Süddeutsche Zeitung

SZ-Wirtschaftsgipfel:"Das exponentielle Wachstum ist gebrochen"

NRW-Ministerpräsent Armin Laschet ist überzeugt, dass gerade der Föderalismus in Deutschland in der Corona-Krise hilft.

Von Hans von der Hagen

Zuletzt fiel Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mit einer für seine Verhältnisse ungewöhnlich düsteren Botschaft auf. Es ging um Weihnachten. Das Fest, sagte er, werde dieses Jahr nicht so sein wie gewohnt. Mehr noch: "Es wird das härteste Weihnachtsfest sicher, das wir seit Jahrzehnten erlebt haben."

Zuvor hatte er mit anderen Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Sondersitzung über Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie diskutiert. Besser gesagt: gestritten. Denn am Ende wurden keine Beschlüsse gefasst, man vertagte sich auf den Mittwoch kommender Woche. Die Kanzlerin konnte ihre Enttäuschung darüber kaum verhehlen: Sie habe sich bei der Konferenz am Montag mehr vorstellen können, sagte sie am Dienstag auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel. Jeder Tag zähle, ein Zögern koste im Zweifel immer mehr Geld. "Deshalb bin ich da manchmal ungeduldig."

"Uns leitet das Prinzip, eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden"

Und Laschet? Die Politik reagiere in dieser Zeit sehr schnell und sehr konzentriert, sagt er nun am Mittwoch auf dem Wirtschaftsgipfel. "Uns leitet das Prinzip, eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden und den Bildungsbereich aufrechtzuerhalten." Dass das bislang geglückt sei, sei auch Folge des föderalen Systems. "Das exponentielle Wachstum ist gebrochen", sagte Laschet und bezog sich damit auf die Ansteckungszahlen.

Ihm sei vor allem wichtig, dass die Schulen geöffnet blieben. Die Schließung von Bildungseinrichtungen - das sei doch nur die einfallslose Antwort im März gewesen. Jetzt aber seien alle Maßnahmen darauf ausgerichtet, gerade das zu vermeiden. So wie es auch Frankreich vormache.

Warum ihm das so wichtig ist? Viele Menschen hätten nur Aufstiegschancen durch sich selbst - durch Bildung. Und diese seien coronabedingt für ein halbes Jahr manchmal nur einen Tag pro Woche in der Schule gewesen. Alle in der Politik hätten sich darum geschworen: "Das darf nicht wieder passieren." Gastronomie, Freizeit, Tourismus seien ja gerade deshalb eingeschränkt worden, um die Schulen offenzuhalten. "Das war das Hauptprinzip aller Maßnahmen." Darum ist aus seiner Sicht auch die Aussage unsinnig, dass man bei dem Treffen am Montag mit Merkel nun auch endlich den Bildungsbereich hätte angehen müssen. "Das Versprechen für den November war ein anderes."

Aber Laschet sieht auch, dass die Meinungen der Eltern gespalten sind. Manche formulierten es drastisch und sagten: "Du schickst mein Kind in den Tod." Anderen wiederum sei der Präsenzunterricht und eine gute Betreuung für die Kinder wichtig. Zwischen diesen beiden Positionen müsse die Politik eine verantwortbare Lösung finden.

Söder fordert Steuerreform

Das Infektionsgeschehen an den Schulen sei bis heute sehr niedrig, sagt Laschet. Sicher auch altersabhängig: Je kleiner die Kinder seien, desto geringer sei auch das Infektionsrisiko. Laschet räumt aber auch ein, dass durchaus über ein Hybridkonzept etwa an Berufsschulen oder in der Oberstufe nachgedacht werden könne. An dem Problem würde das freilich nichts ändern: "Die Leute sitzen zu Hause, in Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen, mit zwei bis drei Kindern" - da sei keine Chancengerechtigkeit herstellbar.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder fordert unterdessen auf dem Wirtschaftsgipfel eine coronabedingte Steuerreform.

Es gehe jetzt darum, die Wirtschaft nicht nur zu narkotisieren, sondern zu stimulieren. Wichtig sei vor allem, die Unternehmenssteuern drastisch zu senken, um international auf eine wettbewerbsfähiges Niveau zu kommen. Das beträfe auch die Energiesteuern, die für viele Unternehmen kaum zu bewältigen seien.

Jahrelang habe Deutschland mit seinen Unternehmenssteuern im Mittelfeld gelegen - nun aber liege es wieder ganz oben.

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