Arcandor kämpft ums Überleben:Der Kaufhaus-Klüngel

Man kennt sich, man hilft sich: Das Beziehungsgeflecht von Eigentümern und Gläubigern ist bei Arcandor eng geknüpft.

C. Dohmen, D. Graalmann, M. Hesse u. S. Weber

Für 13 Uhr hatte sich Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick am Sonntag mit Eckhard Cordes, dem Lenker des Metro-Konzerns, in einem Münchner Hotel verabredet. Zusammen mit Friedrich Carl Janssen, dem Oppenheim-Bankier und Aufsichtsratsvorsitzenden von Arcandor, sowie Alexander Dibelius, Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, wollten die beiden Handelsmanager die Möglichkeiten einer gemeinsamen Zukunft für ihre Warenhaustöchter Karstadt und Kaufhof ausloten.

Arcandor kämpft ums Überleben: Man kennt sich, man hilft sich: Das Beziehungsgeflecht von Eigentümern und Gläubigern bei Arcandor. Zum Vergrößern der Graphik bitte klicken.

Man kennt sich, man hilft sich: Das Beziehungsgeflecht von Eigentümern und Gläubigern bei Arcandor. Zum Vergrößern der Graphik bitte klicken.

(Foto: Graphik: SZ)

Welche Bedingungen Cordes an eine solche Deutsche Warenhaus AG knüpfte, konnte Eick bereits am Sonntagmorgen bei der Zeitungslektüre erfahren. Wenn alle mitziehen, so verkündete der Metro-Chef in einem Interview, könne eine gemeinsame Warenhausgesellschaft bereits in zwei Monaten perfekt sein. So viel Selbstbewusstsein konnte sich Cordes leisten. Er wusste, sein Gegenüber steht mit dem Rücken zur Wand. Bereits am Freitag hatte Eick einräumen müssen, dass er die Mietzahlungen für die Karstadt-Warenhäuser eingestellt hat.

Doch aus der von Cordes erwarteten schnellen Einigung wurde nichts. Arcandor-Chef Eick stellte Forderungen, auf die sein Gegenüber nicht vorbereitet war. Metro solle sich nicht die Rosinen aus dem Karstadt-Kuchen herauspicken, sondern müsse die gesamte Karstadt Warenhaus GmbH übernehmen, inklusive der Hauptverwaltung und aller 91 Standorte, verlangte Eick. Das war gar nicht nach dem Geschmack von Cordes, der nur an 60 Karstadt-Filialen interessiert ist und keineswegs die Verwaltung in Essen übernehmen will. Als Eick dann auch noch einen Kaufpreis für Karstadt festschreiben wollte, war eine Einigung an diesem Tag gescheitert. Denn ohne einen Blick in die Bücher des angeschlagenen Konkurrenten will sich Metro nicht festlegen, wie viel sie für die Warenhauskette zahlt. Nach knapp vier Stunden gingen die Manager ohne nennenswertes Ergebnis auseinander.

Viele Interessen prallen bei Arcandor aufeinander. Wer dies verstehen will, der sollte das Beziehungsgeflecht um den Warenhauskonzern studieren. Beginnen könnte er mit dem von Arcandor und Oppenheim. Vergangenen September hatte Matthias Graf von Krockow gemeinsam mit den anderen persönlich haftenden Gesellschaftern der Privatbank dafür gestimmt, sich an Arcandor zu beteiligen. "Wir glauben an das Unternehmen. Es ist solide finanziert und für die zukünftige Entwicklung gut aufgestellt" betonte der Sprecher der Bank damals auf kritische Nachfragen.

Gutes Geld hinterhergeworfen

Tatsächlich wurde eher gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen. Oppenheim hat vor allem eingegriffen, weil sonst möglicherweise ein hoher Millionenkredit der Bank an die Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz verloren gegangen wäre. Für Oppenheim wäre dies auch ein herber Imageverlust gewesen.

Tatsächlich kennen sich viele der für Arcandor entscheidenden Personen schon lange: Der Bauunternehmer Josef Esch ist der Vermögensverwalter von Schickedanz. Krockow und Esch haben schon manch einen Skandal wie den um die Kölner Messegesellschaft durchgefochten. Schickedanz hatte sich für Middelhoff als Chef von Arcandor stark gemacht, Middelhoff wiederum hatte über einen Fonds von Esch schon vor seiner Zeit als Arcandor-Chef einen erheblichen Betrag in Karstadt-Immobilien investiert. Die Querverbindungen zwischen den Beteiligten sind vielfältig. Manch einen erinnert es an den kölschen Klüngel in der Heimatstadt der Bank, ganz nach dem Motto, man kennt sich und man hilft sich. Seit einiger Zeit gab es jedoch auch Stunk: So soll Josef Esch schwer enttäuscht gewesen sein von Middelhoff. Deswegen soll der Bauunternehmer dessen Entlassung betrieben haben. Esch dementierte dies. Tatsächlich ging Middelhoff jedoch einige Monate später.

Schon im Herbst hatte Krockow seinen Mitgesellschafter Friedrich Carl Janssen als Aufsichtsratschef zu Arcandor geschickt. Und der gewann einige Zeit später Karl-Gerhard Eick für den schwierigen Job. Der langjährige Telekom-Finanzvorstand sollte Arcandor ein glaubwürdiges Gesicht nach außen geben, hieß es damals hinter den Kulissen. Insider gingen schon damals davon aus, dass Arcandor bald beim Staat wegen Hilfe anklopfen werde.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Oppenheim und der gute Draht zur Bundesregierung.

Wenn ein Name immer wieder auftaucht

So kam es dann - selbst die diskreten Banker von Oppenheim machten sich dafür stark. Oppenheim hatte stets einen guten Draht zur Bundesregierung, nicht erst seitdem der ehemalige Präsident der Bundesbank, Karl Otto Pöhl, bei der Privatbank als persönlich haftender Gesellschafter an Bord gegangen war. Noch am Freitag waren Friedrich Janssen und Christopher von Oppenheim zu Gesprächen ins Bundeswirtschaftsministerium nach Berlin geeilt - doch vergeblich. Vielmehr pochte die Bundesregierung auf ein stärkeres Engagement der Eigentümer.

Gewichtige Rolle

Einer saß nicht mit am Tisch, dabei ist er eine der wichtigsten Figuren in diesem Karussell: Josef Esch. Doch der Rheinländer, einst Deutschlands jüngster Maurerpolier, der es weit gebracht hat, bleibt am liebsten im Hintergrund. Das Manager Magazin taufte ihn ob seiner Öffentlichkeitsscheu einst "Phantom von Troisdorf". Dort, in seiner Heimatstadt zwischen Köln und Bonn, residiert das komplexe Firmengeflecht von Esch. Bruder Matthias kümmerte sich um die Bausparte, Josef konzentrierte sich auf den Bereich Immobilien und die Entwicklung steuersparender Anlegermodelle. Als er Mitte der 80er Jahre den Oppenheim-Bankier Krockow kennenlernte, begann eine geschäftliche Liaison, die bis zum heutigen Tage von beiderseitigem Nutzen ist. Esch konzipierte die Immobilienfonds, die Krockow an seine betuchte Klientel vermarktete.

Auch in der Causa Arcandor spielt Esch eine gewichtige Rolle: Der Oppenheim-Esch-Fonds kaufte im Jahr 2003 dem damals bereits klammen Karstadt-Konzern fünf Immobilien ab und vermietete sie anschließend für offenkundig horrende Mietzahlungen zurück. Die Zahlungen belasten den Konzern heute schwer - zum Leidwesen von Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, und somit mittelbar auch von Esch.

Immer wieder taucht aber auch der Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, Alexander Dibelius, in dem Drama um Arcandor auf, mal als Berater, mal als Gläubiger, dann als Investor und Vermieter. Und schließlich gilt er als enger Vertrauter von Metro-Chef Eckhard Cordes. Kritiker werfen Dibelius deshalb Interessenkonflikte vor, was er aber stets zurückweist: Nie habe Goldman Sachs bei Karstadt und später bei Arcandor zwei Rollen gleichzeitig eingenommen.

Schon bevor Thomas Middelhoff bei Karstadt-Quelle 2005 das Ruder übernahm, beriet Dibelius den Konzern bei verschiedenen Transaktionen. Als die Goldman-Tochter Whitehall dann 2006 51 Prozent an der Immobiliengesellschaft Highstreet übernahm, in der die Kaufhaus-Immobilien gebündelt sind, hieß es, Dibelius habe Goldman die Immobilien zugeschoben. Er selbst hat das dementiert. Goldman vergab auch den Kredit, mit dem der Immobilienkauf großteils finanziert wurde, reichte ihn aber an andere Investoren weiter.

Derzeit jedenfalls sieht sich Dibelius ausschließlich als Eigentümer von Arcandor-Immobilien, der nur ein Interesse hat: Die Miete soll fließen. Deshalb habe Goldman Sachs auch kein Interesse daran, dass Arcandor in die Insolvenz geht, heißt es in Finanzkreisen. Goldman soll sogar bereit sein, sich am Eigenkapital von Arcandor zu beteiligen, wenn es zu einer Neuordnung der Eigentumsverhältnisse kommen sollte. Und wenn der Konzern zerschlagen wird und Metro nach den Trümmern greift? Könnte er dann nicht seinen Freund Cordes beraten, dessen Trauzeuge er ist, und daran mehr verdienen als er an Mieteinnahmen verliert? ,,Wir haben weder bei Arcandor noch bei Metro ein Beratungsmandat'', sagt eine Sprecherin von Goldman Sachs. Böse Zungen behaupten, das könne sich schnell ändern. Schon bald könnten sich die Unternehmen wieder zusammensetzen. Die Tür für ein weiteres Spitzengespräch, so verkündeten beide Unternehmen, sei noch nicht zugeschlagen. Entscheidend wird jedoch das Votum der Strippenzieher sein.

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