Argentinien:Noch mehr Kredit

Argentinien: Tausende versammelten sich am Montag in Buenos Aires, um gegen die Politik von Argentiniens Präsident Macri zu demonstrieren.

Tausende versammelten sich am Montag in Buenos Aires, um gegen die Politik von Argentiniens Präsident Macri zu demonstrieren.

(Foto: AFP)

Das südamerikanische Land erhält mehr Geld vom Internationalen Währungsfonds, um seine finanzielle Krise zu bekämpfen. Der Bevölkerung wird das kaum helfen, ein großer Teil lebt wegen der hohen Inflation in Armut, viele verlieren ihre Jobs.

Von Sebastian Schoepp

Wieder mal hängt die Zukunft Argentiniens vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ab. Wegen der Dauer-Wirtschaftskrise und der steigenden Inflation gelten Investitionen dort derzeit als Hochrisikogeschäft; auf dem privaten Kapitalmarkt ist für das Land kaum etwas zu holen, um seine leeren Kassen zu füllen. Ein bereits bewilligter IWF-Kredit von 50 Milliarden Dollar wurde deshalb nun auf 57,1 Milliarden aufgestockt.

Zahlungsunfähigkeit ist in dem südamerikanischen Land ein Thema, seit es sich im Chaos von 2001 und 2002 für bankrott erklärte und seine Verpflichtungen einstellte, die größte Staatspleite der Weltgeschichte. Es kam in der Folge zu schweren politischen Turbulenzen und zu einem Linksruck, Präsident Néstor Kirchner und seine Nachfolgerin, seine Witwe Cristina Kirchner, verabschiedeten sich damals ganz aus dem IWF - und damit aus dem internationalen Finanzsystem. Da möchte man diesmal rechtzeitig gegensteuern.

Die Ära Kirchner endete erst 2015 mit dem Wahlsieg des Liberalen Mauricio Macri, der das Land an die Finanzmärkte zurückbrachte und den Schuldendienst wieder aufnahm. Doch nun weht erneut ein Hauch von 2001 durch die Straßen von Buenos Aires. Demonstrationen mit gewalttätigen Auseinandersetzungen sind fast an der Tagesordnung, die traditionell mächtigen peronistischen Gewerkschaften haben Macri den Kampf angesagt. Anfang der Woche legte ein Generalstreik weite Teile des öffentlichen Lebens lahm, es war der zweite binnen weniger Monate.

Was viele Argentinier zornig macht, ist, dass Macris Konsolidierung Opfer fordert, aber nicht fruchtet. Der Peso hat seit Jahresbeginn 50 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar eingebüßt, damit hat die Inflation den höchsten Stand seit der Krise von 2001 erreicht. Das Gespenst der Hyperinflation der frühen Neunzigerjahre geht um. Die Löhne können nicht mithalten, weshalb viele Argentinier am Existenzminimum leben oder darunter. 25 Prozent der Bevölkerung gelten als arm, die Menschen in den Elendsvierteln außerhalb des Glitzerzentrums von Buenos Aires spüren die Krise besonders. Fast jeder dritte Haushalt in Argentinien ist auf irgendeine Art staatlicher Unterstützung angewiesen.

Präsident Macri hat versucht, die Krise durch einen konservativ-liberalen Kurs zu korrigieren, das aber trifft am ehesten die Ärmsten, denn sie sind von Einsparungen betroffen. Überall da, wo öffentliche Investitionen gestrichen werden, fallen Arbeitsplätze weg. Ein großer Teil der Argentinier wird auf den informellen Sektor verdrängt. Hauptproblem aber ist, dass die argentinische Wirtschaft nie die Produktivität erreicht hat, die nötig wäre, um Wohlstand und ein vernünftiges Lohnniveau zu schaffen. Motor der Wirtschaft ist die Landwirtschaft, der Sojaexport machte den Autarkie-Kurs der Kirchners möglich, doch die Preise schwanken sehr stark, eine Dürre setzt dem Sektor zu. Um Geld in die Kassen zu holen, führte Macri sogar die verhasste Exportsteuer wieder ein, wegen der Vorgängerin Cristina Kirchner international gescholten worden war.

Kirchner versuchte, durch Protektionismus eigene Wertschöpfungsketten zu etablieren und von der Abhängigkeit vom Rohstoff-Export wegzukommen. Doch die Konkurrenzfähigkeit der argentinischen Industrie wurde durch die Abschottung nicht gerade verbessert. Zudem gefährdet die Krise des Nachbarlands Brasiliens nun zusätzlich den wichtigsten Absatzmarkt. Die vom IWF gewährten Kredite sollen in den Haushalt fließen, was durchaus ungewöhnlich ist, und bei dessen Konsolidierung helfen. Finanzminister Nicolas Dujovne versicherte, man habe ihm in New York weitgehend freie Hand bei der Verwendung der Mittel gegeben. Doch steigende Sozialausgaben lässt das nicht erwarten, weil das dem marktliberalen Dogma der Regierung widerspricht.

Firmen und die Oberschicht profitieren von der Politik des Präsidenten

Die Turbulenzen haben auch personelle Konsequenzen, Mitte der Woche schmiss Zentralbankchef Luis Caputo, hin, "aus persönlichen Gründen", wie es hieß, doch es ist kein Geheimnis, dass er sich mit der Regierung über den Kurs bei der Inflationsbekämpfung nicht einigen konnte. Als Nachfolger hat Guillermo Sandleris übernommen, bisher Staatssekretär für Wirtschaftspolitik, und Vertrauter von Finanzminister Dujovne.

Die Reise zum IWF nach New York nutzte Macri, um bei Investoren die Möglichkeiten der argentinischen Wirtschaft anzupreisen. Im Ausland hat der Milliardär einen guten Ruf, vor allem in Finanzkreisen. In eigenen Land beschränkt sich die Beliebtheit aber auf die Oberschicht und den Teil des produktiven Mittelstandes, der gut durch die Krise gekommen ist und von Macris Politik profitiert. 2019 wird es spannend: Macri hat angekündigt, wieder für die Präsidentschaft kandidieren zu wollen. Interesse an einer Gegenkandidatur hat eine alte Bekannte angemeldet, Cristina Kirchner, die 2015 nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr antreten konnte, nun aber wieder dürfte. Sie ist allerdings in mehrere Korruptionsverfahren verwickelt, von denen sie behauptet, sie seien eine Kampagne der Gegner, um sie von einer Kandidatur fernzuhalten - so wie es in Brasilien dem früheren Präsidenten Lula erging.

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