Süddeutsche Zeitung

Atom-Debatte:Atombranche will nicht mehr zahlen

1,4 Milliarden Euro sollten die Atomkonzerne bis 2016 für die Laufzeitverlängerung zahlen. Geld, das in erneuerbare Energien gesteckt werden sollte - und bald fehlen könnte. Denn die Atomkonzerne drohen mit einem Zahlungsstopp.

M. Balser und M. Bauchmüller

Erneuerbare Energien statt Atomkraft - das ist die Devise der schwarz-gelben Koalition. Doch ausgerechnet der erste Schritt, die vorübergehende Abschaltung von sieben alten Kernkraftwerken, kann die Energiewende nun bremsen. Denn monatlich knapp neun Millionen Euro, welche die Betreiber der sieben Altanlagen eigentlich in den "Klima- und Energiefonds" der Bundesregierung einzahlen müssen, könnten bald fehlen.

Ende September hatten sich die Beteiligten darauf verständigt, einen solchen Fonds einzurichten, gewissermaßen als Gegenleistung für die Laufzeit-Verlängerung. Er soll von 2017 an die Brennelementesteuer ablösen, wird aber auch jetzt schon befüllt: mit "nicht rückzahlbaren Vorausleistungen", genau aufgeschlüsselt für jeden Meiler.

In diesem und im nächsten Jahr sollen so je 300 Millionen Euro zusammenkommen, in den Jahren 2013 bis 2016 jährlich 200 Millionen Euro. Die insgesamt 1,4 Milliarden Euro will der Bund in den Klimaschutz stecken. Nun aber drohen Löcher. Zunächst könnten jene 27 Millionen Euro fehlen, die nach dem Vertrag zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen in den drei Monaten des Moratoriums auf die sieben Altmeiler entfallen.

Denn unter den Betreibern wächst der Ärger. Schließlich hatten sie Zahlungen für längere Laufzeiten zugesagt, nicht für längere Stillstände. "Wir zahlen nur für Reaktoren, die laufen", heißt es aus der Führungsetage eines der vier großen Atomkraftbetreiber. Auch andere stellen die Zahlungen in Frage. "Wir prüfen aktuell, inwieweit sich die geänderten Umstände auf die Leistung der Förderbeiträge auswirkt und werden dies mit unserem Vertragspartner erörtern", sagt ein Sprecher von Vattenfall. Auch aus dem Eon-Konzern verlautet, eine Prüfung sei möglich.

Ein Zahlungsstopp könnte neuen Streit mit der Regierung nach sich ziehen, denn die pocht auf die Gelder. "Alles andere wäre ein Vertragsbruch", heißt es im Bundesfinanzministerium. Tatsächlich sieht der Vertrag weitere Zahlungen auch dann vor, wenn ein Kernkraftwerk vorzeitig still gelegt wird - allerdings unter der Voraussetzung, dass sein Betreiber die noch nicht produzierten Reststrommengen auf eine andere Atomanlage übertragen darf. Und ob das bei Stilllegungen noch möglich sein wird, weiß derzeit keiner.

Die Situation könne vollends eskalieren, wenn Atomkraftwerke ganz abgeschaltet würden, heißt es aus Branchenkreisen. Dann stünden Zahlungen in größerem Umfang in Frage.

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Quelle:
SZ vom 21.03.2011/feko
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