Ariane:Komplizierte Strukturen

13 europäische Staaten sind an dem Projekt beteiligt, das macht Entscheidungen manchmal schwierig.

Von Dieter Sürig

Mehrmals im Jahr spielt sich in Bremen ein Spektakel ab: Wenn eine Oberstufe der Ariane-Rakete vom Werk zum Hafen im Nordwesten der Stadt transportiert werden muss, werden nächtens die Straßen gesperrt. Für zehn Kilometer braucht der Schwertransporter Stunden, weil Hindernisse entfernt werden müssen. Dass die Oberstufe zum Startplatz in Französisch-Guayana verschifft wird, hat den Grund, dass sie mit Sprengladungen versehen ist, die bereits in Bremen montiert werden. Ein Flug wäre zu riskant.

Dies ist nur ein winziges Detail im Bauplan der Ariane. Der Plan der Raumfahrtagentur Esa resultiert aus den komplizierten Strukturen rund um die Rakete: Beteiligt sind 13 europäische Staaten, vor allem Frankreich mit 50 Prozent, Deutschland (23 Prozent) und Italien (zehn Prozent). Die Mittel fließen als Industrieaufträge in das jeweilige Land zurück. Die Komponenten der Ariane werden deshalb an vielen Standorten gefertigt, etwa in Bremen, Augsburg, Ottobrunn oder in Vernon bei Paris. Hauptauftragnehmer ist die Ariane-Group, eine Tochter von Airbus und Safran.

Das klingt perfekt, wenn da nicht der Konkurrent Space-X wäre, dessen Rakete Falcon 9 mit einem Listenpreis von 62 Millionen Dollar deutlich günstiger ist. Das lockt auch europäische Kunden: Auf der Start-Liste von Space-X steht der Name Airbus derzeit gleich dreimal, der Konzern will etwa zwei türkische Kommunikationssatelliten ins All schießen. Weiter unten taucht die Bremer Raumfahrtfirma OHB auf, die für die Bundeswehr einen Spionagesatelliten im Erdorbit platzieren wird. Dies macht deutlich, dass die Ariane-Group ein großes Problem hat.

"Wir sind definitiv für Wettbewerb, aber der muss fair sein", sagt Ariane-Deutschland-Chef Pierre Godart. Was er damit meint: In den USA, Russland und China ist es verboten, institutionelle Satelliten mit einem ausländischen Launcher zu starten - in Europa nicht. "Wir öffnen unsere Märkte, die anderen machen sie zu", kritisiert er. "Diese Wettbewerbsverzerrung ist schwierig, um es vorsichtig auszudrücken." Ein Beispiel: Die US-Raumfahrtbehörde Nasa darf die Raumstation ISS nicht mit der Ariane beliefern, die Bundeswehr kann aber eine Falcon 9 nutzen. Was Godart auch aufregt, sind Dumpingpreise: "Dass eine Falcon 9, die an die US-Regierung verkauft wird, 100 Millionen Dollar kostet, und in Europa wird sie für die Hälfte angeboten".

"Ich finde es erstaunlich, dass Ariane über Subventionen redet."

Ähnlich äußerte sich Godart auch vor wenigen Wochen beim Raumfahrtkongress IAC in Bremen. Auf derselben Bühne stand wenig später der deutsche Raumfahrtingenieur Hans Koenigsmann, einer der Top-Manager von Space-X. Vorwürfe wie die von Godart ärgern ihn. "Das stimmt einfach nicht. Aber so etwas kommt heraus, wenn die technischen Argumente ausgehen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Aufträge der Regierung hätten eben bestimmte Erfordernisse. "Das ist Arbeit, die wir machen, das ist keine Subvention", sagt Koenigsmann. "Ich finde es erstaunlich, dass Ariane über Subventionen redet. Wenn eine Firma immer dominant ist, dann wird sie irgendwann schlechter" - ein Seitenhieb auf die Ariane, die lange den Markt dominierte.

Esa-Chef Jan Wörner ärgert sich wiederum, wenn Firmen wie Airbus und OHB bei Space-X starten lassen. Die Beteiligten verweisen allerdings jeweils auf den anderen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums zitiert aus einer Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine FDP-Bundestagsanfrage vom Juli: Satellitenstarts seien "Bestandteil der Gesamtleistung, die vom jeweiligen Auftragnehmer erbracht werden muss", heißt es da. "Aus Sicht des Auftraggebers ist dies derzeit der wirtschaftlichste und risikoärmste Weg." Demnach wären die Hersteller für die Wahl des Startanbieters verantwortlich. "Wir starten Satelliten auch mit Space-X, wenn der Kunde es wünscht", sagt hingegen OHB-Chef Marco Fuchs - ähnlich argumentiert Airbus. Letztlich sind wohl die Kosten entscheidend.

Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD), der 2019 den Vorsitz der Wirtschaftsministerkonferenz übernimmt, versteht es nicht: "Es ist absurd, dass mit dem Geld europäischer Steuerzahler gebaute Satelliten zur Quersubventionierung amerikanischer Raketen dienen." Er hat natürlich Interesse am Erfolg der Ariane, von der in Bremen viele Arbeitsplätze abhängen. Raumfahrt sei "unverzichtbar", sagt er. "Deshalb ist es wichtig, dass wir für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen." Ein "Buy-European-Act" werde das Problem nicht allein lösen. Nötig sei "eine umfassende Strategie".

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