Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Wer in einer großen Firma lernt, ist seltener arbeitslos

Eine Studie zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Betrieben. Die Forscher fordern junge Menschen auf, für eine bessere Lehrstelle umzuziehen.

Von Alexander Hagelüken

Richtige Bildung hat großen Einfluss auf den Erfolg im Beruf. Forscher haben längst nachgewiesen: Der Besuch einer guten Kita oder Schule hilft. Wie eine neue Untersuchung ermittelt, gilt das auch für die Lehrlings-Ausbildung. "Wir konnten feststellen, dass Auszubildende aus größeren Betrieben später im Erwerbsleben deutlich kürzer arbeitslos sind", sagt Steffen Müller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).

Schon bisher zeigten Studien, dass Lehrlinge in großen Firmen besser verdienen. Und sie stellten fest: Es gibt ein höheres Risiko, direkt nach der Lehre in kleineren Betrieben arbeitslos zu werden. Steffen Müller und seine Professorenkollegin Renate Neubäumer von der Uni Koblenz gehen einen Schritt weiter. Sie untersuchen, wie es in den 15 Jahren nach der Lehre weitergeht. Fazit: 57 Prozent, also mehr als die Hälfte der Azubis von Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern stehen im Berufsleben mal ohne Job da. Im Schnitt sind sie fast ein Jahr arbeitslos. Zwei Drittel der Lehrlinge aus Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten werden dagegen überhaupt nie arbeitslos, so die Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die klassische Erklärung dafür ist einfach: Große Firmen zahlen schon in der Lehre mehr und können sich deshalb die besten Kandidaten mit den stärksten Noten aussuchen. Kein Wunder, dass diese Leute später mehr Erfolg im Beruf haben. Wie Müller und Neubäumer herausfanden, lassen sich die Differenzen dadurch allein aber nicht erklären. Sie verglichen Kandidaten mit der gleichen Qualifikation. Auch bei ihnen spielte es eine Rolle, ob sie in einer kleinen oder großen Firma gelernt hatten.

Die Forscher ermitteln bei den 60 000 untersuchten Deutschen zwei andere wichtige Gründe. Erstens haben Großbetriebe sozusagen einen internen Arbeitsmarkt: Sie bieten nach der Lehre ein Reservoir an Stellen, für welche die jungen Mitarbeiter perfekt ausgebildet sind. So finden sie leichter stabile Arbeitsplätze als Azubis kleinerer Betriebe, die oft über ihren Bedarf an Personal ausbilden, so dass sich Absolventen woanders was suchen müssen.

Große Firmen betrachten ihre Lehrlinge meist als Investment in ihre eigene Zukunft

Für noch wichtiger hält Müller den zweiten Grund: "Große Firmen betrachten ihre Lehrlinge meist als Investment in ihre eigene Zukunft", sagt der Ökonom. Sie nähmen exakt so viele Azubis auf, wie sie später Bedarf an neuen Arbeitskräften hätten. "Und sie vermitteln oft eine qualitativ hochwertige Ausbildung, für die sie bis zu 5000 Euro draufzahlen." Mit Draufzahlen ist die Differenz zwischen Lehrlingsgehalt und sonstigen Kosten sowie dem Ertrag durch dessen Arbeit gemeint.

Anders die Strategie vieler kleinerer Betriebe. Sie stellen Lehrlinge häufiger als Ersatz für mehr oder weniger qualifizierte Arbeitskräfte ein. Weil sie oft über Bedarf ausbilden, finden die Azubis nach der Lehrzeit dort keinen Job. Gleichzeitig sind sie speziell für Stellen ausgebildet, die für kleine Firmen typisch sind. Und ihre Ausbildung ist oft weniger hochwertig. "Die Firma hat ja keinen Anreiz, so viel in den Lehrling zu investieren, wenn sie ihn später nicht beschäftigen will", erklärt Müller. "Viele Absolventen können nicht in der Ausbildungsfirma weiterarbeiten und finden auch keine andere qualifizierte Stelle", heißt es in der Studie. "Sie müssen einen ungelernten Job annehmen oder werden arbeitslos. Beides macht sie in ihrem ganzen Berufsleben für weitere Arbeitslosigkeit anfällig."

Ein Ausweg wäre für Müller, dass junge Menschen gezielt in Regionen nach einer Lehrstelle suchen, wo es viele große Betriebe gibt. Etwa in Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern und in Ballungsräumen. Studien zeigen aber, dass Kandidaten im typischen Azubialter von 16 weit weniger mobil sind als erwachsene Stellensucher. Sie wollen nicht von Freunden wegziehen und wohnen bei den Eltern, weil das billiger ist. Müller fordert, sie besser zu informieren: "Viele junge Menschen wissen nicht, dass der Staat Mobilitätshilfen zahlt und sie in Lehrlingsinternaten wohnen können."

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SZ vom 30.03.2016
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