Arbeitsmarkt:"Größter Schwindel aller Zeiten"

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Der US-Präsident will die Erwerbslosenstatistik umstellen, um den Arbeitsmarkt realistischer darzustellen. Nebeneffekt dieses Trumpschen Kniffs: Stellenzuwächse würden sichtbarer.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Kaum anzunehmen, dass Donald Trump in den vergangenen Tagen mit Wolfgang Clement telefoniert hat. Dabei könnte sich ein Anruf beim früheren Bundeswirtschaftsminister durchaus lohnen, denn Clement weiß, was passieren kann, wenn Politiker die amtliche Arbeitsmarktstatistik per Federstrich umstellen und die Zahl der Erwerbslosen damit über Nacht in die Höhe katapultieren: Eine solche Operation war Anfang 2005 der Anfang vom Ende der rot-grünen Regierung Schröder.

Dennoch will es der US-Präsident den Deutschen nun nachtun und den monatlichen Arbeitsmarktbericht ändern. Trump steht unter Zugzwang, denn er hat die bisherige Zählweise wiederholt als "größten Schwindel aller Zeiten" bezeichnet und seinem Vorgänger Barack Obama vorgeworfen, die Stellensituation zu beschönigen. Offiziell liegt die US-Erwerbslosenquote bei 4,8 Prozent - nach gängiger Definition der Statistiker herrscht damit beinahe Vollbeschäftigung. Der heutige Präsident hatte dagegen im Wahlkampf erklärt, in Wahrheit seien "wahrscheinlich 28 oder 29 Prozent der Amerikaner arbeitslos". Sogar von 42 Prozent habe er "gehört".

Wer sich gerade weiterbildet, wird nicht bei der offiziellen Arbeitslosenquote mitgezählt

Richtig an Trumps Kritik ist, dass die offizielle Erwerbslosenquote in den USA, die sogenannte U-3, sehr eng definiert ist. Sie umfasst nur Menschen, die sich in den zurückliegenden vier Wochen um einen neuen Job bemüht haben. Damit sind alle außen vor, die sich etwa gerade weiterbilden, die kein geeignetes Stellenangebot gefunden oder schlicht die Hoffnung auf eine baldige Wiederbeschäftigung aufgegeben haben. Dabei wird auch ihre Zahl erhoben, die daraus errechnete Erwerbslosenquote U-5 wird aber kaum beachtet. Sie liegt momentan bei 5,8 Prozent, also genau einen Punkt höher als die offizielle Rate. Nimmt man diejenigen Menschen noch hinzu, die teilzeitbeschäftigt sind, obwohl sie lieber voll arbeiten würden, ergibt sich die Quote U-6, die derzeit 9,4 Prozent beträgt.

Welche der Raten die Situation auf dem Arbeitsmarkt am besten widerspiegelt, ist unter Experten umstritten. Tatsache ist, dass das Arbeitsministerium Monat für Monat sechs unterschiedlich definierte Quoten ausweist. Das zeigt, dass auch die amtlichen Statistiker eine einzige Zahl für nicht aussagekräftig genug halten.

Trump braucht zu Beginn seiner Amtszeit einen höheren Ausgangswert

Für Trump könnte sich ein Wechsel von der U-3 zur U-5 oder gar U-6 durchaus lohnen. Zwar wären mit einem solchen Schritt politisch auch Gefahren verbunden, denn Öffentlichkeit und Medien neigen - siehe Clement - dazu, schon nach kurzer Zeit nur noch die bloßen Zahlen anzuschauen. Was dann bliebe, wäre ein hässlicher Knick in der Grafik - pünktlich zu Trumps Amtsantritt. Andererseits nähme der Präsident mit der Umstellung aber ein Gefühl auf, das viele Amerikaner umtreibt: Manche von ihnen haben die Suche nach einer Stelle tatsächlich frustriert aufgegeben, gelten aber offiziell nicht als erwerbslos. Andere haben zwar nach der großen Rezession der Jahre 2008 und 2009 wieder Arbeit gefunden, verdienen aber weniger als früher und sind deshalb trotz Jobs unzufrieden. All das kommt in der blendend aussehenden U-3-Statistik nicht zum Ausdruck.

Vor allem aber: Trump braucht zu Beginn seiner Amtszeit einen höheren Ausgangswert, um die Chance zu haben, die Quote in der Zukunft wieder zu verringern. Bliebe es bei der U-3-Zählung, würden sich selbst echte Stellenzuwächse kaum in der Arbeitslosenrate niederschlagen, weil die Jobs vor allem von Menschen besetzt würden, die bisher gar nicht als erwerbslos galten. Anders gesagt: Der nach eigener Auskunft "größte Stellenbeschaffer, den Gott je geschaffen hat" braucht die Statistikreform, um mögliche Arbeitsmarkterfolge auch dokumentieren zu können.

Wie aber kommt Trump nun auf jene "echten" Erwerbslosenquoten von fast 30 oder gar 42 Prozent, von denen er "gehört" hat? Letzterer Wert ergibt sich, wenn man alle Bürger, die 16 Jahre und älter sind, in die Erwerbsbevölkerung mit einrechnet, also auch Schüler, Studenten, Rentner und Menschen, die freiwillig zu Hause bleiben, um sich etwa um Kinder oder Ältere zu kümmern. Die übergroße Mehrheit von ihnen dürfte gar keinen Job wollen - nicht einmal vom größten Stellenbeschaffer des lieben Gottes.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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