Süddeutsche Zeitung

Atomstreit:Öl-Konzern tritt Rückzug aus Iran an

Der größte Öl-Händler der Welt, Vitol, liefert nicht länger an das Regime in Teheran. Ganz freiwillig geschieht das allerdings nicht.

P.-A. Krüger

Die größte private Öl-Handelsfirma der Welt zieht sich aus dem Geschäft mit Iran zurück und liefert dem Land künftig kein Benzin mehr. Eine Sprecherin der Vitol Group mit Sitz in Genf und Rotterdam sagte der Süddeutschen Zeitung: "Seit Beginn des Jahres haben wir bewusst entschieden, uns nicht mehr an Ausschreibungen von Treibstoffimporten nach Iran zu beteiligen."

Sie bestätigte damit einen Bericht der Financial Times, laut dem auch der Konkurrent Trafigura aus Luzern in der Schweiz seine Geschäftsverbindung zu Iran beendet. Die Unternehmensgruppe Glencore aus dem Schweizer Baar hatte bereits im vergangenen Jahr den Rückzug angetreten, wollte dazu aber nicht Stellung beziehen. Damit haben drei der wichtigsten Benzinhändler aufgehört, Iran zu beliefern.

Iran importiert 40 Prozent seines Treibstoffbedarfs

Branchenkenner führten als Grund Bestrebungen des US-Kongresses an, angesichts des Atomstreits mit Iran Firmen zu bestrafen, die dem Land raffinierte, also weiterverarbeitete Erdölprodukte liefern. Iran ist zwar einer der größten Rohölproduzenten der Welt, es mangelt aber an Raffineriekapazitäten.

Daher muss Iran 40 Prozent seines Treibstoffbedarfs einführen. Sowohl der Senat als auch das Repräsentantenhaus haben ein entsprechendes Gesetz bereits beschlossen, beide Versionen müssen noch in Einklang gebracht werden.

Washington könnte demnach Firmen bei Verstößen nicht nur von Regierungsaufträgen ausschließen, sondern ihnen auch den Zugang zu den US-Finanzmärkten verwehren. Bei Glencore etwa dürfte der angestrebte Börsengang maßgeblich Einfluss auf die Entscheidung gehabt haben. Treibstoffengpässe hatten in Iran schon im Jahr 2007 zu spontanen Protesten gegen die Regierung geführt.

Treibstoffboykott trifft auf Ablehnung

Daher gilt der Benzin-Import als verwundbare Stelle des Regimes und Beschränkungen als wirksames Mittel, die Regierung in Teheran zu destabilisieren. Als Teil möglicher neuer UN-Sanktionen wird ein Export-Verbot nach Iran allerdings nicht mehr diskutiert. Russland lehnt Strafen ab, die direkt die Bevölkerung treffen, auch europäische Länder hatten sich gegen einen Treibstoffboykott gewendet.

Nach Schätzungen aus der Branche lieferten Vitol, Trafigura und Glencore Iran etwa die Hälfte seines Benzinbedarfs; irankritische Organisationen in den USA schätzten allein den Anteil von Vitol und Trafigura sogar auf 80 Prozent. Laut dem Fachblatt International Oil Daily bezog Teheran bisher seine gesamten Importe von wenigen Konzernen.

Neben den genannten seien dies vor allem die französische Firma Total, der britische Konzern BP sowie Reliance Industries aus Indien. Allerdings haben 2009 chinesische Firmen ihren Marktanteil in Iran ausgebaut und die Ausfälle ersetzt - unter ihnen die staatliche China National Petroleum Corporation sowie der Anbieter Zhen Hua Oil, der ebenfalls in Staatsbesitz ist.

China und Russland profitieren

Auch kleinere Handelsfirmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten springen mit zusätzlichen Lieferungen ein, sodass unklar ist, ob der Rückzug zu akuten Treibstoff-Engpässen in Iran führt. Für die Firmen, die nun auf die bevorstehenden US-Sanktionen reagieren, ist das Iran-Geschäft "marginal im Vergleich mit unseren anderen Aktivitäten", wie ein Mitarbeiter eines der Unternehmen sagte.

Daher wiegt für sie das Risiko in den USA schwerer als die teils über Jahrzehnte aufgebauten Geschäftsbeziehungen nach Iran. Mit ähnlichen Gesetzen hatten die USA schon europäische Großbanken dazu bewegt, aus dem Iran-Geschäft auszusteigen. Dies hatte Kritik hervorgerufen, Washington versuche, seine Gesetze auch außerhalb ihres Geltungsbereichs durchzusetzen.

Kritik an dem nun geplanten Rechtsakt entzündet sich vor allem daran, dass das Außenministerium auf Ausnahmeregeln für Firmen aus solchen Ländern dringt, die Bemühungen der USA unterstützen, dem iranischen Atomprogramm Einhalt zu gebieten. Davon könnten auch China und Russland profitieren, die ihre Geschäfte mit Iran sogar ausbauen.

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SZ vom 09.03.2010/jcb/mel
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