Aschewolke: Airlines:Die Krise nach der Krise

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Nach der Krise wollten die Fluggesellschaften durchstarten, doch die Aschewolke bringt die Airlines in Bedrängnis. Die Rufe nach Staatshilfe werden lauter - und die Politik ist gar nicht abgeneigt.

J. Flottau u. C. Gammelin

Es hat genau vier Tage gedauert, bis die erste Fluggesellschaft nach Staatshilfen gerufen hat. Willie Walsh, Chef von British Airways, verspürte den branchenüblichen Reflex als Erster. "Europäische Fluggesellschaften haben die EU und die nationalen Regierungen wegen der Schließung des Luftraumes um finanzielle Entschädigung gebeten", so Walsh. Schließlich sei es unverhältnismäßig gewesen, den gesamten Luftraum zu sperren.

Die Aschewolke aus Island hat die Fluggesellschaften viel Geld gekostet. Der Lufthansa soll ein Schaden von 200 Millionen Euro entstanden sein. (Foto: Foto: dpa)

Die Debatte hat in der Branche Tradition. In fast jeder Krise wird der Ruf nach dem Staat laut, sei es, wenn die Treibstoffpreise zu hoch sind oder die Nachfrage wegen einer allgemeinen Wirtschaftsflaute einbricht. In wirtschaftlich guten Zeiten hingegen werden Walsh und seine Kollegen nicht müde, angebliche Staatshilfen für Konkurrenten wie Emirates oder europäische Wackelkandidaten wie Malev, Alitalia oder Olympic Airways zu beklagen. Ungewöhnlich ist, dass nun Manager wie Walsh und sogar Air-Berlin-Chef Joachim Hunold, Verfechter des freien Marktes, die Hilfen ansprechen.

Hunold sagte in einem Radio-Interview, sein Unternehmen mache "riesige Verluste" wegen der Vulkanasche. Am Ende werde er ein Fazit ziehen und prüfen, "ob wir hier nicht eine mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vergleichbare Situation haben". Damals bekamen die Airlines einen finanziellen Ausgleich dafür, dass der amerikanische Luftraum drei Tage lang gesperrt war. In Wirtschaft und Politik gibt es aber starke Vorbehalte gegen Staatshilfen. "Staatshilfen wären definitiv das falsche Signal", sagte der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann.

Der Flugstopp über Europa sorgt dafür, dass bessere Ergebnisse im Jahr 2010 schwerer zu erreichen sein werden. Das werde einen negativen Einfluss auf das Ergebnis haben, glaubt Uwe Weinreich, Analyst bei Unicredit. Per-Ola Hellgren von der LBBW zweifelt daran, dass die Lufthansa wie erhofft 2010 wieder einen deutlichen Gewinn einfahren kann.

Schreckgespenst Pleite

Der weltweite Verband der Airlines, die IATA, glaubt, die Verluste betrügen rund 250 Millionen Dollar pro Tag, damit hätten sie mittlerweile die Milliardengrenze überschritten. Die Association of European Airlines (AEA) rechnet damit, dass etliche kleinere der rund 150 Fluggesellschaften in Europa in ein bis zwei Wochen pleitegehen könnten.

Laut Hellgren dürfte alleine bei Lufthansa der negative Effekt bisher bei rund 200 Millionen Euro liegen. Bei British Airways sind es Unternehmensangaben zufolge 100 Millionen Pfund (114 Millionen Euro). Selbst Emirates mit Sitz in Dubai gibt an, insgesamt rund 50 Millionen Dollar verloren zu haben, obwohl nur 20 Prozent der Flotte (30 Maschinen) derzeit am Boden bleiben muss.

Bis zum Dienstagmittag seien in Brüssel weder Anfragen noch Anträge auf Staatsbeihilfe eingegangen, sagte die Sprecherin von Verkehrskommissar Siim Kallas. Die Airlines hätten Kallas am Montag erklärt, Daten über die Höhe der Verluste seien nicht vor kommender Woche lieferbar. Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte sich bereit gezeigt, auf mögliche Anfragen der Unternehmen "ähnlich zu reagieren wie nach den Terroranschlägen 2001".

Schlechter wirtschaftlicher Zustand

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) schloss nicht aus, dass die Bundesregierung staatliche Hilfen einräumen könne. Die Europäische Kommission verwies darauf, dass sie die Initiativen der einzelnen Mitgliedsstaaten koordinieren will. Das dürfte indes schwer werden. In Frankreich wollten sich schon am Dienstag Regierungsvertreter mit Abgesandten von Fluggesellschaften treffen, um zu diskutieren, in welcher Form die Wirtschaft unterstützt werden könnte.

Dass Airlines öffentliche Hilfen fordern, macht auch deutlich, in welch schlechtem wirtschaftlichen Zustand sich die Branche befindet. Der Vulkanausbruch, der seit Tagen den europäischen Luftverkehr weitgehend lahmlegt, trifft die Industrie genau in dem Moment, da sie sich von der bisher schlimmsten Krise erholt. Bereits Mitte 2008 standen viele Fluggesellschaften vor der Frage, wie sie angesichts hoher Treibstoffpreise den nächsten Winter überleben können.

Im Jahr 2009 wurden die Unternehmen durch die tiefe wirtschaftliche Krise gebeutelt, die meisten Airlines mussten Verluste, insgesamt zehn Milliarden Dollar, verkraften. Die IATA wird ihre Prognose für 2010, Verluste von nur drei Milliarden Dollar, voraussichtlich bald nach unten korrigieren müssen.

© SZ vom 21.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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