Arbeitsmarkt:Ein erster Dämpfer

Mehr Kurzarbeit, mehr Entlassungen, weniger Zeitarbeit: Die Wirtschaftsflaute in Deutschland hinterlässt erste Spuren auf dem Jobmarkt. Von einer Krise will der Chef der Bundesagentur für Arbeit aber nicht sprechen.

Von Thomas Öchsner

ThyssenKrupp will 4000 Stellen in Deutschland streichen, BASF 3000, Siemens 1400 und beim US-Autohersteller Ford sind es sogar mehr als 5000 Jobs, die wegfallen sollen. Noch ist es zu früh, dass sich dieser Job-Kahlschlag in der Arbeitslosenstatistik bemerkbar macht. "Das geht ja nicht so schnell", wegen des Kündigungsschutzes, weiß Detlef Scheele, der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA). Aber die Wirtschaftsflaute schlägt allmählich auf den deutschen Arbeitsmarkt durch. Dass sich die Konjunktur abschwächt, sei sichtbar. "Das Beschäftigungswachstum verliert an Dynamik", sagt Scheele.

Ein Dämpfer also, der sich auch in den neuen Arbeitslosenzahlen für Juni bemerkbar macht. Die Bundesagentur zählte - trotz des Sommerbeginns und des anhaltenden Baubooms - nur 20 000 Arbeitslose weniger als im Mai und 60 000 weniger als im Vorjahr. Die Gesamtzahl der offiziell registrierten Jobsucher verringerte sich damit auf 2,216 Millionen.

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit erwartet keine "eklatante Krise wie 2008 oder 2009"

Die Wirtschaftsflaute ist auf dem Arbeitsmarkt inzwischen an mehreren Stellen zu spüren. Erstens: Die Nachfrage der Unternehmen nach neuen Mitarbeitern lässt nach. Im Juni hatte die Nürnberger BA 798 000 Stellen registriert, 8000 weniger als vor einem Jahr. Zweitens: Der Boom bei der Zeitarbeit, der Branche, die ihre Beschäftigten an andere Firmen verleiht, ist erst einmal vorbei. "Wir sehen die konjunkturelle Eintrübung, wenn es um den Beschäftigungsabbau geht, gegenwärtig vorrangig in der Zeitarbeit", sagt Scheele. Drittens: Die sogenannte "Unterbeschäftigung" wächst. In dieser Gruppe werden auch Menschen berücksichtigt, die die BA nicht als Arbeitslose mitzählt, die aber auf Jobsuche sind, nur derzeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, etwa weil sie gerade arbeitsunfähig sind. So erhöhte sich die Zahl der Unterbeschäftigten, bereinigt um saisonale Einflüsse, um 6000 auf 3,172 Millionen. Viertens: Der Absprung aus dem Hartz-IV-System ist in den vergangenen Jahren zwar Hunderttausenden geglückt. Der Abgang aus der staatlichen Grundsicherung sei aber nicht mehr so gut, sagt Scheele. Er befürchtet, dass Hartz-IV-Empfänger es in Zukunft schwieriger haben dürften, eine Stelle zu bekommen. "Die Zeitarbeit war natürlich immer ein Arbeitgeber, der auch Menschen aufgenommen hat, die es nicht so einfach haben und die vielleicht keine Ausbildung haben", sagt der BA-Chef. Und fünftens: Die Arbeitsagenturen bereiten sich auf Kurzarbeit vor, vor allem in der Autoindustrie, also in Bayern, Baden-Württemberg und rund um die VW-Hochburg Wolfsburg.

Unterm Strich spricht aber nichts dafür, von einer Krise zu reden. Das zeigen schon die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes: 45,28 Millionen Menschen in Deutschland sind erwerbstätig - das sind noch einmal fast eine halbe Million mehr als vor einem Jahr. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kann deshalb sagen: "Der Arbeitsmarkt zeigt sich auch in diesem Monat von seiner robusten Seite, auch wenn sich die nachlassende konjunkturelle Entwicklung bemerkbar macht."

Scheele erwartet ebenfalls keine "eklatante Krise wie 2008 oder 2009". Vielmehr gehe es nach einer Durststrecke von einigen Quartalen wieder mit der Konjunktur aufwärts. Der Wandel durch die Digitalisierung der Gesellschaft hat jedoch gerade erst angefangen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rechnet damit, dass durch neue Entwicklungen in der Industrie etwa 1,46 Millionen Arbeitsplätze bis 2035 wegfallen werden. Gleichzeitig werden laut der IAB-Prognose aber 1,4 Millionen neue Jobs in Deutschland geschaffen.

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