Am Gelde hängt, das weiß auch Brüssel, doch alles - auch im Klimaschutz. Soll Europa wirklich zum ersten klimaneutralen Kontinent werden, müssen sich auch Finanzströme ändern, weg aus fossilen, hin zu sauberen Energien. "Dem Finanzsystem kommt dabei eine Schlüsselrolle zu", schrieb die EU-Kommission vor drei Jahren in den entsprechenden Aktionsplan. Fragt sich nur, was eigentlich saubere Energien sind.
Der Streit darüber flammt gerade auf. Europa arbeitet an den Details einer "grünen Taxonomie", einer Art Standard für nachhaltige Investments. Wer künftig Geld investieren will, in welche Projekte auch immer, soll auf einen Blick erkennen können, ob damit dem Klimaschutz gedient ist. Die Kommission werkelt dazu gerade an sogenannten "delegierten Rechtsakten", die ihr Spielraum bei der Festlegung der Details lassen. Und das macht nun diverse Mitgliedstaaten nervös.
Vorige Woche etwa wandten sich fünf Umweltminister an die EU-Kommission, aus Österreich, Spanien, Irland, Luxemburg und Dänemark. "Die Taxonomie sollte keine neuen Investitionen in fossile Infrastrukturen anreizen", warnten die Fünf darin. Konkret geht es ihnen um die Grenze, ab der etwa Investitionen in Gaskraftwerke als "nachhaltig" qualifiziert werden. Vorschläge aus einigen Mitgliedstaaten, die Grenzen hochzusetzen, erfüllten sie mit "tiefster" Sorge.
Tatsächlich gibt es eine Reihe vor allem osteuropäischer Staaten, die für Erdgas ein grünes Label im Rahmen der Taxonomie wollen - schon als Alternative zur Kohle. Wieder andere Staaten, allen voran Frankreich, halten Atomenergie für besonders nachhaltig - schließlich stößt sie kaum klimaschädliches Kohlendioxid aus. Eines eint beide Fraktionen: Sie wollen eine möglichst weitreichende Auslegung des Begriffs "nachhaltiges Investment". Schließlich könnte das künftig auch Finanzierungsbedingungen beeinflussen. Es drohe der kleinste gemeinsame Nenner, warnt der Grünen-Finanzpolitiker Sven Giegold. "Für eine nachhaltige Finanzwirtschaft wäre das die schlechtestmögliche Zukunft."
Die EU prüft gerade, ob Kernkraft unschädlich ist
Deutschland steckt, wie so oft, mittendrin. Auch die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) war gefragt worden, ob sie den Brief der Minister mit unterschreiben will. Sie ließ es bleiben. Die Bewertung der Vorschläge sei innerhalb der Regierung noch nicht abgeschlossen, heißt es aus ihrem Ministerium. Dem habe man nicht vorgreifen wollen. Just voriges Wochenende schaltete sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach SZ-Informationen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire zusammen. Dabei ging es ebenfalls um Gas und Atomkraft: Passt es zum EU-Klimaplan Green Deal , hierfür öffentliche Mittel auszugeben?
In einem Papier, hinter dem auch Deutschland und Frankreich stehen, finden sich nun auch Gaskraftwerke wieder - selbst wenn sie nicht mit Biogas oder grünem Wasserstoff betrieben werden. Im Gegenzug müsste Wasserstoff, auf den sich viele Hoffnungen im Klimaschutz stützen, nicht mehr zwingend aus erneuerbaren Energien erzeugt werden - auch Kernkraft käme infrage, ganz im Sinne Frankreichs.
Für die EU geht es um viel. Die Taxonomie gilt als weltweit erster Ansatz, um Investoren klare Hinweise zu geben, was ist und was nicht. Auch deshalb prüft nun der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission, ob Kernkraft wirklich als unschädlich klassifiziert werden kann, schon mit Blick auf den Atommüll. Nicht politischer Einfluss, sondern das Expertenurteil soll entscheiden.
Doch angesichts politischer Interventionen wächst die Angst, dieser Ansatz könnte scheitern. Sollten etwa Investitionen in Erdgas und Atom am Ende als nachhaltig gelten, sieht Luxemburgs Energieminister Claude Turmes schwarz. "Dann ist die ganze Glaubwürdigkeit der Taxonomie futsch."