Ursula von der Leyen:Das verschwundene Lächeln

In ihrem alten Amt als Familienministerin war Ursula von der Leyen die allzeit strahlende Super-Mutti der Nation. Doch seit ihrem Wechsel ins Arbeitsressort ist Schluss mit Dauerlächeln: Ihr misslingt viel - auf sämtlichen Feldern. Ein Überblick.

Johannes Aumüller

Lange Zeit galt die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als die Strahle-Mutti der Nation. Als sie noch das Familienministerium leitete, war ihr Lächeln stets freudiger als das der Kinder um sie herum. Unter anderem ließ sie sich parteiübergreifend für die Einführung des Elterngeldes bejubeln. Und seit ihrem Wechsel ins Arbeits- und Sozialressort im November 2009 darf sie strahlend allmonatlich erklären, dass die Arbeitslosenzahl gegenüber dem Vorjahr mal wieder um x-tausend Personen gesunken ist.

Kabinett beschliesst Hartz-IV-Reform

Ein-Euro-Jobs, Bildungspaket, Streit mit der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kämpft gerade auf vielen Problemfeldern.

(Foto: dapd)

Doch das Präsentieren der Arbeitslosenstatistik ist so ziemlich die einzige politische Freude, die Ursula von der Leyen derzeit hat. Die vergangenen Monate liefen für sie eher niederschmetternd. Als sie sich anschickte, sich vor der Bundespräsidentenwahl für eine Kandidatur in Stellung zu bringen, entschied sich Kanzlerin Angela Merkel lieber für Christian Wulff. Als sie mit Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) den verfahrenen Hartz-IV-Streit schlichten wollte, kamen die Polit-Oldies Kurt Beck (SPD), Wolfgang Böhmer (CDU) und Horst Seehofer (CSU) daher, um den jungen Damen mal zu zeigen, wie man das mit dem überparteilichen Verhandeln so macht. Und als sie sich wie alle Ressortchefs mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) um die künftige Höhe des Etats fetzte, verlor sie am deutlichsten.

Fest steht: In ihrer politischen Arbeit misslingt von der Leyen deutlich mehr als früher. Ein Überblick über die Flops der Bundesarbeitsministerin.

Bildungspaket

Als es im vergangenen Jahr zu den Diskussionen um die zukünftige Ausgestaltung der Hartz-IV-Regelsätze kam, schlüpfte von der Leyen wieder in ihre alte Lieblingsrolle: die der Ersatz-Mutter aller in Deutschland lebenden Kinder. Ihre Aufmerksamkeit galt in erster Linie nicht den erwachsenen Hartz-IV-Empfängern - sondern deren Nachwuchs. Und von der Leyen setzte sich durch: Für rund 2,5 Millionen Kinder aus armen Familien beschlossen Union und FDP ein sogenanntes Bildungspaket, mit Zuschüssen für Sportvereine, Musikschulen und ein warmes Mittagessen. Das Gesamtvolumen der Maßnahme für die Jahre 2011 bis 2013 beträgt mindestens 1,6 Milliarden Euro.

Allein: Der Start des neuen Bildungspakets missriet völlig. Anscheinend hatten die meisten Eltern kaum etwas von den Möglichkeiten der neuen Regelung mitbekommen, nach Medienberichten riefen es bislang erst rund zwei Prozent der Antragsberechtigten ab. Nun will die Arbeitsministerin rasch die Antragsfristen für die Leistungen bis Juni verlängern. Doch Kritiker fragen sich, ob ihr Ansatz überhaupt zu etwas führt - oder ob das Geld nicht besser direkt in Schulen und Sportvereinen landen sollte.

Chipkarte fürs Bildungspaket

Schon vor dem Beschluss des Bildungspakets hatte sie eine Pleite erlitten. Denn als die Öffentlichkeit damals diskutierte, wie denn die Zuschüsse für Sportvereine, Musikschulen und warmes Mittagessen bei den Kindern landen sollten, da ersann das Arbeitsministerium eine ganz moderne Lösung: die Einführung einer Chipkarte. Kritiker empfinden jedoch eine elektronische Steuerung der Zuschüsse als viel zu kompliziert und aufwändig. Doch von der Leyen wollte es unbedingt in einigen Regionen als Modell testen, um es dann 2012 bundesweit einzuführen. Doch dass es dazu kommen wird, ist in etwa so wahrscheinlich wie der Verbleib von Guido Westerwelle im Amt des FDP-Vorsitzenden. Von der Chipkarte spricht heute niemand mehr.

Bürgerarbeit

Mit dem üblichen von der Leyen'schen Tamtam erfuhr die Nation 2010 von einem neuen, selbstverständlich erfolgversprechenden Projekt: der Bürgerarbeit. Dahinter steckt ein Programm, mit dem schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose in öffentlich geförderte Jobs kommen sollen. Wer zum Beispiel alten Menschen vorliest, erhält für maximal drei Jahre 900 Euro brutto pro Monat. Im Bundesetat und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds stehen dafür insgesamt 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung, 34.000 Bürgerarbeitsplätze sind anvisiert.

Selbst die alten Themen retten sie nicht

Doch dieses Projekt verläuft ähnlich erfolglos wie das Bildungspaket. Bis Ende März waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit erst 1386 Bürgerarbeiter im Einsatz. Ein Grund: Viele Kommunen scheuen sich, Bürgerarbeiter einzustellen, weil sie unter Umständen 200 bis 300 Euro pro Monat selbst zuschießen müssen. Die Rechtslage ist deswegen so unklar, weil die Bürgerarbeiter nach Ansicht der Bundesregierung nicht nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes entlohnt werden sollen - nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi aber gleichwohl. Nun will von der Leyens Ministerium das Problem so lösen, dass die Kommunen die Bürgerarbeiter als Leiharbeiter einsetzen können und nicht nach Tarif zahlen müssen. Die Empörung von Verdi ist gewiss.

Ein-Euro-Jobs

Auch mit ihrem neuesten Gesetzesentwurf rund um das Thema Ein-Euro-Jobs zieht sich von der Leyen massiven Unmut der Sozialverbände und der Kommunen zu. Derzeit gibt es gut 172.000 Ein-Euro-Jobber. Wer zum Beispiel als Kommune oder als Sozialverband einen Ein-Euro-Jobber einstellt, bekommt für die sozialpädagogische Betreuung vom Staat eine monatliche Aufwandsentschädigung. Diese lag bislang bei durchschnittlich 263 Euro, in jedem vierten Fall sogar bei mehr als 300 Euro. Nun will von der Leyen diese Zahlung auf maximal 150 Euro beschränken. Kritiker befürchten, dass die Ein-Euro-Jobs daher vor dem Aus stehen - und dass das Ansinnen auf Kosten der Langzeitarbeitslosen geht.

Streit mit der Bundesagentur für Arbeit

Eigentlich mag von der Leyen die Bundesagentur für Arbeit (BA), ist sie doch die Institution, die ihr allmonatlich den einzig verbleibenden Freudenmoment beschert: das Verkünden der (gesunkenen) Arbeitslosenzahlen. Doch Anfang April legte sie sich mächtig mit der Agentur an. Via Interview in der Süddeutschen Zeitung erweckte sie den Eindruck, dass sich ihr Ministerium und die BA über die künftige Finanzierung der Agentur weitgehend einig seien. Nach ihrem Plan halbiert sich der Anteil, den die Agentur aus der Mehrwertsteuer-Erhöhung 2007 erhält, schrittweise. Im Gegenzug übernimmt der Bund von 2012 an die Kosten für die staatliche Grundsicherung im Alter.

Das Problem an von der Leyens Erklärung: Erstens gibt es laut BA noch gar kein einvernehmliches Verfahren - und zweitens dürfte es so zeitnah auch nicht dazu kommen. Denn die Agentur befürchtet, bald auf einem gewaltigen Schuldenberg zu sitzen und protestiert deswegen kräftig gegen das Vorhaben. Denn mit diesen Plänen gehen ihr von 2012 bis 2015 etwa 11,5 Milliarden verloren, sie fürchtet fürs Jahr 2015 einen Schuldenberg von neun Milliarden Euro. Das sei "keine solide Gegenfinanzierung", monierte BA-Verwaltungsrat Peter Clever, von der Leyens Aussagen seien ein "schlechter Scherz".

Für von der Leyen läuft es gerade derart unrund, dass selbst ein Projekt aus ihrer Zeit als Familienministerin misslingt. Vier statt zwei "Vätermonate" wollte sie 2009 installieren, selbst im Koalitionsvertrag des schwarz-gelben Kabinetts, in dessen Anfangszeit von der Leyen noch im Familienressort wirkte, findet sich ein Hinweis auf das Projekt. Doch vor einigen Wochen gab ihre Nachfolgerin Kristina Schröder (ebenfalls CDU) das Projekt auf. Die Begründung: kein Geld.

Selbst ihre alten Themen retten von der Leyen derzeit nicht. Das Lächeln war einmal.

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