Audi:Eine neue Strategie soll Verkrustungen aufbrechen

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Noch mal schnell rüberpuscheln: Bislang hat Audi nur ein Elektro-Modell im Angebot, den sogenannten E-Tron, einen teuren SUV mit Batterieantrieb. (Foto: Carsten Koall/Getty)
  • Audi-Chef Bram Schot will den Dieselskandal hinter sich lassen und hat als neue Strategie ausgegeben: "Konsequent elektrisch".
  • Das Problem: Das Geld verdient Audi mit der "alten Welt", mit Verbrennerautos und zugleich gibt es Überkapazitäten.
  • Die Arbeitnehmer begrüßen den Plan dennoch und verhandeln am Freitag, in welchen Werken E-Autos gebaut werden sollen.

Von Max Hägler, Hockenheim/München

Der vergangene Sonntag, beim Finale der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft, kurz DTM, war mal ein guter Tag für Audi. Es regnete zwar ununterbrochen in Hockenheim, manche der röhrenden Wagen flogen aus der Bahn, aber am Ende gab es dann Pokale: Audi war meist auf Platz eins.

Alles schien recht angenehm. Und doch stapfte Audi-Chef Bram Schot angetan mit einer Regenjacke stundenlang mit Stirnrunzeln durch die Boxengasse. Passt das hier noch in die Zeit?, diskutierte er mit Kollegen. Lohnt das noch, schließlich kosten diese Rennen 25 Millionen Euro pro Jahr? Oder sollte man nicht eher das Engagement für die leise und familienfreundliche Elektroserie Formel E stärken? Tatsächlich zeigte das Rennen am Hockenheim-Ring deutlich, in welchen Widersprüchen die Autoindustrie steckt. Denn nichts ist mehr wie früher. Angefangen bei den Fans: Weit mehr als die Hälfte der 120 000 Sitzplätze auf den Tribünen waren leer. Zugleich drängen Politik und Aktivisten die Firmen in die E-Mobilität. Derweil geht der Autoabsatz zurück, während die Technik teurer wird - weshalb sparen angesagt ist. Alle - ob Mercedes, Audi oder BMW - suchen nach Antworten auf die Fragen: Was soll man bauen und wie kann man Geld verdienen? Bei Audi scheint man eigentlich eine Antwort gefunden zu haben: "Unleash the Beauty of Sustainable Mobility" - entfessele die Schönheit nachhaltiger Mobilität. So lautet die große Vision, die Schot und seine Kollegen, darunter Entwicklungsleiter Hans-Joachim Rothenpieler und Vertriebschefin Hildegard Wortmann, jüngst erst intern den Topmanagern präsentierten. "Sexy" und überraschend soll Audi außerdem sein. "Wir müssen uns künftig immer fragen: Ist das Projekt, das Produkt in der Lage, Gänsehaut auszulösen?", sagt der Audi-Chef. "Das hat auch Auswirkungen auf unser Sport-Engagement: Wie präsentieren wir uns künftig auf den Rennstrecken?"

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Schot ist im vergangenen Jahr eher zufällig an die Macht gekommen: Sein Vorgänger Rupert Stadler musste wegen mutmaßlicher Verstrickungen in den Dieselskandal in Untersuchungshaft - der 58-jährige Niederländer übernahm und bekam von der Konzernmutter Volkswagen den Auftrag: Bring Ingolstadt raus aus der Lethargie! Löse die Verkrustungen!

Schon seit sechs, sieben Jahren ist das Audi-Image im Niedergang, sagen sie dort selbst. Dann kam der Dieselskandal, der durch eine Mischung aus Hybris und Duckmäusertum bei manchen Mitarbeitern befördert wurde. Seitdem auch noch das Prestigeprojekt "Autobahnassistent" gescheitert ist, etliche Wagen wegen Zulassungsproblemen auf dem Hof bleiben mussten und Modelle wie der A7 zu spät anliefen, ist das Vertrauen in das alte Motto "Vorsprung durch Technik" endgültig dahin. Die Herangehensweise des Betriebswirts Schot: Widersprechen und alles in Frage stellen, nicht nur auf dem Hockenheimring. Viel negativen Gegenwind bekam er deshalb von Topmanagern. Sie ärgern sich über seine unkonventionelle Art, wie er unter Umgehung der Hierarchien mit normalen Mitarbeitern redet. Übelmeinende betonen dabei gern, dass Schot nur ein Mann des Übergangs sei. Und doch scheint er sich langsam durchzusetzen. Das hört man aus der Firma, das sagt er selbst: "Ich erlebe nun endlich mehr konstruktiven Widerspruch, das brauchen wir hier auch: Eine Speak-Up-Kultur!" Die Strategie ("Konsequent Audi") bietet einigen Anlass zum Diskutieren, denn viele Projekte stehen vor dem Aus. Es gilt: weniger tun, aber das richtig. So könnte sich Audi etwa aus Regionen zurückziehen, etwa aus Indien, wo trotz hohen Aufwands nur ein paar tausend Wagen verkauft werden. Das wäre das Ende des globalen Konzerns, klagen manche. Der Chef hält dagegen: Es geht ums Geldverdienen. Auf elf Initiativen hat Schot sich mit den Kollegen verständigt: In China wollen sie wegkommen vom Image des Parteifunktionärs-Wagens und Autos teurer verkaufen. Der Vertrieb in Amerika soll gestärkt werden. Der Autobahnpilot soll endlich zum Laufen gebracht werden. Wobei man sich der Entscheidung des VW-Konzerns gefügt hat, dass die ganz ausgefuchsten Roboterfunktionen nicht mehr unter Audi-Hoheit entwickelt werden: "Wir schaffen nicht alles, wir können nicht auf allen Hochzeiten tanzen", sagt Schot. So etwas hörten die stolzen Audianer bislang so selten wie diese Bekenntnis: "Der Konzern und die Schwestermarken sind nicht mehr der Feind von nebenan, im Gegenteil", sagt Schot. Die Abkehr vom möglichst ganz eigenen Weg hat auch damit zu tun, dass VW die Marge rettet. Trotz Krise liegt sie bei ordentlichen acht Prozent; die gemeinsamen Plattformen machen sich bezahlt. Bei den E-Autos soll das zunehmen: Die großen will Audi mit Porsche bauen, die kleineren mit der Marke VW. Von "konsequent elektrisch" und "konsequent vernetzt" reden sie in Ingolstadt nun, in Wolfsburg klingt das so ähnlich. Doch die dritte Maßgabe - "konsequent profitabel" - führt eben zu Stirnrunzeln bei Schot und zur Frage: DTM oder Formel E? "Wir gehen sehr schnell auf Elektromobilität", sagt er, aber man müsse auch sehen, wie sich der Weg dahin finanzieren lässt. "Machen wir uns nichts vor, die vermeintlich alte Welt wird weiter nachgefragt von den Kunden und dort verdienen wir das Geld, das wir brauchen, um Beschäftigung zu sichern." Schon jetzt sind die Werke nicht ausgelastet; 25 Prozent zu viel Fabrikkapazität hat Schot ausgemacht. Wenn das mit der Gänsehaut bei den neuen E-Autos nicht aufgeht und die Verkäufe stagnieren, soll Personal abgebaut werden, sozial verträglich zwar, aber eben doch merkbar: Von zwei Prozent der Stellen pro Jahr wird geredet, etwa indem Posten nicht nachbesetzt werden. "Grundsätzlich stehen wir als Arbeitnehmervertreter der neuen Strategie aufgeschlossen gegenüber", sagt Betriebsratschef Peter Mosch. "Das Konzept ist klar in seiner Ausrichtung, realistisch und realisierbar." Aber es gebe doch unterschiedliche Ansichten, etwa wo wie viele der neuen E-Modelle gefertigt werden sollen. An diesem Freitag verhandeln Vorstand und Betriebsrat dazu. Es wird wieder einmal ein richtig schwieriger Tag für Audi.

Audi-Chef Bram Schot (Foto: AFP)
© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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