Arzneimittelversorgung:"Alle 17 Stunden schließt eine Apotheke"

Arzneimittelversorgung: Viele Inhaber von Apotheken fürchten um ihre Existenz.

Viele Inhaber von Apotheken fürchten um ihre Existenz.

(Foto: IMAGO/Rolf Poss/IMAGO/Rolf Poss)

Viele Apotheken fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Kommende Woche wollen sie protestieren. Für noch mehr Unmut sorgt indes ein "Factsheet" aus dem Bundesgesundheitsministerium.

Von Elisabeth Dostert, München

Kommende Woche wollen viele Apotheker in Deutschland gegen die Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre protestieren und ihre Läden für einen Tag schließen. Die Vorbereitungen laufen. In den Fenstern des Apothekerhauses in Berlin, Sitz der Branchenlobby Abda, klebt seit Wochen eine Folie mit der Aufschrift "Apotheken kaputtsparen? Mit uns nicht!" Auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bereitet sich auf die Proteste am 14. Juni vor. Die Pressestelle verschickte am Montag ein "Factsheet" an Journalisten, das Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erst so richtig in Wallung bringt.

"Im sogenannten Faktenblatt", sagt die Apothekerin am Dienstag in Berlin, werde "kein Unterschied zwischen Umsatz, Absatz und Ertrag gemacht". Und das sei nicht das erste Mal. So mit Zahlen zu hantieren, sei unsinnig. Overwiening will wohl nicht unhöflich sein, sie gehe mal davon aus, dass das nicht aus Unwissenheit geschehe. Im "Faktenblatt" heißt es, Apothekerinnen und Apotheker hätten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich verdient. Als Beleg für den Verdienst nennt das BMG Umsatzzahlen. "Wenn Umsätze gut sind, heißt das nicht, dass die Erträge gut sind", so Overwiening. Sie verweist zum Beispiel auf die gestiegenen Personalkosten, die höheren Energiekosten, die Inflation und den Aufwand etwa zur Bewältigung der wachsenden Lieferengpässe. "Sie beschäftigen uns mehrere Stunden am Tag." Der Mehraufwand werde nicht vergütet.

Arzneimittelversorgung: Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening macht sich Sorgen um die Versorgung mit Medikamenten.

Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening macht sich Sorgen um die Versorgung mit Medikamenten.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Noch funktioniere die Arzneimittelversorgung durch die öffentlichen Apotheken "sehr gut und flächendeckend in allen Ecken der Republik und zu jeder Zeit", sagt Overwiening. Aber in ihren Worten schwingt immer mit, dass das nicht so bleiben muss. Die Zahl der Apotheken sinkt. Im ersten Quartal 2023 sank sie auf 17 939. "Zur Zeit schließt alle 17 Stunden eine Apotheke." Die wirtschaftliche Lage verschlechtere sich wegen einer "nur auf Ersparnisse ausgerichteten Gesundheitspolitik". Beispiel: Die Erhöhung des Apothekenabschlags von 1,77 auf zwei Euro je Packung eines verschreibungspflichtigen Medikamentes. Das System der öffentlichen Apotheken sei unterfinanziert. Nicht-monetäre Faktoren, wie die Versorgungsicherheit, würden nicht genug berücksichtigt. Der Wertschöpfungsanteil der Apotheken an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen, basierend auf der Vergütung nach der Arzneimittelpreisverordnung, habe 2022 bei "mickrigen" zwei Prozent gelegen, so Overwiening.

"Wir lassen die Apotheken sehenden Auges zugrunde gehen", sagt Ina Lucas. Sie und ihre Geschäftspartnerin betreiben vier Apotheken in Berlin. Sie ist Mitinitiatorin der Initiative "Gegen Zukunftsklau", die an diesem Mittwoch offiziell startet. Lucas beschäftigt rund 80 Mitarbeitet, sie hätte auch Arbeit für 100. Der Markt sei aber leergefegt. Das Personal wandere in die Industrie oder zu den Krankenkassen ab. "Die Löhne von Industrie und Kassen kann keine Apotheke zahlen", sagt Lucas. Eines ist für die beiden Apothekerinnen klar: Beim Protest in der kommenden Woche machen sie mit.

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