Süddeutsche Zeitung

Asian Infrastructure Investment Bank:Angriff auf ein Monopol

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Schon lange hadern viele Staaten in Asien mit westlichen Institutionen wie Weltbank und IWF. China bastelt an einer Alternative und findet immer mehr Anhänger.

Von C. Neidhart, Tokio

China rüttelt am Monopol des US-Dollars. Und 43 Länder wollen mitrütteln. Sie haben sich als Gründungsmitglieder der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) registriert. Unter ihnen Deutschland, Frankreich, die Schweiz und trotz Widerstand Washingtons auch Südkorea. Sogar Taiwan. Selbst Japans Finanzminister Taro Aso denkt laut darüber nach, doch Tokio hält vorerst zu Washington.

Die neue Bank soll im Juni mit einem Anfangskapital von 50 bis 100 Milliarden Dollar gegründet werden. Sie wird Infrastrukturprojekte in Asien finanzieren. Bedarf gibt es genug. Die von Japan geführte Asian Development Bank, die die gleichen Dienstleistungen anbietet, schätzt den Investitionsbedarf für das laufende Jahrzehnt auf acht Billionen Dollar. Auch die Weltbank und der internationale Währungsfonds IWF, die sogenannten "Washington", bieten solche Dienste an. Die USA sehen die AIIB deshalb als Konkurrenz zu ihnen.

In der Tat wäre es naheliegender, Peking hätte eine größere Rolle in der Weltbank und dem IWF eingefordert, indem es seine enormen Währungsreserven eingebracht und sich mehr engagiert hätte. Doch die USA sind nicht bereit, Kontrolle abzugeben. Die Reformen der Washingtoner Institutionen kommen kaum voran, ihre Strukturen stammen aus den 50er-Jahren des vergangenen Jahrzehnts, als der Westen die Weltwirtschaft dominierte. Wirtschaftsmächte wie Südkorea oder Brasilien haben kaum etwas zu sagen, China, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht, ist erst recht nicht angemessen vertreten.

Außerdem haben die Washingtoner Institution, vor allem der Währungsfonds, in Asien keinen guten Ruf. Sie gelten als neoliberal, der IWF hat die Asienkrise 1997/98, die man in Südkorea "IWF-Krise" nennt, mit seinem Zwang zur Austerität noch verschärft. Er habe sich damals vor allem darum gekümmert, dass westliche Kreditgeber kein Geld verlören. Die Armut, die er über die betroffenen Länder brachte, habe in Washington niemanden interessiert, heißt es. Hongkong ignorierte den Rat aus Washington und stützte seinen Finanzmarkt, eine Maßnahme, die der Westen damals kritisierte, die heute als "lockere Geldpolitik" aber akzeptiert ist. Dass mit so verschiedenen Ellen gemessen wurde - und wird, hat man in Asien nicht vergessen.

Das neue Institut soll "die" multinationale Organisation des 21. Jahrhunderts werden

Dies ist der dritte Versuch, in Asien Alternativen zu den Washingtoner Institutionen aufzubauen. Noch während der Asienkrise wollte Tokio einen "Asiatischen Währungsfonds" schaffen. Die USA pfiffen Japan scharf zurück. Eisaku Sakakibara, damals Vize-Finanzminister in Tokio, erinnerte sich später, wie ihn Larry Summers, US-Finanzminister in der Ära von Bill Clinton, mitten in der Nacht aus dem Bett holte, um ihn abzukanzeln.

Doch Japan begann noch im gleichen Jahr, die sogenannte Chiang-Mai-Initiative zu knüpfen, ein Netz bilateraler Swap-Verträge, das es den beteiligten Staaten erlauben sollte, im Falle von Währungsturbulenzen Notkredite von einander zu ziehen. Ein "asiatischer Währungsfonds light" durch die Hintertür. 2010 erweiterten die zehn Asean-Länder und Japan, China und Südkorea Chiang-Mai zu einem multilateralen Vertrag. Aber getestet worden ist die Initiative nie. Als Seoul in der Lehman-Krise einen Rettungsring für den Won brauchte, holte es es ihn in Washington. Experten halten die Chiang-Mai-Initiative für einen Papiertiger. Die Notkredite könnten nicht automatisch gezogen werden, Finanzbürokraten müssten sie erst bereitstellen. Inzwischen zerbricht das Abkommen am Streit von Tokio, Peking und Seoul um die Geschichte.

Die USA haben auch diesen Anlauf zur Lockerung der finanzpolitischen Abhängigkeit Asiens von den Washingtoner Institutionen zu sabotieren versucht. Nur mit den Asean-Staaten, dazu Indien, Pakistan, Sri Lanka und einige Länder des Nahen Ostens, hätten die USA die neue Bank als machtpolitischen Hebel Pekings abtun können. Eine Schlüsselrolle kam deshalb Südkorea zu. Sowohl Peking wie auch Washington haben Seoul in den vergangenen Monaten unter Druck gesetzt. Mit seiner Entscheidung vorige Woche hat es den amerikanischen Verbündeten ins Abseits gespielt. Und den Beitritt weitere Länder gebahnt, vor allem der Europäer. London will sich auch zum Zentrum des Handels mit Renminbi werden, der chinesischen Währung. Australien, das bisher im Sinne Washingtons nichts von der AIIB wissen wollte, jetzt aber mitmacht, will sich kein Asien-Geschäft entgehen lassen.

Den Chinesen ist die neue Bank so wichtig, dass sie bereit sind, ihre Vormacht abzugeben. Die AIIB soll zu einer multilateralen Institution des 21. Jahrhunderts werden, ihr Personal wird aus vielen Ländern stammen. Peking ist sogar bereit, auf ein Vetorecht zu verzichten. Andrerseits wird die neue Bank, je gewichtiger und multilateraler sie ist, umso mehr zur Konkurrenz für die Washingtoner Institutionen werden.

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SZ vom 01.04.2015
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