen Aktivitäten".

Audi erklärte auf Anfrage, die Erkenntnisse aus den Revisionsberichten seien "mit den koreanischen Zulassungs- und Strafverfolgungsbehörden konsequent von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Volkswagen und Audi" abgearbeitet worden. Gerichtsverfahren und Verurteilungen in Südkorea wie auch personelle Maßnahmen seien die Folge gewesen. "Der lokale Dienstleister, der für die Marken des Konzerns in Korea tätig war, wurde ausgetauscht." Darüber hätten koreanische und deutsche Medien immer wieder berichtet, teilte Audi mit.

In diesen Presseberichten war aber in der Regel von Verstößen bei Volkswagen und im Konzern die Rede. Südkorea habe den Verkauf von 80 Modellen aus dem Hause VW untersagt. Ein hochrangiger Volkswagen-Manager in Südkorea sei zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden; VW müsse ein Bußgeld in Millionenhöhe zahlen. Die Rolle von Audi blieb weitgehend im Dunkeln. Selbst dann, als das Handelsblatt Hinweise auf merkwürdige Vorgänge bei Fahrgestellnummern von Autos für den asiatischen Markt erhielt und deshalb bei Audi anfragte. Audi antwortete, eine chinesische Bande habe betrügen wollen, was aber aufgeflogen sei. Das sei ein "undurchsichtiger Fall", schrieb das Handelsblatt im Februar 2018.

Die chinesische Bande soll es tatsächlich gegeben haben. Es gab allerdings auch die Manipulationen und gefälschten Fahrgestellnummern bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm. Darüber hat Audi bislang lieber geschwiegen.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2018/eca
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