Süddeutsche Zeitung

Deutschland:Unternehmen beantragen häufiger Kurzarbeit

  • Im März 2019 waren nach den aktuellen Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) 41 800 Arbeitnehmer in Kurzarbeit.
  • Ein Jahr zuvor hatten knapp 27 000 Personen aus konjunkturellen Gründen Kurzarbeitergeld von den Arbeitsagenturen bezogen.
  • Das Kurzarbeitergeld, in der Regel 60 Prozent des ausgefallenen Nettoeinkommens, zahlt die Bundesagentur.

Von Thomas Öchsner

Die Kurzarbeit nimmt in Deutschland wieder zu. Im März 2019 waren nach den aktuellen Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) 41 800 Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Ein Jahr zuvor hatten knapp 27 000 Personen aus konjunkturellen Gründen Kurzarbeitergeld von den Arbeitsagenturen bezogen. Im Februar 2019 war die Zahl der Kurzarbeiter mit 44 500 sogar noch höher.

Ein Sprecher der BA sagte, der Beratungsbedarf bei den Firmen in Sachen Kurzarbeit sei gestiegen, allerdings "auf einem niedrigen Niveau". Kurzarbeit hilft Firmen, Auftragsflauten in konjunkturell schwierigen Zeiten ohne betriebsbedingte Kündigungen zu überstehen.

Das Kurzarbeitergeld, in der Regel 60 Prozent des ausgefallenen Nettoeinkommens, zahlt die Bundesagentur. Verglichen mit der Hochphase der Kurzarbeit vor etwa zehn Jahren ist die Zahl jedoch sehr gering: Im Krisenjahr 2009, als das Wachstum in Deutschland um fünf Prozent einknickte, waren bis zu 1,5 Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit beschäftigt. Hunderttausende konnten nur so ihren Job behalten.

"Wir sind meilenweit von Zuständen entfernt, wie wir sie in der Finanzkrise hatten", sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das IAB rechnet 2019 mit fast 50 000 Kurzarbeitern im Jahresdurchschnitt, das sind etwa doppelt so viele wie im Vorjahr.

Bundesarbeitsminister Heil hat ein Transformations-Kurzarbeitergeld angekündigt

Die BA-Statistik zeigt auch, dass Firmen vermehrt Kurzarbeit anzeigen. Das signalisiert, dass Unternehmen verstärkt mit Hilfe des Kurzarbeitergelds schlechte Zeiten überbrücken wollen. So erhöhte sich die Zahl dieser Anzeigen von Mai 2018 bis Mai 2019 von knapp 6700 auf gut 23 000. In den vergangenen Wochen hatten sich Meldungen über Firmen gehäuft, die erwägen, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Dazu zählt etwa der emsländische Anhänger- und Auffliegerhersteller Krone und der weltgrößte Stahlhersteller Arcelor Mittal, der in den Werken Bremen und Eisenhüttenstadt die Produktion zurückfahren will.

Kurzarbeit werde vor allem in der Industrie genutzt, "in der es mal schnell zu einem deutlichen Auftragsrückgang kommen kann. In solchen Fällen ist Kurzarbeit auch besonders sinnvoll, wenn man erwarten kann, dass das Geschäft mittelfristig wieder besser läuft", sagt IAB-Experte Weber. Das Institut rechnet für 2019 nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent in Deutschland. Das Münchner Ifo-Institut hatte vergangene Woche berichtet, dass Personalabteilungen bei Neueinstellungen bereits zurückhaltender reagierten. Im verarbeitenden Gewerbe rechneten sie sogar mit mehr Entlassungen als Einstellungen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat für Herbst eine Gesetzesinitiative für ein sogenanntes Transformations-Kurzarbeitergeld angekündigt, wie es bereits die IG Metall vorgeschlagen hatte. Unternehmen im Umbau sollen so leichter Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden können, deren Arbeit womöglich überflüssig werden könnte. Diese Mitarbeiter sollen sich dann während der Kurzarbeit weiterqualifizieren können.

Die Idee hält Experte Weber für richtig. "Es wäre sicherlich gut, Phasen der Kurzarbeit mit einer Qualifizierung zu verbinden. Hier besteht noch Nachholbedarf", sagt der Ökonom. Kurzarbeit dürfe aber nicht dazu dienen, "den erforderlichen Strukturwandel in Unternehmen zu verschleppen", deren Geschäft sich durch die Digitalisierung ändere.

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SZ vom 01.07.2019
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