Arbeitsschutz:Gefährlicher Job

Zu wenig Betriebe kümmern sich um den seelischen Schutz ihrer Mitarbeiter. Dabei scheiden 43 Prozent aller Frührentner laut Rentenversicherung wegen psychischer Erkrankungen aus dem Beruf aus. Die große Koalition will die Regeln in diesem Bereich überprüfen.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Arbeiten kann krank machen. Das gilt nicht nur für Fließenleger, die im Laufe ihres Berufslebens ihre Knie verschleißen, sondern auch für Kellner, Bankangestellt e oder Verkäufer. Immer freundlich sein zu müssen, kann auf das Gemüt schlagen, genauso wie zu viel Arbeitsdruck oder die "destruktive Führung" eines ungerechten Chefs. Das zeigt eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Knapp 43 Prozent aller Frührentner scheiden laut Rentenversicherung mittlerweile wegen psychischen Erkrankungen aus dem Beruf aus.

Im Koalitionsvertrag haben SPD und Union vereinbart, dass sie den "Arbeitsschutz insbesondere mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung" und auf "psychische Erkrankungen" überprüfen wollen. Doch die Anstrengungen der Bundesländer, die für Kontrolle gesunder Arbeitsbedingungen zuständig sind, haben in den vergangenen Jahren eher nachgelassen. Das zeigt nun die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach haben viele Arbeitsschutzbehörden eher Personal abgebaut. Im Jahr 2016 kontrollierten bundesweit 44 Vollzeit-Prüfer weniger als 2014 die Betriebe, nur in einzelnen Bundesländern stieg ihre Zahl. Auch die Gewerbeaufsichtsämter bauten Personal in den Jahren 2006 bis 2013 ab, allein die Unfallversicherungsträger stellten ein.

So wurden der Bundesregierung zufolge auch weniger Unternehmen kontrolliert: "Der Rückgang zeigt sich bei allen Betriebsgrößen, ist aber bei den kleinen Betrieben besonders deutlich." Bei Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern hat sich die Zahl der Besichtigungen von 2006 bis 2016 halbiert, auf knapp 72 000 Firmen.

Auch wenn darüber hinaus rund 129 000 größere Unternehmen Besuch von der Aufsichtsbehörde bekamen, täusche die hohe Zahl, sagt die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke. Schließlich schauten die Beamten in solchen Firmen nur einen Bruchteil der Arbeitsplätze an. Dabei sei es gerade bei psychischen Belastungen wichtig, genau hinzuschauen, ob ein Arbeitnehmer beispielsweise häufig in seiner Tätigkeit unterbrochen wird oder täglich einen unüberwindbaren Aktenstapel vor sich hat: "Man muss es erst einmal bemerken", sagt Müller-Gemmeke.

Eigentlich sind Betriebe aus genau diesem Grund verpflichtet, eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung zu schreiben, in der sie die Gesundheitsrisiken ihrer Arbeitsplätze aufzeigen. Dennoch haben im Jahr 2015 nur etwa die Hälfte aller Firmen eine Beurteilung erstellt, von denen wiederum nur 41 Prozent psychische Belastungen einbezogen, zeigt eine Befragung. Diese Bilanz zeige "einen erhöhten Überwachungs-, vor allem aber einen großen Beratungsbedarf", heißt es von der Bundesregierung.

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