Süddeutsche Zeitung

Arbeitsteilung:Woher die Ware kommt

Digitale Anbieter können helfen, globale Lieferketten zu überwachen.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Unternehmen nutzen ausgiebig die Vorteile der globalen Arbeitsteilung und lassen Produkte, ganz oder teilweise, an vielen Orten fertigen. Bis heute aber kennen viele Firmen aus den Industrieländern nur die Betriebe der letzten Fertigungsstufe, also etwa in der Textilbranche die Konfektion. Was in der vorgelagerten Fertigung geschieht, wissen sie oft nicht. Solches Unwissen können sich Unternehmen aber immer seltener leisten. Erste Länder machen Firmen bereits Vorgaben für die Einhaltung bestimmter sozialer oder ökologischer Standards in der Lieferkette. So gilt in England der Modern Slavery Act oder in Frankreich ein Gesetz für Unternehmensverantwortung.

Sich aber auf jeder Stufe über alle Zulieferer zu informieren, kann aufwendig sein. So durchläuft beispielsweise ein Hemd bis zu 140 Arbeitsschritte, angefangen auf dem Baumwollfeld bis hinein in den Laden. Darin sehen Anbieter wie die Plattform Tradeshift ihre Chance: Sie wurde 2006 gegründet und verbindet heute 1,5 Millionen Unternehmen aus 190 Ländern. Nach eigenen Angaben ist sie damit das größte Netzwerk in dem Unternehmen untereinander kaufen und verkaufen.

Selbst wenn Unternehmen die richtigen Vorgaben für ihre Lieferketten machten sei es aufwendig, ständig deren Einhaltung zu überwachen, sagt Sarika Garg, Chefstrategin bei Tradeshift. Abhilfe schaffen könne die digitale Erfassung der Transaktionen aller beteiligten Firmen entlang der Lieferkette. Erfasst werden könnten auch Zertifizierungen von Unternehmen. Ein Gesetzesvorschlag wie der des deutschen Entwicklungsministeriums sei in der heutigen digitalen Welt einfacher umzusetzen. Dafür müssten die Besteller aber ihre Wertschöpfungskette digital erfassen und für ihre Zulieferer Anreize schaffen, dass ebenfalls zu tun, sagt Garg.

"Eine digitale integrierte Lieferkette schafft Transparenz", sagt Garg. Mit den verfügbaren Tools sei dies nicht mehr nur für die Großen möglich, sondern auch für kleinere Lieferanten. Tradeshift bietet etwa eine App an, die Unternehmen helfen soll, Bereiche innerhalb ihrer Lieferketten mit dem höchsten Risiko für Arbeitsmissbrauch zu überwachen. Dazu kombiniert der Anbieter globale Handelsflussdaten mit Details auf Lieferanten- und Einkaufsebene, um vorherzusagen, welche Bereiche der Lieferkette ein besonders hohes Risiko darstellen. Noch aber beschränke sich die Digitalisierung der dafür notwendigen Daten weitgehend auf große Unternehmen, sagt Garg: Denn der größte Teil des Handels finde nach wie vor auf Papier statt, was große Teile der Lieferkette undurchsichtig mache.

Allerdings hängt die Güte eines digitalen Überwachungssystems für die Lieferkette am Ende genau wie in der analogen Welt davon ab, ob die Informationen - etwa über die Zustände in den Fabriken - tatsächlich stimmen. Die Erfahrung zeigt hier, dass dies häufig nicht der Fall ist. Große Hürden bilden falsche Angaben, fehlende und unabhängige Kontrollen vor Ort oder Korruption. Auch die Unglücksfabrik Rana Plaza war vor ihrem Einsturz von Prüfern für gut befunden und zertifiziert worden.

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Quelle:
SZ vom 23.04.2019
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