Jobs:Arbeitsmarkt trotzt Omikron

Arbeit und Beruf: Technikerin während einer Messprüfung

Ingenieurinnen, Informatiker und andere Fachkräfte werden von vielen deutschen Firmen händeringend gesucht.

(Foto: imago/Cavan Images)

Rechnet man die üblichen Wintereffekte heraus, waren im Januar weniger Deutsche ohne Job als noch Ende 2021. Streit gibt es um die Frage, ob Ungeimpfte das Arbeitslosengeld verlieren.

Von Alexander Hagelüken

Am deutschen Arbeitsmarkt macht sich die bisher stärkste Corona-Welle kaum bemerkbar. Geschäfte und Restaurants leiden unter den Einschränkungen, insgesamt jedoch geht die Beschäftigung nicht zurück. Zwar steigt die Arbeitslosigkeit wie immer im Winter, zum Beispiel weil Baustellen ruhen. Im Januar waren 2,46 Millionen Bürger ohne Job, 130 000 mehr als im Dezember. Rechnet man den Wintereffekt heraus, schrumpfte die Arbeitslosenzahl aber sogar um 50 000.

"Der Arbeitsmarkt ist gut in das Jahr 2022 gestartet", sagt Daniel Terzenbach, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Die Arbeitslosigkeit sei bei Weitem nicht so stark gestiegen wie sonst im Winter. An den Zahlen lässt sich ablesen, wie Deutschland aus der Corona-Krise findet. So hatten im Januar fast eine halbe Million mehr Menschen Arbeit als vor einem Jahr. Die pandemiebedingten Einschränkungen für Geschäfte und Restaurants zeigen sich vor allem in mehr Kurzarbeit. Die Unternehmen entlassen ihre Mitarbeiter also nicht, sondern behalten sie.

Für die kommenden Monate zeigt die Tendenz am Arbeitsmarkt nach oben. Das Barometer des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stieg im Januar leicht - das erste Mal seit August. "Omikron wächst sich zur bislang höchsten Corona-Welle aus, aber der Arbeitsmarkt könnte ohne große Schrammen durchkommen", analysiert IAB-Prognoseleiter Enzo Weber. Das liegt an der Hoffnung, dass es trotz der Rekord-Infektionen nicht nötig wird, den Betrieb von Geschäften und Restaurants stärker einzuschränken.

Ab dem Frühjahr dürfte sich die Lage ohnehin bessern, wenn die Deutschen wieder mehr einkaufen und essen gehen - durch das schönere Wetter und das erwartete Abflauen von Omikron. Im ersten Corona-Jahr mit den vielen Schließungen haben die Bürger etwa ein Drittel mehr Geld angespart als sonst. Davon geben sie wahrscheinlich einen guten Teil wieder aus. Konjunkturforscher rechnen damit, dass der private Konsum der große Antreiber wird - und die deutsche Wirtschaft 2022 deutlich wächst, um drei bis vier Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt nach IAB-Prognose dieses Jahr um 300 000. Im Dezember gingen gut 45 Millionen Bürger einer Arbeit nach, das waren noch 200 000 weniger als vor Ausbruch der Pandemie.

Der große Test für Wachstum und Arbeitsmarkt ist jetzt: Lösen sich die Nachschubprobleme der Unternehmen langsam auf? Dann können die Firmen ihren Berg an Aufträgen abarbeiten, mehr Umsatz machen und Leute einstellen.

"Im Herbst war die Wirtschaft durch Lieferengpässe belastet. Die könnten sich aber langsam entschärfen", so IAB-Forscher Weber. Im Januar berichteten nur noch 67 Prozent der Firmen, dass sie Probleme haben, Vorprodukte und Rohstoffe zu bekommen. Im Dezember waren es 82 Prozent. Das Ifo-Institut gibt aber noch keine Entwarnung. "Es ist noch nicht abzusehen, ob dies eine Trendwende ist", so Forscher Klaus Wohlrabe. Vor allem klassische Industriebranchen wie Auto und Maschinenbau warten weiter überdurchschnittlich oft auf Teile.

Die Wirtschaft bleibt skeptisch. Aktuell könnten wegen Materialmangels neun von zehn bayerischen Metall- und Elektrofirmen ihre Aufträge nicht abarbeiten, berichtet Bertram Brossardt, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands VBW. "Das entwickelt sich zum Aufschwungkiller." Die Produktion werde dieses Jahr nur leicht steigen - und damit nicht viel mehr als den Rückgang 2021 ausgleichen. Einige Konjunkturforscher glauben dagegen, dass sich die Lieferengpässe schneller auflösen.

Was die Impfpflicht für den Beruf bedeutet

Heftig diskutiert wird, was die geplante allgemeine Impfpflicht für den Arbeitsmarkt bedeuten würde. Unternehmen hätten dann wohl das Recht zu prüfen, ob jemand geimpft ist oder nicht, meint Jobagentur-Chef Detlef Scheele. Bisher dürfen sie nicht nachfragen. Beschäftigte müssen nur nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder frisch getestet sind (3-G-Regel). Bei einer Impfpflicht dürften Unternehmen wohl ungeimpfte Bewerber ablehnen, so Scheele. Seine Behörde müsse dann prüfen, ob ungeimpfte Arbeitslose für eine bestimmte Zeit kein Arbeitslosengeld erhalten. Gesetzlich gilt, dass jemand nur Arbeitslosengeld bekommt, wenn er dem Arbeitsmarkt wirklich zur Verfügung steht.

Scheele erntet Kritik von FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki, der die Impfpflicht ohnehin ablehnt: "Dass man Menschen in den Senkel stellt einfach aufgrund ihres Impfstatus, wird mittlerweile für mich unerträglich". Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sprach von "Willkür und sozialer Erpressung".

In der Bundesregierung laufen Gespräche, wie eine allgemeine Impfpflicht arbeitsrechtlich verankert wird. So könnte es für die Durchsetzung der Impfpflicht wirksamer als ein Bußgeld sein, wenn Gesundheitsämter ungeimpften Mitarbeitern verbieten, ihre Firma zu betreten. Eine branchenbezogene Impfpflicht gilt ab Mitte März für Medizin- und Pflegeberufe. Derzeit sind 12 000 Pflegekräfte mehr als üblich auf der Suche nach einer Arbeit.

Rückkehr des Personalmangels

Viele Unternehmen beschäftigt derweil, dass ein Problem wieder auftaucht, das sie vor Ausbruch der Pandemie nervte: Mangel an geeigneten Mitarbeitern. Aktuell fehlen 400 000 Fachkräfte, so das Institut der deutschen Wirtschaft. Das sind sogar 50 000 mehr als vor dem Beginn von Corona. Besonders gesucht sind Ingenieure und Informatiker, aber auch Handwerker oder Lkw-Fahrer.

Die Bevölkerung altert und schrumpft, so dass jedes Jahr weniger Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Allein in Bayern reduziert sich das Angebot an Arbeitskräften bis 2035 von 6,5 auf dann 5,8 Millionen, erwartet Verbandsgeschäftsführer Brossardt. Anders als viele glaubten, gingen dem Land nicht vor allem die Akademiker aus. Er befürchtet größere Engpässe bei Fachkräften mit Ausbildung. Etwa in der Fahrzeugbranche, bei Gebäudetechnik und Gesundheit.

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