AT&T und Time Warner:US-Senat kündigt genaue Prüfung von Time-Warner-Kauf durch AT&T an

A woman talks on her cellular phone in front of the Hollywood sign prior to the 84th Academy Awards in Hollywood, California

Die Filmwelt ruft: Klappt die Übernahme von Time Warner, kommt auch das Hollywood-Studio Warner Bros. unter das Dach von AT&T.

(Foto: Lucas Jackson/Reuters)

Der amerikanische Telekom-Riese schließt sich mit dem Kino- und Fernsehkonzern zusammen. So entsteht ein Konzern, wie ihn die Medienwelt noch nicht gesehen hat.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Es klingt nach einem Versuch, der oberflächlich betrachtet nur Stirnrunzeln verursachen kann: Zwei alte Rock 'n' Roller tun sich zusammen, um gemeinsam Musik für die Smartphone-Jugend von heute zu machen. So oder ähnlich muss manchem Beobachter die Ankündigung erscheinen, dass sich der amerikanische Telefonpionier AT&T, gegründet 1885, und der Filmgigant Time Warner, im Geschäft seit 1923, zum Medienkonzern der Zukunft zusammenschließen wollen. Gut 85 Milliarden Dollar wird AT&T das Geschäft kosten, die Vorstände beider Firmen haben die Fusion bereits unterzeichnet.

Mit der Übernahme entsteht ein Konzern, wie ihn die Medienwelt so noch nicht gesehen hat: Das kombinierte Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 175 Milliarden US-Dollar wird künftig in großem Stil Filme und Fernsehprogramme produzieren und über eigene TV-, Internet- und Mobilfunkkanäle an den Endkunden bringen. "Das ist die perfekte Kombination zweier Unternehmen mit sich ergänzenden Stärken, die frischen Wind in die Medien- und Kommunikationsindustrie bringen kann", erklärte AT&T-Chef Randall Stephenson, der auch den neuen Konzern führen wird. Gemeinsam werde man "die Grenzen der Verfügbarkeit mobiler Inhalte verschieben".

Der Zukauf von Premium-Inhalten ist der nächste logische Schritt

AT&T hat sich in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten vom Telefonunternehmen zu einem führenden Mobilfunk- und Datennetzanbieter entwickelt. Seit dem Zukauf von DirecTV im vergangenen Jahr, der die Texaner bereits 48 Milliarden Dollar kostete, ist der Konzern zudem der größte Pay-TV-Anbieter des Landes. Der aus Unternehmenssicht nächste logische Schritt ist der Zukauf von Premium-Inhalten: Ziel ist es, die eigenen Abspielkanäle noch besser mit Programmangeboten zu bestücken, für die auch junge Kunden, die Filme und TV-Sendungen statt auf dem Fernsehgerät auf dem Smartphone schauen, bereit sind, Geld auszugeben.

Genau das bietet Time Warner. Das Unternehmen aus New York ist nicht nur die Muttergesellschaft des altehrwürdigen, 93 Jahre alten Filmstudios Warner Bros. Zum Konzern gehören vielmehr auch der Nachrichtenkanal CNN, viele weitere Kabelfernsehprogramme sowie der ebenso renommierte wie gewinnträchtige Pay-TV-Sender HBO mit weltweit mehr als 130 Millionen Abonnenten. Hinzu kommen eine reichhaltige Bibliothek mit Blockbustern wie "Harry Potter" und gefeierten TV-Serien wie "Game of Thrones" und "True Detective" sowie lukrative Übertragungsrechte für die Spiele der nordamerikanischen Football-, Baseball- und Basketball-Liga. Selbst im Comic-Geschäft ist Time Warner vertreten: Dem Unternehmen gehören unter anderem die Rechte an Batman, Superman und Wonder Woman.

Time Warner steht allerdings auch selbst unter Veränderungsdruck, weil immer mehr junge Menschen Filme und Fernsehsendungen nicht mehr über die bisher üblichen Vertriebskanäle konsumieren wollen. HBO hat bereits eine Online-Version gestartet, weitere dürften folgen. Auch die neue Mutter AT&T steht bereits in den Startlöchern: Um künftig in großem Stil im Internet und auf Smartphones vertreten zu sein, plant der Konzern den neuen Web-Streaming-Dienst DirecTV Now, über den Dutzende Sender zu sehen sein sollen.

Die Übernahme ist auch ein Erfolg für Time-Warner-Chef Jeff Bewkes, der sein Unternehmen in den vergangenen Jahren von den Fesseln der fehlgeschlagenen Fusion mit dem Online-Dienst AOL befreit, neu aufgestellt und für Partner attraktiv gemacht hatte. Bewkes stand unter dem Druck einiger Großaktionäre, nachdem er vor zwei Jahren eine Übernahme-Offerte des Rivalen 21st Century Fox abgelehnt hatte. Nach Informationen des Wall Street Journals hatte vor Monaten auch der Elektronik-Konzern Apple mit einer Übernahme von Time Warner geliebäugelt. Die Gespräche waren aber offensichtlich über ein Abtaststadium nicht hinausgekommen.

Nun hat der 64-jährige Bewkes, der der Führung des neuen Verbunds aus AT&T und Time Warner noch für einige Zeit angehören und dann in Ruhestand gehen wird, einen Partner gefunden, der die allermeisten Anteilseigner zufriedenstellen dürfte: Die Time-Warner-Aktie war bereits nach Bekanntwerden der ersten Fusionsspekulationen Ende vergangener Woche um fast 13 Prozent auf knapp 90 Dollar in die Höhe geschossen. Der jetzige Kaufpreis von 107,50 Dollar je Aktie bedeutet gegenüber dem Schlusskurs von Freitag einen weiteren Aufschlag von 20 Prozent. Allerdings erhalten die Eigentümer nur die Hälfte der Summe, also 53,75 Dollar je Anteilsschein, in bar. Der Rest wird in Aktien des neu fusionierten Konzerns ausbezahlt.

Noch ist die Übernahme längst nicht perfekt

Noch ist die Übernahme aber nicht perfekt. Der US-Senat will den Deal sorgfältig prüfen - er könne schwerwiegende Wettbewerbsbedenken hervorrufen, sagte der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses der Kongress-Kammer am Sonntag. Zwar kommen die Firmen nicht aus derselben Branche, durch den Zusammenschluss wird kein direkter Wettbewerber eliminiert. Aus Kundensicht aber verknappt sich die Zahl der Pay-TV-Anbieter, was mittelfristig die Preise nach oben treiben könnte. Die Wettbewerbshüter hatten schon die Fusion des Kabelnetz- und Internetanbieters Comcast mit dem TV- und Filmkonzern NBC Universal kritisch beäugt. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump kündigte bei einer Wahlkampfveranstaltung gar an, er werde Fusionen wie die von AT&T und Time Warner im Falle seiner Wahl untersagen, weil er eine weitere Konzentration in der Medienbranche ablehne. Experten halten es für nicht unwahrscheinlich, dass der jetzt angekündigte Zusammenschluss der Auftakt zu einer Fusionswelle sein wird. Der Fernsehsender CBS und der Medienkonzern Viacom erwägen, sich nach langer Trennung erneut zusammenzuschließen. Der Filmstudio-Betreiber Lions Gate setzte sich bereits in einem Bieterstreit um den Kabel- und Pay-TV-Anbieter Starz durch - gegen AT&T. Auch Verizon, der größte Rivale von AT&T, ist auf Expansionskurs, wenn auch mit etwas anderer Stoßrichtung. Um im Markt für Smartphone-Werbung Fuß zu fassen, übernahm der Konzern unter anderem Yahoo - und die Reste von AOL, jenes einstigen Giganten, der sich im Jahr 2000 an Time Warner verschluckt hatte.

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