Atomenergie:Die abrupte Genesung von RWE

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Teure Altlasten: das RWE-Kernkraftwerk Biblis in Hessen. (Foto: Boris Roessler/dpa)
  • Lange galt RWE als kranker Mann der Branche - nun will der Stromkonzern plötzlich auf einen Schlag Milliarden in den Atomfonds überweisen.
  • Das Geld stammt aus dem Verkauf der Tochter Dea und dem Innogy-Börsengang.
  • Langfristig will RWE auch von der Abschaltung der Kernreaktoren profitieren.

Von Michael Bauchmüller

Die Krokodilstränen sind noch kein Jahr alt. "Wir wissen, dass wir mit der heutigen Entscheidung viele Aktionäre enttäuschen", sagte Peter Terium vorigen Februar bei der Vorlage der RWE-Zahlen. "Sie ist jedoch notwendig, um unser Unternehmen zu stärken." Terium war seinerzeit noch RWE-Chef, die Nachricht verfehlte ihre Wirkung nicht: Erstmals seit 60 Jahren verzichtete der Essener Konzern auf eine Dividende. In nordrhein-westfälischen Kommunen, die RWE-Anteile hielten, schrillten die Alarmglocken; die Politik merkte auf. Schließlich hatte der Konzern auch auf "aktuelle politische Risiken" verwiesen.

Zu den Risiken zählte seinerzeit eine Regierungskommission, sie sollte die Finanzfragen des Atomausstiegs regeln. Im Februar waren ihre Beratungen in die heiße Phase gegangen, es ging nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie: Zu welchem Preis würden sich die Atomkraft-Betreiber von ihrer nuklearen Altlast freikaufen können? Wie viel Milliarden konnte man ihnen abknöpfen, ohne sie damit endgültig in die Knie zu zwingen? RWE galt schon seinerzeit als der kranke Mann unter den vier Atomkonzernen. Die Nachricht von der Null-Dividende kam da genau zur richtigen Zeit.

Und jetzt das: Überraschenderweise hat RWE plötzlich doch Geld. Auf einen Schlag will der Konzern nun seine Atom-Schulden begleichen. "Das ist ein befreiendes Gefühl", sagte der neue RWE-Chef Rolf-Martin Schmitz am Montag der Tageszeitung Die Welt. "Es herrscht bei uns wieder Aufbruchstimmung."

RWE verzichtet sogar auf die Ratenzahlung

Wieder ist der Zeitpunkt gut gewählt. In der letzten Sitzungswoche des alten Jahres hatten Bundestag und Bundesrat das Gesetz über die Nuklearhaftung verabschiedet. Ein bundeseigener Fonds soll entstehen, 17,3 Milliarden Euro sollen die Unternehmen hier einzahlen, plus einen 35-prozentigen Risikoaufschlag. Gerade letzterer war bis zuletzt umstritten. Um notorisch klammen Unternehmen wie RWE entgegenzukommen, erlaubte die Kommission sogar eine Ratenzahlung. Bis Ende 2022 hätten sich die Firmen Zeit lassen können. Aber: Solange hätten sie für etwaige Mehrkosten rund um ihren Atommüll noch haften müssen. Das will Schmitz nicht riskieren: Insgesamt 6,8 Milliarden Euro will er nun so schnell wie möglich überweisen; die Ratenzahlung wolle er nicht in Anspruch nehmen. So schnell kann ein Patient genesen, wenn die Umstände es zulassen.

Schmitz selbst fallen noch einige Gründe dafür ein. So habe der Börsengang der Ökostrom- und Netztochter Innogy mehr Geld eingebracht als erwartet. Auch aus dem Verkauf der Erdölsparte Dea an den russischen Oligarchen Michail Fridman habe der Konzern noch einiges auf der "hohen Kante". 5,1 Milliarden Euro hatte er eingebracht, nur wenige Tage nach der Dividenden-Kürzung. Und selbst der schwache Strompreis, seinerzeit großes Thema, hat an Schrecken verloren: Schließlich "dürften sich in einigen Jahren wieder Knappheitspreise einstellen, die die Wirtschaftlichkeit der übrigen Anlagen verbessern", sagt Schmitz. Einer der Gründe: die Abschaltung der übrigen Atomkraftwerke.

© SZ vom 03.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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