"Assassin's Creed Odyssey" im Test:Halbnackt bis ans Ende der Open World

Alexios, einer der möglichen Protagonisten in "Assassin's Creed Odyssey" tritt einen griechischen Soldaten von sich.

Alexios tritt einen feindlichen Soldaten vors Brustbein. Eine von vielen Anspielungen auf den Film "300" im Spiel "Assassin's Creed Odyssey".

(Foto: Ubisoft / PR)

Bürgerkrieg, griechische Sagen und Rollenspiel-Elemente: "Assassin's Creed Odyssey" will zu viel - und scheitert daran. Dieses Problem haben immer mehr Computerspiele.

Spieletest von Caspar von Au

Schwer zu sagen, ob dem listigen Odysseus die Methoden der Assassinen gefallen hätten. Schließlich war seine Idee mit dem Trojanischen Pferd ziemlich hinterhältig und blutrünstig. Alexios ist einer der beiden auszuwählenden Protagonisten in "Assassin's Creed Odyssey", und seine Tricks sind etwas direkter, aber ebenfalls brutal: Zum Beispiel schleudert er die abgebrochene Speerspitze des Spartanerkönigs Leonidas einem griechischen Soldaten in den Rücken, springt mit einem Satz neben ihn und zieht den Speer durch seine Brust wieder raus. Aua.

Wie in den Vorgänger-Spielen geht es auch in Odyssey, dem elften Spiel der Assassin's-Creed-Reihe, wieder darum, seine Feinde möglichst lautlos zu meucheln. Der Spieler schlüpft wahlweise in die Rolle des Söldners Alexios oder seiner Schwester, der Söldnerin Kassandra. Welchen Charakter er wählt, macht für den Spielverlauf keinen erheblichen Unterschied. Beide können die gleichen Fähigkeiten erlernen. Beide erleben dieselbe Reise durch das pseudo-historische Griechenland um 431 vor Christus, als Athen und Sparta im Peloponnesischen Krieg um die Vormacht im Mittelmeerraum kämpfen. Allein mit welchem Namen andere Charaktere den Held im Spiel ansprechen, unterscheidet sich.

Zwischen Sagenwelt, Historik und Open-World-Rollenspiel

Aber der Spieler kann durch die Ruinen von Odysseus' Palasts auf der Insel Ithaka streifen. Auf der Nachbarinsel Kefalonia, dem Ausgangspunkt des Spiels, tyrannisiert ein Zyklop die ansässigen Bauern. Allerdings ist damit nicht der einäugige Riese gemeint, den Odysseus während seiner legendären Irrfahrt besiegt hat. Sondern ein Landbesitzer mit Augenklappe, der auf den Spitznamen "Zyklop" äußerst dünnhäutig reagiert. Als Alexios dann noch seinen kostbarsten Schatz stiehlt, ein Auge aus Obsidian und Gold, tickt der Gutsbesitzer völlig aus. Dass das nicht gut für ihn ausgeht, ist klar. Das Aufeinandertreffen mit dem Zyklopen ist eine der wenigen Szenen im Spiel, in denen die Entwickler eigenes Drehbuch und griechische Sagenwelt feinsinnig miteinander verweben.

Weil Alexios beziehungsweise Kassandra spartanischer Herkunft sind, darf auch die Sage um König Leonidas und seine 300 Spartiaten im Odyssey-Spiel nicht fehlen. Gleich zu Beginn steuert der Spieler für wenige Minuten Leonidas in seiner finalen Schlacht gegen die Perser. Die Entwickler orientieren sich stark an Zack Snyders Comicverfilmung "300" (2006): Halbnackte Spartaner präsentieren durchs ganze Spiel lieber ihr Sixpack als schützende Brustpanzer zu tragen. Den berühmten Spartiaten-Tritt beherrschen Alexios und Kassandra ebenfalls. Allerdings brüllen sie nicht bei jeder Ausführung "Das ist Sparta!" wie Leonidas im Film. Die abgebrochene Speerspitze des Spartanerkönigs tragen sie als eine Art Dolch bei sich.

Assassins Creed Odyssey Screenshot

Der Spieler übernimmt das Kommando auf seinem eigenen Kriegsschiff. "Assassin's Creed Odyssey" ist überladen mit Inhalten.

(Foto: Ubisoft / PR)

Neben solchen Anspielungen auf die antiken und modernen Interpretationen der griechischen Mythologie soll Assassin's Creed Odyssey außerdem ein Rollenspiel sein, in dem der Spieler stärker als in den Vorgängern Einfluss auf den Ausgang nehmen kann. Durch Dialoge entscheidet er stellenweise, ob er sein Gegenüber verschont oder tötet. Alexios oder Kassandra erlernen noch mehr einzigartige Fähigkeiten, wie den angesprochenen Spartiaten-Tritt oder den meuchelnden Speerwurf. Das Spiel bietet außerdem eine noch größere Spielwelt als Vorgänger "Origins" (2017), in der sich der Spieler verlieren kann. Er kann im Peloponnesischen Bürgerkrieg Partei für Sparta oder Athen ergreifen. Er befehligt ein Kriegsschiff, für dessen Mannschaft er Kämpfer rekrutieren kann. Wenn Alexios oder Kassandra Straftaten begehen, werden sie von anderen Söldnern verfolgt, die auf das ausgesetzte Kopfgeld aus sind. Wer geistige Kapazitäten frei hat, kann sich zudem über historische Orte informieren.

Die eigentlich schöne Spielwelt gerät zur Nebensache

Odyssey ist schlicht mit Inhalten überfrachtet. Es hätte dem Spiel gut getan, ein paar Aspekte wegzulassen - oder wenigstens anders zu gewichten. Die Odysseus-Sage allein bietet genügend Stoff, um Dutzende Stunden Spielzeit mit Anspielungen und Action zu füllen. Stattdessen haben die Entwickler von allem ein bisschen ins Spiel gestopft, aber es lässt sich auf nichts davon zu hundert Prozent ein.

Es hatte sich in Origins schon angedeutet, in Odyssey wird das Problem vieler Open-World-Spiele noch deutlicher. Assassin's Creed ist bei weitem nicht die einzige Spielereihe, die in den vergangenen Jahren an dem Spagat zwischen linearem und non-linearen Erzählen mehr oder weniger gescheitert ist. Eine offene Spielwelt und ein offener Spielverlauf, den die Spieler durch ihre Entscheidungen beeinflussen, halten Entwickler von Blockbuster-Spielen mittlerweile offensichtlich für obligatorisch. Dabei gelingt es ihnen oft nicht, gleichzeitig eine dramaturgisch packende Geschichte zu erzählen und dem Spieler möglichst viel Handlungsspielraum zu lassen. Zuletzt hatten "Shadow of the Tomb Raider" und Sonys "Spider-Man" ähnliche Probleme.

Es ist besonders schade, dass Odyssey schon nach wenigen Spielstunden völlig ausfranst. Denn die antike Spielwelt sieht wunderschön aus. Etwa wenn der Spieler am Strand durch das hüfthohe Wasser reitet und die Gischt an der Flanke des Pferdes zerbirst. Das gerät zur Nebensächlichkeit. Assassin's Creed Odyssey ist nur ein weiteres Spiel in der Masse von Action-Adventures, Popcornkino zum Mitspielen.

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